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Das Gasthaus und die Leonhardskapelle in Erkelenz

Kategorien: Kirchen Erkelenz
Stichworte: Gasthaus Kapelle
1542 bis 21. Jhrd.

Allgemeines

Das Gasthaus in Erkelenz war ein städtisches Armen- und Krankenhaus. Es bestand aus dem Prinzipalhaus, in welchem die Wohnungen für den Gasthausbewahrer und die Gasthausfrau sowie Krankenstuben und ein größerer Krankensaal waren, aus einem rechteckigen Innenhof mit eingeschossigen Einzelwohnungen für die Armen, aber auch für Durchreisende, z.B. Pilger. Für den Eigenbedarf waren ein Garten nebst Brunnen und eine kleine Brauerei vorhanden. Der Innenhof mit Brunnen ist heute noch in seinen Grundzügen vorhanden. Die Kapelle des Gasthauses, dem Heiligen Leonhard geweiht, wurde nach der Beschlagnahme durch die Franzosen (im Jahre 1802) später (im Jahre 1827) zur Volksschule umgebaut und im zweiten Weltkrieg stark beschädigt und nur teilweise wieder aufgebaut. Nach vollständiger Wiederherstellung in den Jahren 1989/1990 dient sie kulturellen Zwecken.

So wie in Erkelenz gab es in vielen Städten, z.B. Geldern, Kempen oder Dülken und auch in kleineren Gemeinwesen, z. B. in Holzweiler oder Linnich, ab dem späten Mittelalter Hospitäler, auch Gasthäuser genannt. Diese dienten aber in erster Linie nicht der Versorgung von Kranken, sondern der Unterbringung von Armen, die wohnungslos waren. Aber auch Durchreisende, hauptsächlich wohl Pilger, fanden im Gasthaus Unterkunft.1

Die Geschichte des Gasthauses

Entstehung

Das Gründungsdatum des Gasthauses ist nicht bekannt, erstmalig im Jahre 1452 wird das städtische Gasthaus in Erkelenz urkundlich erwähnt, hat aber mit Sicherheit schon vorher existiert. Erkelenz hatte ab 1326 die Stadtrechte und es gibt Hinweise, dass es in der Stadt schon früh eine „Armenkommission“ gab. Stiftungen für Arme sind im 15. Jahrhundert belegt, z. B. die von Peter Wimar.2 Auch die Lage an der Fernstraße Köln – Roermond – Antwerpen lässt ein hohes Aufkommen an Pilgern und Reisenden vermuten, so dass auch aus dieser Sicht ein Bedarf bestand.3

© gemeinfrei | Herkelens Deventerkarte
Im Stadtplan des Jakob von Deventer, um 1555 entstanden, ist die Gasthauskirche westlich von St. Lambertus abgebildet.

Die folgenden Jahrhunderte

Bis zur Franzosenzeit (1794 bis 1815) kam das Gasthaus seiner Bestimmung nach, hatte aber auch immer wieder neue Herausforderungen zu bestehen. Beim großen Stadtbrand im Jahre 1540 wurde auch das Gasthaus stark in Mitleidenschaft gezogen. So wurden sowohl der Dachstuhl der Kapelle als auch das Hauptgebäude zerstört oder stark beschädigt. Der Betrieb des Gasthauses konnte aber wohl aufrecht erhalten werden. Erst im Jahre 1545 wurde der Dachstuhl erneuert, 1548 eine neue Glocke beschafft und im gleichen Jahr wurde der abgebrannte Teil des Hauptgebäudes wieder aufgebaut.4

Ausschnitt aus dem Video „Erkelenz um 1550“ von Willi Wortmann. Sprecher: René Wagner

Aus dem 17. Jahrhundert gibt es zahlreiche Belege für die Instandhaltung der Gebäude, für den Unterhalt der Bewohner und nicht personenbezogenen Unterhalt des Gasthauses und der Kapelle. Im Jahre 1625 wurden drei neue Fenster für die Kapelle angeschafft.5

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | Brunnenstein

Bei der Sanierung der Leonhardskapelle im Jahre 1989 wurde in einem aus Ziegelstein gemauerten Brunnen ein Brunnenstein aus dem Jahre 1637 entdeckt. Dieser Brunnen wurde beim Abbruch der 13 kleinen Einzelhäuser im Jahre 1904 mit dem Bauschutt verfüllt.

Der Brunnenstein, Blaustein aus Namur, erinnert an den Bauherrn und Spender: „Am 7. Mai des Jahres 1637 – Zur Erinnerung an den Hochwürdigen Herrn Johannes Berky – Der Brunnen ist tief – Johannes 4. Kap“ Das Zitat bezieht sich auf die Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnen.

Heute befindet sich der Brunnenstein in der Außenmauer des Chores der Leonhardskapelle.

Das Gasthaus war wohl nicht immer voll belegt. So lebten die Franziskaner, die aus Roermond kamen, ab dem Jahre 1645 bis zur Fertigstellung ihres Klosters für etwa 10 Jahre in einem Teil des Gasthauses.6

Im Jahre 1802 wurde die Kapelle von den Franzosen profanisiert, im Jahre 1825 wurden dann Gasthaus und Kapelle der Stadt Erkelenz übergeben. Im Rat der Stadt wurde schon seit 1822 darüber diskutiert, ob die ehemalige Gasthauskapelle zu einer Schule umgebaut werden sollte. Im Jahre 1827 wurde dann die Gasthauskapelle zu einer Schule umgebaut, es wurde eine Zwischendecke eingezogen, welche die spätgotische Halle zerstörte, auch wurde der Dachreiter entfernt. Entfernt wurden wohl auch die Stützpfeiler, auf Fotos in den zwanziger Jahren des vorherigen Jahhunderts sind sie nicht mehr vorhanden. Es entstanden zwei „Schulstuben“ und eine Lehrerwohnung.

Die anderen Gebäude wurden bis auf einige Einzelwohnungen im Jahre 1844 abgerissen, die verbliebenen Einzelwohnungen dann im Jahre 1904 wegen Baufälligkeit. In diesem Jahr wurde das Schulgebäude erweitert. 7

© Schmitter / Heimatverein ERK | Wilhelm Schmitter | Zerstoerte-Gasthausschule
Die teilweise zerstörte ehemalige Leonhardskapelle und der Giebel des Pfarrhauses, 1945

Mit den Bombenangriffen im Februar 1945 ging auch die Gasthausschule unter und wurde nach dem Krieg nur noch eingeschossig wiederaufgebaut. Bis 1975 diente das Gebäude weiterhin schulischen Zwecken. Im Jahre 1981 wurde dann die Kreis- und Stadtbücherei hier untergebracht. Mit dem Neubau der Bücherei nebenan begann in den Jahren 1989/1990 die Wiederherstellung der Kapelle im spätgotischen Stil. Seitdem dient die Leonhardskapelle kulturellen Zwecken.

© Heimatverein ERK | Leonhardskapelle heute 3
Die Leonhardskapelle im Jahre 2021

Die Gasthausgebäude

© Heimatverein ERK | Karte-Erkelenz-1819-3

Das Grundstück, etwa 1500 Quadratmeter groß, erstreckte sich von der Gasthausstaße bis zur ehemaligen Stadtmauer, war etwa 85 Meter lang, anfangs 20 Meter breit, zum Ende hin nur noch 15 Meter. Bis auf einen schmalen Durchlass nahm an der Gasthausstraße die Kapelle die gesamte Breite des Grundstückes ein. Das Grundstück wurde von einer Mauer umschlossen. Hinter der Kapelle befand sich im Binnenhof das zweigeschossige Prinzipalhaus, das eigentliche und ursprüngliche Hospital. Im Prinzipalhaus waren der Kranken- oder Schlafsaal, der sogenannte „Beyert“ oder „Beyard“, die Wohnungen für den Gasthausmeister bzw. der Gasthausfrau, für die Begarden und eine Küche.

Katasterkarte von 1819: Vorne Kapelle, dahinter Prinzipalhaus und oben (358) die Wohnungen

Hinter dem Prinzipalhaus erstreckten sich in Richtung Stadtmauer an der westlichen Begrenzung dreizehn kleinere, einstöckige Reihenhäuser für Ortsarme und Alte. Neben dem Wohnrecht erhielten die Bewohner auch wöchentliche Zuwendungen, mussten sich aber im Wesentlichen selbst versorgen. Die kleinen Häuschen, drei davon etwa 65 Quadratmeter, die anderen etwa 15 Quadratmeter groß, waren in Stuben aufgeteilt, der Fußboden bestand aus Lehm, die Wände waren innen und außen weiß getüncht und die Ausstattung sehr einfach. Die Hausfronten waren einheitlich durch die Haustüre und ein danebenliegendes Fensterchen gegliedert. Jedem Häuschen war ein kleiner Garten vorgelagert, der von den jeweiligen Bewohnern gepflegt und bearbeitet werden musste. Im Innenhof befanden sich neben dem schon erwähnten Brunnen, der an die 20 Meter tief war, noch einige Wirtschaftsgebäude wie Brauerei, Backhaus und Stallungen.8

In flandrischen Städten, z. B. Brügge, können wir heute noch solche „Gasthuis“ sehen.

Die Gasthausverwaltung

Die Verwaltung des Gasthauses und damit auch die Betreuung oblagen dem Gasthausmeister für die männlichen und der Gasthausfrau für die weiblichen Bewohner. Dabei wurden sie von sogenannten „Begarden“ unterstützt. Sowohl die Begarden als auch die Bewohner unterstanden der städtischen Armenkommission. Diese bestand aus Mitgliedern, die von der Stadt gewählt wurden und dem Gasthausmeister. Finanziert wurde das Gasthaus hauptsächlich durch Stiftungen wohltätig gesinnter Bürger der Stadt.9

Bewohner des Gasthauses

Ständige Bewohner des Gasthauses, insbesondere der Wohnungen, waren aus Erkelenz stammende Arme und Kranke. Es gibt kaum Zahlen über die Belegung, sie lassen sich hier und da aus bestimmten Rechnungen punktuell ableiten. Außer den ständigen Bewohnern nahm das Gasthaus auch vorübergehend z. B. Pilger, Soldaten oder fahrendes Volk auf. Für diese war der Aufenthalt jedoch begrenzt, in der Regel für eine Nacht, es sei denn, es handelte sich um kranke Personen.

Die ständigen Bewohner wurden mit kleineren Arbeiten, z. B. Flachsspinnen oder häuslichen Verrichtungen, beschäftigt. Auch die Bearbeitung und Pflege des kleinen Gartens, der Betrieb der Brauerei und Bäckerei gehörten zu den Aufgaben der Bewohner, soweit sie dazu körperlich in der Lage waren.10

Die Leonhardskapelle

Baugeschichte

Da die Kapelle unverzichtbarer Bestandteil des Gasthauses war, ist davon auszugehen, dass sie zusammen mit diesem erbaut wurde. In einer Stiftungsurkunde für das Hospital von 1468 findet sich ein Hinweis, dass Rübsamen für ein Licht, möglichweise für die Kapelle, gestiftet wurde. Eindeutig wird die Leonhardskapelle nach dem Stadtbrand von 1540 genannt, z. B. bei der Wiederherstellung des Dachstuhles oder der Beschaffung einer neuen Glocke. Die schon erwähnte Abbildung im Stadtplan des Jakob von Deventer im Jahre 1555 ergibt ein weiteres Zeugnis.

Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Kapelle wohl mehrere Jahre nicht benutzt. Zu Beginn des 17. Jahrhundert ist belegt, dass Cornelius Burgh in der Gasthauskapelle die Orgel spielte. In einer Kirchenvisitation der Pfarre Sankt Lambertus in Erkelenz durch das Bistum Roermond im Jahre 1667 heißt es u. a.: „die unierten Altäre St. Michael und St. Georgi und Nicolai der Erkelenzer Pfarrkirche bilden mit der Kapelle Sankt Leonhard in der gassestraet ein Benefizium“. Dies bedeutet, dass der Pfarrer von Sankt Lambertus bestimmte, wer in der Leonhardskapelle die Wochenmessen lesen musste.11 Auch in Visitationsprotokollen späterer Jahre, z. B. 1703 und 1715, wird dies erwähnt.

Die weitere Baugeschichte wurde bereits vorher beim Gasthaus beschrieben.

Leider gibt es kaum Bildmaterial für das Gasthaus bzw. die ehemalige Leonhardskapelle/Schule.

Bauform

Die Leonhardskapelle, 18 Meter lang, 8 Meter breit, Satteldach und im First 25 Meter hoch, war eine im spätgotischen Stil gebaute einschiffige Hallenkirche. Leider gibt es keine Bilder über das innere Aussehen, das dann ja auch beim Umbau im Jahre 1827 völlig verunstaltet wurde. Bei der Wiederherstellung in den Jahren 1989/1990 wurde jedoch einiges zur Bauform sichtbar.

Der Kapellenboden war aufgefüllt mit den Trümmern eines gotischen Kreuzrippengewölbes, das beim Umbau 1827 zerstört wurde. Aus dem vorgefundenen Material konnte dies ermittelt werden. Im Chorbereich wurden neun Blendarkaden mit Rundbögen entdeckt, die zum Teil jetzt wieder sichtbar sind. Die beiden Seitenwände waren bis 1827 durch je fünf und die Chorhauptwand durch zwei aus Ziegelsteinen gemauerte Stützpfeiler gegliedert. Zwischen diesen befanden sich elf gotische Spitzbogenfenster. Die Stützpfeiler wurden bei der Sanierung 1989/1990 nicht wiederhergestellt.12

Mit dem Neubau der Bücherei in den Jahren 1989/1990 wurde die Leonhardskapelle restauriert und die frühere spätgotische Hallenkirche – ohne die mittelalterlichen Stützpfeiler – wiederhergestellt.

Die Ausstattung

Von der Ausstattung der Leonhardskapelle ist vieles bei der Säkularisation verloren gegangen. Erhalten blieb die gotische Kanzel aus der Zeit um 1500. Der Kanzelkorb ist meisterhaft mit aus Eiche geschnitzten und farbig gefassten Reliefs der Evangelisten und Kirchenlehrer sowie mit einem Kruzifix und einer Darstellung König Davids gefüllt. Zwei Tafeln sind im zweiten Weltkrieg verschwunden.

Dass die Kanzel erhalten blieb, ist dem Erkelenzer Oberpfarrer Anton Evers (Oberpfarrer von 1802 bis 1820) zu verdanken, der nach der Säkularisierung die Kanzel in die Sankt Luzia Kapelle seines Heimatdorfes Terheeg brachte. Dies brachte der Kanzel die auch heute noch gebräuchliche Bezeichnung „Terheeger Kanzel“ ein. In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts kam die Kanzel ins neu geschaffene Heimatmuseum im Alten Rathaus. Im zweiten Weltkrieg wurde sie rechtzeitig in Sicherheit gebracht und im Jahre 1975 fand sie ihren endgültigen Standort in der Pfarrkirche Sankt Lambertus.

Erhalten geblieben sind auch die 14 Nothelfer, barocke Tonbüsten, die über Sankt Lambertus in Erkelenz in die Karlskapelle in Oestrich kamen und jetzt dort aufbewahrt werden. Verschollen ist dagegen die Orgel, die auch von Cornelius Burgh (um 1590 bis 1638) gespielt wurde. 13

Patrozinium

Die Gasthauskapelle trug das Patrozinium des Heiligen Leonhard. Dieser lebte am Nordwestrand des französischen Zentralmassivs und wird in Saint-Leonard-de-Noblat verehrt. Dieser Ort liegt am Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Und so liegt es nahe, dass Pilger vom Niederrhein im 15. Jahrhundert eine Reliquie von dort nach Erkelenz gebracht haben.

Seit der Wiederherstellung in den Jahren 1989/1990 trägt die ehemalige Gasthauskapelle wieder den Namen „Leonhardskapelle“ zur Erinnerung an das frühere Patrozinium.

14
  1. Siehe Krings, a. a. O. Seite 94
  2. Peter Wimar, auch Peter Wym(m)ar, Petrus de Ercelens oder Peter von Erkelenz genannt, * in Erkelenz; † 16. Februar 1494 in Kues an der Mosel, war Sekretär des Kardinals Nikolaus von Kues und Stiftsdechant in Aachen.
  3. Siehe Brans, a. a. O. Seite 74
  4. Siehe Gaspers, a. a. O. Seite 38
  5. Siehe Brans, a. a. O. Seite 81
  6. Siehe Brans, a. a. O. Seite 74
  7. Siehe Lennartz, a. a. O. Seite 69ff
  8. Siehe Brans, a. a. O. Seite 76ff
  9. Siehe Krings, a. a. O. Seite 95
  10. Siehe Gaspers, a. a. O. Seite 38
  11. Siehe Brans, a. a. O. Seite 82
  12. Siehe Krings, a. a. O. Seite 93
  13. Siehe Krings, a. a. O. Seite 94
  14. Text von Günther Merkens 2021 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1991. Friedel Krings: Das mittelalterliche Gasthaus und seine Kapelle St. Leonhard in Erkelenz von 1400 bis 1990, Seite 89 ff
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 5. Das Elementarschulwesen des 19. Jahrhunderts im heutigen Stadtgebiet Erkelenz, Josef Lennartz, Seite 69ff
  3. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 12. Aus der Geschichte des Erkelenzer Landes. Hans Otto Brans: Das Hospital oder Gasthaus zu Erkelenz vom 15. bis 20. Jahrhundert, Seite 73 ff
  4. Gaspers/Sels, Geschichte der Stadt Erkelenz . Erkelenz, 1926

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