Neben den vier Straßen, die zu den Stadttoren führten, gab es im mittelalterlichen Erkelenz mehrere Gassen, die zur Stadtmauer führten. Sie wurden eindeutig aus wehrtechnischen Gründen geschaffen. Durch diese konnte die Stadtmauer aus der Stadtmitte schnell erreicht werden. Diese Gassen sind heute noch erhalten.
Koningsgasse
Die Koningsgasse verbindet die Mahrstraße (heute Franziskanerplatz) mit der Südpromenade. Ursprung und Sinn des Namens sind nicht sicher. Er hat im Laufe der Jahrhunderte Änderungen erfahren. Die früheste Erwähnung ist von 1591 überliefert: „Crinsgaß“. 1799 = „Kunicksgasse“, 1819 = „Kaninsgasse“.
Eine Katasterkarte von 1869 nennt die Lagebezeichnung „Kaninsgasse“, die Gasse aber „Koningsgasse“. Die Bezeichnung Kaninsgasse scheint allgemein verbreitet gewesen zu sein. In der Berichterstattung des Erkelenzer Kreisblattes über die Ratssitzung vom 19. September 1898 wurde vermerkt, dass man über die Gasse und ihren Namen sprach: ,,Fälschlicherweise wird die von der Aachener Straße zur Südpromenade führende Gasse im Volksmund Kanin-Gasse genannt, während der richtige Name Koningsgasse lautet.“
Marktgasse
Die Marktgasse verbindet den Markt mit der Südpromenade. Der Name ist naheliegend, aber ohne Aussagewert. Erst am 26. Juni 1959 wurde diese Bezeichnung vom Rat beschlossen. Früher war die Gasse nach dem jeweiligen Anlieger am Markt benannt, z. B. Schröders-Gässchen.
Patersgasse
Die Patergasse verbindet den Franziskanerplatz mit der Westpromenade. Sie ist neben der Schülergasse die einzige Gasse, die auf der Karte der Urmessung von 1819 mit Namen bezeichnet ist. Im 19. Jahrhundert wird sie in Zeitungen auch Franziskanergasse genannt.
Auch sie war ein schneller Weg zur Stadtmauer und gehörte katastermäßig zur Lage „Maartor“, hatte aber in der Karte von 1869 auch die Lagebezeichnung „Spitzberg“. Der Ursprung dieses Namens ist unklar, aber die Gasse steigt im spitzen Winkel nur Promenade auf.
Die Patersgasse erinnert an das auf dem Gelände der heutigen Hauptschule und Stadthalle gewesene Franziskanerkloster mit Kirche. Wahrscheinlich wurde sie oft von den Patres benutzt, wenn sie den Weg durch das Maartor nahmen.
Die engen kleinen Häuschen dieser Gasse bilden in ihrer Geschlossenheit auch heute noch ein einzigartiges Ensemble: ein Stück Alt-Erkelenz.
Pleygasse
Pley (Platz) wurde früher der kleine Platz am Beginn der Brückstraße, nahe am Markt, genannt. Er hatte Bedeutung wegen der Nachbarschaftspumpe. Die Gasse wurde um 1900 im Ratsprotokoll mehrmals als die „Gasse von der Pley zur Promenade“ umschrieben. Der Volksmund nannte sie später nach den Anliegern: Reiferscheidts- oder Hübens-Gässchen. Heute heißt sie Reifferscheidts Gässchen.
Mit der Anlage eines Parkplatzes an der Ostpromenade und im Bereich der Gasse wurde 1982 durch den teilweisen Abbruch der Mauern der Gassencharakter zerstört.
Schülergasse
Die Schülergasse verbindet den Markt (ab der Kirchstraße) mit dem Franziskanerplatz. Sie ist eine der ältesten Gassen, die uns mit Namen bekannt ist. Schon 1467 wird die Schule und ein an ihr tätiger Meister Kirstgen (Christian) erwähnt.
Das Schulhaus, nach Rechnungen über an ihm vorgenommene Reparaturarbeiten zu schließen ein schlichter Fachwerkbau, war Eigentum der Stadt und lag damals in der nach ihm benannten „scholerssche ghaten“ (1468). Dieser Name wurde auch in der Chronik genannt, als Mathias Baux den Stadtbrand von 1540 schilderte: „… In eins armen weiffs huysgen achter dem Kirchtorne op der Scholerssen gassen gelegen … „.
Auch im Jahre 1557 ist der Name belegt: ,,Schullersche Gaß“; 1799 ist von der „Schildergaß“ die Rede. Die Karte der Sektion P von 1819 nennt sie „Schullers Gasse“.
Ein bekannter Anwohner dieser Gasse war Cornelius Burgh, ein bedeutender Komponist und Organist in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, der viele Jahre in Erkelenz wirkte.
Diese Anzeige im Erkelenzer Kreisblatt aus dem Jahre 1854 zeigt, dass an der heutigen Ecke Schülergasse-Kirchstraße um diese Zeit bereits ein Geschäft vorhanden war.
Eine weitere Anzeige aus dem Erkelenzer Kreisblatt vom 23.09.1923 belegt einen Gewerbebetrieb in der Schülergasse Nr. 5.
Seit 1903 führte Heinrich Bongartz in der Schülergasse das Hotel-Restaurant „Zum Schwan“. Der Schwan war in Erkelenz ein beliebter Treffpunkt, auch für Vereine, da es einen kleinen Saal gab. Besonders zu den Kirmes- und Karnevalstagen herrschte Hochbetrieb.
Dazu schreibt Wilhelm Borgs am 26.04.2023 in der Rheinischen Post: „Gerade vor den „Hochtagen“ brauchte der Schwan immer wieder frisches Bier, also kam häufiger das Bierauto. Stand der Lastwagen vor dem Schwan, flog ein dickes Lederkissen auf das Pflaster. Darauf ließ der Fahrer ein schweres Bierfass fallen und rollte es dann zum Kellerloch“
Zehnthofweg
Zu den Gassen, die zur Stadtmauer führten, gehörte auch der von der Gasthausstraße zur Stadtmauer führende Weg, der heutige Zehnthofweg. Schon die Deventer-Karte von 1550 zeigt diese Verbindung. Ein Name aus dieser Zeit ist aber nicht bekannt. Später wird die Gasse als „Gasse neben dem Zehnthof“ bezeichnet.
Die Straßenbezeichnung „Zehnthofweg“ gibt es seit dem 01. Januar 1955. Der Name bezieht sich auf eine alte Lagebezeichnung, die auf einen wahrscheinlich in diesem Bereich liegenden ehemaligen Zehnthof zurückgeht. Die Gärten, die Herman Josef Gormanns der Pfarre für seine Stiftung vermachte und auf deren Grund das Krankenhaus gebaut wurde, werden in Gormanns Testament am „Zehntkamp“ bezeichnet.
Im 13. Jahrhundert wird in einem Güterverzeichnis des Aachener Marienstiftes ein Zehnthof in Erkelenz erwähnt. Auf diesen Zehnthof oder eine Zehntscheune deutet auch die alte Lagebezeichnung „Am Zehntkamp“ hin.
Entlang der Gasse (vorher schon entlang der Gasthausstraße) gab es eine Wasserrinne (im Bild links), die überschüssiges Regenwasser von der Stadtmaar (heute Franziskanerplatz) in den Stadtgraben leitete.
Am 23. Juli 1888 legte der Landmesser Amfaldern einen Nivellierungsplan über den Ablauf vom Maarplatz durch den Stadtgraben (heute von-Reumont-Straße) zum Ziegelweiher vor. Damals hatte die Rinne von der Paterskirche bis zur Sohle des Kanals an der Westpromenade, also entlang des heutigen Zehnthofes, ein Gefälle von 81 cm.
Die Preußische Landesregierung genehmigte am 3. März 1869 die Hermann-Josef-Stiftung. Am 19. Oktober 1869 wurde der Grundstein zum Bau eines Krankenhauses am Zehntkamp gelegt, das Gebäude wurde fast genau zwei Jahre später, am 3. Oktober 1871 fertiggestellt und am 8. Oktober festlich den Dernbacher Schwestern des Ordens Arme Dienstmägde Jesu Christi übergeben. Jetzt erhielt der Weg einen offiziellen Namen: „Hospitalstraße“. Ein weiterer Ausbau, u. a. mit dem Anbau eines Aufzugturmes, folgte 1934.
Das Krankenhaus fiel 1945 den Bomben zum Opfer. In seinem unterirdischen Schutzbunker war der letzte Befehlsstand des Erkelenzer Kampfkommandanten.
Dem Krankenhaus gegenüber entstand an der Hospitalstraße 1926 eine neue zwölfklassige Volksschule nach Plänen des Stadtbaumeisters Scholtes. Sie wurde am 31. Juli 1927 eingeweiht und eröffnet. Nach der Neuordnung des Elementarschulwesens in Grund- und Hauptschule war hier von 1968 – 70 die Hauptschule, danach, bis zum Umzug in ihren Neubau, die Realschule (1974). Seitdem ist auch dieses Schulgebäude von der Hauptschule belegt.
Der Name „Hospitalstraße“ galt für den Teil der Straße bis zur Westpromenade. Ab hier hieß die Straße „Wassenberger Straße“. Im Rahmen des 1906 eingeleiteten Umlegungsverfahrens hatte die Stadtgemeinde ein großes Grundstück im Nordwesten der Stadt für einen neuen Friedhof reserviert. Es lag an dem „Wassenberger Pfad“, der 1913 bis zur Provinzialstraße Erkelenz/Gerderath die „Wassenberger Straße“ wurde.
Ende 1926 beschloss der Stadtrat, den Friedhof an der Brückstraße nicht mehr zu erweitern, sondern das reservierte Grundstück an der Wassenberger Straße für den neuen Friedhof vorzubereiten.
Im Januar 1955 wurden Hospitalstraße und Wassenberger Straße als durchgehende Straße von der Gasthausstraße bis zur Provinzialstraße (Gerderather Landstraße) der „Zehnthofweg“.
In den Jahren 1958/60 entstand, durch eine neu angelegte Stichstraße mit dem Zehnthofweg verbunden, im bisherigen Gartengelände zur Roermonder Straße der erste Bauabschnitt der evangelischen Volksschule, der zweite Bauabschnitt erfolgte in den Jahren 1965/66. In den Jahren 1969/70 wurden weitere Erweiterungen gebaut.
Im Januar 1979 gab es auf dem Komplex drei selbstständige Schulen:
Kath. Grundschule für Jungen,
Kath. Grundschule für Mädchen,
Ev. Grundschule.
Erst im Schuljahr 1979/80 wurden die katholischen Grundschüler und -schülerinnen gemeinsam unterrichtet. Heute sind es zwei Grundschulen, die Franziskus-Schule als Kath. Grundschule und die Astrid-Lindgren-Schule als Gemeinschaftsgrundschule.
Jenseits der alten Bundesstraße 57 entstanden am Zehnthofweg die weiterführenden Schulen: Realschule, Cornelius-Burgh-Gymnasium und Cusanus-Gymnasium.
Seit 1971 endet der Zehnthofweg an der Krefelder Straße. Er heißt von dort aus jetzt „Schulring“ und erschließt das Baugebiet VI im Bogen wieder bis zur Krefelder Straße.
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 3 "Erkelenzer Straßen" von Josef Lennartz/Theo Görtz ,
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