von Hubert Rütten
Vorbemerkung
Der folgende Artikel behandelt die Anfänge und die Entwicklung der 1832 gegründeten Erkelenzer Karnevalsgesellschaft (EKG) bis in die ersten Nachkriegsjahre nach 1945. Die Gesellschaft organisiert seit über 180 Jahren den „Fastelovend“ der Stadt. Wie jeder Verein erlebte er in seiner Geschichte ein „Auf und Ab“, bedingt durch das jeweilige Engagement seiner Mitglieder, aber auch durch die jeweils herrschenden politischen und ökonomischen Verhältnisse.
Erste Belege für den Karneval
Der erste Beleg für ein Erkelenzer „Karnevalsereignis“ findet sich in einem lateinischen Text der Stadtchronik von Mathias Baux. 1538 sei zu Fastnacht (carnisprivio) ein großer Aufruhr der Erkelenzer Bürger gegen den Magistrat entstanden.1 Über das karnevalistische Brauchtum, das im Erkelenzer Land vor 1800 ausgeübt wurde, ist wenig bekannt. Erst im 19. Jahrhundert finden sich zahlreiche Belege für den “Fastelovend“ in den damaligen lokalen Zeitungen „Wochenblatt für den Kreis Erkelenz und dessen Umgebung“ und dem „Erkelenzer Kreisblatt.“ Sie setzen ein, als sich die Bürger der Kleinstadt an das neue Karnevalsbrauchtum, das sich in Köln 1823 gebildet hatte, orientierten.
Die ersten drei Jahrzehnte
In Erkelenz wurde 1832 die „Erkelenzer Carnevals-Gesellschaft“ gegründet. Über ihre damaligen Aktivitäten ist nichts überliefert. Wenige Jahre später kamen diese vermutlich völlig zum Erliegen, mit der Folge, dass die Kenntnis über das Gründungsdatum verlorenging. Erst 1972 wurde im Kreisarchiv eine Anzeige des Erkelenzer Kreisblattes aus dem Jahr 1857 entdeckt, die für eine „Feier des 25-jährigen Jubelfestes der Erkelenzer Carnevals-Gesellschaft 1832-1857“ warb. Seither gilt das Jahr 1832 als offizielles Gründungsjahr und der Name des Karnevalsvereins wurde um diese Jahreszahl erweitert, er lautet nun „Erkelenzer Karnevalsgesellschaft 1832 e.V.“
Nach einer kurzen Ruhephase erwachte 1841 aber wieder das Karnevalsleben. In jenem Jahr legte die Gesellschaft ein Protokollbuch an, das die Jahre bis 1882 umfasst.
Der erste Eintrag stammt vom Februar 1841. 27 Personen trafen sich in der Gaststätte von Peter Otten „in der Absicht eine Gesellschaft zu bilden, welche es sich zum Zwecke gesetzt hat, die Feier des Karnevals wieder zu beleben und Lust und Freude, verbunden mit einem wohltätigen Zweck während der Karnevalszeit zu fördern“. Anschließend wurde sofort ein Vorstand gewählt, „bestehend aus vier Mitgliedern, welchem die Leitung der gesellschaftlichen Angelegenheiten anvertraut sein und welcher den Namen ‚Uhtschütt‘ (Ausschuss, Anm. des Verf.)“ erhielt. Der Jahresbeitrag wurde auf 10 Silbergroschen festgelegt. Gleichzeitig wurden drei Ehrenmitglieder aufgenommen.
1842 hatte die Gesellschaft 28 „wirkliche Mitglieder“, acht „Nicht wirkliche Mitglieder“ und drei Ehrenmitglieder. Der Mitgliedsbeitrag betrug nun 20 Silbergroschen. In jenem Jahr erhielt die Armenkommission eine Spende von 23 Thalern und 3 Silbergroschen. Zur „Unterstützung der Abgebrannten zu Genehen“ erfolgte ebenfalls eine Spende.
1843 bestand der Uhtschütt aus vier Mitgliedern und vier Stellvertretern. Weiterhin hatte die Gesellschaft 32 Mitglieder. 1846 waren es dann 34 Mitglieder. Einer der tragenden Säulen der Gesellschaft war Robert Gerkrath, der in den 1840er und 1850er Jahren fast immer im Uhtschütt vertreten war. 1856 erhielt er bei seiner Wahl mit sieben Stimmen die höchste Zustimmung.
Um den oben schon erwähnten wohltätigen Zweck zu erfüllen, übergab die Gesellschaft 1844 34 Taler sowie einen Silbergroschen und sieben Pfennige an die Armenverwaltung. Die Ausgaben für Mützen betrugen 28 Taler.
Weitere Belege, dass in Erkelenz ein organisierter Karneval stattgefunden hat, finden sich im Wochenblatt. In den Tagen und Wochen vor Karneval erschienen darin einige Annoncen, die die Figur „Hanswurst“, eine „Generalversammlung“ und den „Wieverfastelovend“ erwähnen.
„Ne Fastelovendszoch en de veziger Johre “
Über das Karnevalsbrauchtum in den 1840er Jahren berichtet eine Erzählung in Erkelenzer Mundart. Der Text wurde von einem J. Dohmen in dem Aufsatz „Etwas über Fastnachtsgebräuche“ rund 80 Jahre später, 1924, in „Unterhaltung und Belehrung. Beilage zum Erkelenzer Kreisblatt“, Nr. 16 veröffentlicht. Leider verrät der Text nicht, wer der Autor der Mundarterzählung ist.
„Auch das Städtchen Erkelenz wusste schon von altersher ‚Fastnacht‘, echt Fastelovend zu feiern. Wie schoen wor de Erkelenzer Fastelovend en de veziger Johre.
‚Erkelenz war doo en der Tiet e nett Städtsche, met e monter en pläserlich Völkske, voller Humor.
Do woar en der Tiet Samstags Oaves für Fasteloavend bei Henes (Heine) Franz op der Maad Tesamekonf van all Jäcke ut de Stadt, die de Päet, oder möt öne Scheeß (Wagen) de Zoch möttwolle maake, füer su völl Männ mos dann en Oströek (Oestrich) bei Schwanne Peter der Kaffee bestellt wäede, tösche bei wued der Peias (Der „Paias“ ist eine mit Stroh ausgestopfte und mit Lumpen bekleidete, lebensgroße Puppe. Ähnliche Figuren sind der „Nubbel“ (Köln), der „Hoppeditz“ (Düsseldorf) und der „Lazarus Strohmannus“ (Jülich). Anm. d. Verf.), ene Strüe-Mann, schön maskert, an en Sied Frau, an de anger Sied Mann, grad an de Eck vann de Wietschaft hueg getrocke.
Dä Mann kiek nom Maad, un die Frau kiek op der schwatte Adler un em Hotel Lennartz, hu woar der Präsedent von Prenz Karneval. Dä Peias bliev he stohn bis Denkgstag Ovend, dann wued hä verbrennt, des Sonndags wuar et Sonag, und wued dur nicks gestürt, und leet sich och keene von de Kerk affhalde.
Mondags morgens feng et Läve an. Erkelenz woär en der Tiet e riek Städtsche, meesch gruete Ackerwietschafte möt völl Paet on jeder Halfe oder Haspes hod och en Scheeß und de meschte hode freiwellig en Weckroth (Wickrath, Anm. d. Verf.) beim 8. Husaren Regiment gedent.
Fastelovends Mondag morges wuare sonn 40-50 Mann te Päet, verklett, die diene dann manovere op de Maad, duer de Promenad op der Kommandants Gacht (Der Kommandantsgarten, –platz oder -bleiche lag zwischen Markt und Südpromenade und hatte vom Markt einen Zugang zwischen den Häusern Kühle und Hunnecke. Es war ursprünglich ein Exerzierplatz für die preußische Kommandantur. Heute steht hier das Johanniterstift Anm. d. Verf.), dann op de Bleck an de schwate Thure (Vielleicht die frühere Bleiche, die sich an der Ecke Ostpromenade – Theodor Körne Straße befand. , Anm. d. Verf.), do wued üfer de brede Grav gesatt, dann ging et de schwatte Berg (Vermutlich handelt es sich um den „Jungbluths Berg“, eine Erderhöhung auf dem Gelände, wo heute das Finanzamt steht. (Rest der früheren Stadtmauer an der Südpromenade). Der Hügel hatte eine Höhe von 5-6 m, Anm. d. Verf.) erop, an die anger Sied erraff, don wier über ene Graf, dann woar et Maedag.
Des Nohmedags woar gruet Volksfest op der Maad. Sacklope, Bohmklemme, die Böhm waare möt Seep beschmiert. Dann woar am Pohl (Kleiner Brandweiher auf dem Markt, Anm. d. Verf.) en kleen Bühn opgeschlage, do kos jeder finf Grosche verdene, dä ene Grosches Wäck et esch op kott äete (Im Originaltext: gäete, Anm. d. Verf.). (Es woar kenn Klenigket). Dä woare e Stöck uff säs: Aedäpels Püp, Krees van Lövenig, Hopesch Kasper, usw. Dann woar son Aat Haspel (Die Haspel, oft Weife genannt, ist ein technisches Hilfsmittel zum Auf- und Abwickeln von langgestreckten Materialien wie Garnen, seilen, Drähten und Bändern. Haspeln bestehen aus einem in der Regel walzen-, spulen- oder kreuzförmigem Aufbau, der drehbar um eine Mittelachse mit Kurbel ist. Anm. d. Verf.) do, die so hueg stong, dat, wenn 4 Pfennigs Stüttches dran henge on möttr Kruut beschmiert woare, on rongt leep, datt die Jonge die Stüttsches dann mött der Monk schnappe mosse, dann kriete se dat ganze Gesech voll Naat (Siepnaat, Zuckerrübensirup, Anm. d. Verfassers) en Kruut (Apfelkraut, Anm. d. Verf.).
Der Dengsdag woar der Haupdag. Des Nomedags satt sech der gruete Zog en Bewegung duer de Stadt, un dann noh Oesterök noh Schwaane Petter, de Kavallerie en de Spetz.
Schlächter Minnekes (Engels) an de Spetz als Herold, Gerads Wölm-Hendrek, Matttevesse Kubes, Neies Seves, Paafes Helmes, Marx Kuebes, Hennes Jupp, Spiese Adolf, Pietesch hüt Müller, Flügels Hubert, Gerkeroth Robert, Kringse Männ, Brands Mannes, Ottes Mathes, Wettekrütz Peter Josep, wesse (?) Päts Kubes, Deckesch Petter.
Dann koame en twentig Kutsche möt Scheese , alle woare nett bekränzt mött schön Maskerde, besatt. Eeen Musikkapell füere, un en Wage en de Mede, bei Schwanne Petter wued Kaffee gedronke, dobei Concert on Witze reißen, dann trock dat Ganze wier noh de Stadt.
Dann nüng Uhr woar Fackelzug, dann wued dä Peias oder Strüe-Mann duer de Stadt gedrage, dann wuede die Stöcker Fackeln op der Maad op ene Hoop geworpe, dä Strüe-Mann drop, on dann wued dat Ganze oder de Fastelovend verbrennt.
Op dä ganze Fatelovend koam niks onäves für. Ene Polizei woar doh, ene Junggesell, Maßes Jakob, dä wonde em Roathus.
Der Börgermester war Hofstadt, Landrat Friederich Wilhelm Behrmann, Friedensrichter Peltzer, un de Jongens und de Mädcher ginge met de Rummeldöbbes (Rubbelsdöpche, Rummelpott, Rommelpott. Laut wikipedia: Brummtopf, Anm. d. Verf.) duer dat Städsche und sönge
‚Fastelovend, Stubelewub,
Jäff dämm Mann jet Äezezoup‘
Ueferall war et festeg, un et jov Anno dazumal Freud.“
Der beschriebene Zug war eine sogenannte Kappenfahrt. Die Narren versammelten sich und zogen als Reiter oder in Pferdekutschen durch die Straßen der Stadt und Umgebung. Eine große Organisation wurde hierzu nicht benötigt. Die Kutschen waren vermutlich karnevalistisch dekoriert, trugen aber keinen eigens gebauten Aufbau mit einem Karnevalthema. Es handelte sich also nicht um einen „Rosenmontagszug“.
Bis 1852 organisierte der „Uhtschüht“ den Karneval. Es bezeichnete sich in einer Anzeige zudem als „Komm mit Thee“, so auch 1854. 1855 trat dann aber eine weitere Gruppe mit dem Namen „Karnevals Disharmonie“ auf, der Name verrät, dass es zu einer Trennung vom Ausschuss gekommen war. 1860 lud der Verein „Disharmonie“ in sein neues Vereinslokal ein,2 Hinweise für eine weitere Existenz sind nicht bekannt.
1855 fanden neben den Veranstaltungen in den Sälen auch auf den Straßen eine Kappenfahrt und eine Parade statt. Die Aktivitäten dieser Gruppen fanden nur zur Karnevalszeit statt.3
Die lokale Karnevalstradition wurde in Erkelenz aber auch von anderen Vereinen ausgeübt, jedoch ohne dass diese Umzüge veranstalteten.
In den 1860er Jahren scheinen die Aktivitäten der Gesellschaft abgenommen oder geruht zu haben.
Zwischen 1870 und 1900
In der ersten Hälfte der 1870er Jahre erlebte in Erkelenz der Karneval wieder einen Aufschwung, es wurden wieder Umzüge, die sogenannten Kappenfahrten, veranstaltet. Eine Unterbrechung erfolgte nur 1871 durch den deutsch-französischen Krieg. Nach dem gewonnenen Krieg wurde das Deutsche Reich unter preußischer Vorherrschaft gegründet. Bedingt durch diesen neuen großen Wirtschaftsraum und finanziert durch die französischen Reparationen setzte zunächst ein wirtschaftlicher Aufschwung ein, genannt die Gründerzeit. Nach einem Börsenkrach begann 1873 eine etwa zwanzigjährige wirtschaftliche Stagnationsphase, die Gründerkrise.
Diesem Verlauf folgte auch mit Verzögerung der Erkelenzer Karnevalsverein. Er führte damals zwei Namen, den neuen Namen „Carnevals-Comite zu Erkelenz“ und den alten „Uhtschüht“.
Im Jahr 1870 hatte „ein großer carnevalistscher Zug durch die Stadt“ stattgefunden. Angeführt wurde er von „die decke Tromm möt de Schellebom“, die zwei Hauptattraktionen waren aber „der Hanswurst“ und „der Held des Tages“; hierbei handelte es sich um die Figur des Prinzen. Am Zug nahmen neun verschiedene Gruppen teil. Fast jede Gruppe machte eine Anspielung auf die närrische Zahl 11. Laut Anzeige wurden 111 Schiebekarren – dies ist aber sicherlich eine Übertreibung – aus Terheeg, Mennekrath und Tenholt mitgeführt, sowie 11 Heuwagen aus Oestrich, Wockerath und Oerath. Es fehlten auch nicht 11 verlogene Schneider mit Bügelbrett und Schere. Die verschiedenen Karnevalsaktivitäten dauerten von „Fastnacht-Sonntag“ bis Dienstag.
1872 erfolgte eine Wiederbelebung der Karnevalsgesellschaft um „die carnevalistische Lust in Erka’s Stadt“ zu fördern. Im alten Protokollbuch wurde ein neues Mitgliederverzeichnis angelegt. Es führt die Namen von 11 Ehrenmitgliedern auf, darunter auch Robert Gerkrath, der „Uhtschütt“ umfasste sechs und „die übrigen Mitglieder“ 36 Personen. In dieser Liste finden sich auch die Namen von zwei jüdischen Bürgern und Kaufmännern: Samuel Lövendahl, der wenige Jahre später Erkelenz verließ, und Samuel Strauß. In der Stadt hatten sich erst wenige Jahre zuvor, um 1855, wieder Juden niedergelassen. Die wenigen evangelischen Bürger beteiligten sich in jenen Jahren nicht am Karnevalsgeschehen.
1873 warb die Gesellschaft in einer Anzeige für „Weiberfastnacht“. Im gleichen Jahr wurde der „große Masken-Zug durch die Stadt“ angeführt vom „Hanswurst“. Mitten im Zug fuhr der „Prinz Karneval“ in einer vierräderigen Kutsche. Dreizehn Wagen, fünf Reitergruppen, drei „Musikchöre“ und zehn private Kutschen nahmen an dem Umzug teil, er bestand insgesamt aus 26 Gruppen.
1875 warben in einer Anzeige der „Carnevalsverein in Erkelenz“ und „Uhtschütt“ für verschiedene „Carnevals-Festlichkeiten“. Sonntags erfolgte ein Kappenzug durch die Stadt mit zwei Musikchören, abends fand eine Veranstaltung statt, die aus „komischen Operetten und Liedern, humoristischen Vorträgen in Prosa und Gedicht“, sowie einer Darstellung „lebender Bilder“ bestand. „Rosenmontag“ zog ein „großer brillanter Maskenzug durch die Stadt“, der 20 verschiedene Gruppen aufwies. „Der Hanswurst zu Pferde “ ritt als „Hüter des Zuges“ mit. Im Mittelpunkt fuhr der „Prinz Carneval“ auf einem vierspännigen Galawagen. Ein Motivwagen zeigte die „Erka, Burgjungfrau und Gründerin der Stadt Erkelenz“.
Die Sitzungen fanden in den 1870er Jahren im „weißen Saal“, einer „gekälkten Stube“ des Wirtes und Bierbrauers „Ottes Mattes“, statt. Alle Narren trugen eine Karnevalsmütze. Der Saal konnte nicht alle Besucher aufnehmen, so dass auch die benachbarte Küche „voll wie eine Heringstonne“ war. „Das karnevalistische Inventar bestand aus der sog. ‚Bütt‘, eine bunt gestrichene Tonne, aus der die Vorträge gehalten wurden, sowie aus dem ‚Rubbelsdöpche‘ einem Halbankerfässchen, oben offen und mit einer Schweinsblase überspannt, in deren Mitte ein Bambusstöckchen aufrecht befestigt war, das mit angefeuchteten Fingern auf- und abgestrichen, einen brummenden Ton ergab.“ Das Instrument begleitete die Karnevalslieder. „Die Büttenreden behandelten vor allem „Ereignisse lokaler Natur“. „Doch ist man dabei stets in den Grenzen der Wohlanständigkeit geblieben“4
In den folgenden Jahren ließen die Aktivitäten wieder nach. Große Umzüge haben nur noch vereinzelt stattgefunden. Um 1880 wurde eine namentliche Mitgliederliste der Gesellschaft erstellt, die 64 Personen umfasst. Der damalige „Uhtschütt“ wies fünf Mitglieder auf. 1881 berichtet die Zeitung: „(…) nach langem 5jährigem Schlaf ist heute plötzlich der alte ‚Carnevalsverein’“ wiedererwacht. Er organisierte einen Rosenmontags-Festumzug mit Prinz und 20 Gruppen. In den folgenden Jahren fanden nur noch Sitzungen statt, die nun in der Gastwirtschaft Gerards am Markt (später Gastwirtschaft Will) stattfanden.
Der „Fastelovend“ fand am Aschermittwoch sein Ende. Nur einige „Sumpfhühner … veranstalteten dann am Nachmittag noch ein sogenanntes ‚Häringsschörgen‘, indem sie einen einzigen Hering auf einem Schiebkarren spazieren führten, der schließlich an einer irgendwo quer gespannten Schnur aufgehängt wurde. Die Teilnehmer an dem ‚schönen Spiel‘ mussten dann, einzeln auf dem Karren stehend, bei der Durchfahrt mit dem Munde nach dem Fisch haschen. Der Rest war ein Saufgelage.“5
Dies ist eine der wenigen Belege, dass noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das jahrhundertalte Brauchtum ‚Häringsschörgen‘ in Erkelenz ausgeübt worden ist.
1897 bis 1914
Der Karneval erhielt dann erst wieder um die Jahrhundertwende neuen Auftrieb. 1897 hatte der Bohrpionier und Unternehmer Anton Raky seine „Internationale Bohrgesellschaft“ vom Elsass nach Erkelenz verlegt, wodurch die Stadt einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung erhielt.
Im Jahr 1900 organisierten zunächst die „Fidelen Brüder“ am Rosenmontag wieder einen „Carnevalszug“. Thema war der damalige Burenkieg der Engländer in Südafrika.
1904 soll es durch die Initiative von Anton Raky auch zu einer allgemeinen Wiederbelebung und zu einer „Neugründung“ der Erkelenzer Karnevalsgesellschaft gekommen sein. Der Generaldirektor betätigte sich gerne als Mäzen für die verschiedenen Vereine der Stadt.
Ab jenem Jahr wurden bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges wieder Karnevalszüge organisiert. 1905 hatte ein Wagen die Bohrindustrie zum Thema.
Die Umzüge wurden ab 1905 jeweils unter ein Themenmotto gestellt, das die Gruppen und Wagen aufnahmen und umsetzten. 1905 erhielten die interessierten Zugteilnehmer während einer Vorbesprechung entsprechende Skizzen. Zur Vorbereitung des Zuges lud 1907 „das Komitee des Rosenmontagszuges“ ein.
1907, 1910 und 1911 erscheinen die Funken und Prinzengarde im Zug übrigens als „rote Funken“.
Jahr | Thema | Teilnehmer |
---|---|---|
1904 | kein Thema | 17 Wagen, 120 Personen, 50 Pferde |
1905 | Erkelenz. Einst und Jetzt | unbekannt |
1906 | Deutsche Lieder, wie man‘s hört und sieht | 22 Gruppen |
1907 | Besuch des Prinzen Karneval auf der Erkelenzer Kirmes im Jahre 1911 | 28 Gruppen (Raky Zug – eine Gruppe) |
1908 | ausgefallen | |
1909 | Besuch des Prinzen Karneval auf der Erkelenzer Kirmes | 300 Teilnehmer, 30 Gruppen, 100 Pferde |
1910 | Die vier Jahreszeiten | 5 Musikkorps, 300 Teilnehmer, 100 Pferde, 26 Gruppen |
1911 | Erclinia im Reiche der Blumen | 4 Musikkorps, 300 Teilnehmer, 100 Pferde, 30 Gruppen |
1912 | vermutlich ausgefallen | |
1913 | Die zwölf Monate des Jahres | 6 Musikkorps, 500 Personen, 300 Pferde, 68 Gruppen |
1907 fand dann in Erkelenz ein Fastnachtsumzug statt, der zur Legende werden sollte. Zahlreiche Besucher reisten selbst aus Mönchengladbach und Rheydt mit der Eisenbahn an, um diesen Karnevalsumzug zu erleben. Nach Auflösung des Zuges waren die Eisenbahnbeamten am Abend „an der Sperre der Situation nicht mehr gewachsen … und die Züge wurden im Sturm genommen.6 Angelockt durch zahlreiche Anzeigen im Erkelenzer Kreisblatt, hatte eine „wahre Völkerwanderung“ eingesetzt, denn Generaldirektor Raky hatte sieben Automobile zur Verfügung gestellt, die zu Fastnachtswagen umgebaut worden waren.7
Angeführt wurde diese private Gruppe von einer Ponykutsche, in der seine kleine Tochter als Blumenprinzessin in einem „Rosentempelwagen“ fuhr. In einem Auto, ebenfalls mit Blumen geschmückt, fuhr seine Ehefrau mit einer Damengesellschaft. Anton Raky nahm natürlich auch am Zug teil und steuerte in Verkleidung einen der Wagen. – Er war übrigens ein begeisterter Autofahrer, einige Anekdoten erzählen von seinem rasanten Fahrstil. – Sein persönlicher Motivwagen musste natürlich etwas Einmaliges sein. Also hatte er sich ein großes Kirmeskarussell geliehen und zog es mit seinem Auto durch die Stadt. Begleitet wurde er von „den leitenden Beamten (Angestellten) seiner Gesellschaft“.
Den Arbeitern und Angestellten seiner internationalen Bohrgesellschaft bot er Clown-Kostüme und hohe Spitzenhüte an, um so verkleidet am Zug teilnehmen zu können, es sollen angeblich um die 200 Clowns gewesen sein. Zudem erhielt jeder von ihnen einen Taler Zehrgeld, freien Bierverzehr während des Zuges und einen guten Schlag Erbsensuppe mit einem strammen Max als Einlage.8 Das Bier wurde während des Umzuges direkt vom „Münchener Bierpalast“, einem Hofbräuhaus-Motivwagen ausgeschenkt, der hinter dem Karussell fuhr. Weitere Raky-Wagen waren als chinesisches Teehaus und Kaffeehaus gestaltet.
Karnevalsprinz war in jenem Jahr Wilhelm Meissen. Er hatte in Erkelenz ein Baugeschäft und war als Unternehmer für Rakys zahlreiche Bauprojekte tätig. Sein Wagen mit zwei Meter hohen Schwänen wurde von vier Pferden gezogen. Neben seinem Wohnhaus an der Aachner Straße, am Amtsgericht, war während der Karnevalszeit die „Meihsenburg“ aufgebaut. Hier hatte er am Morgen zum „Prinzenfrühstück“ „die Honoratioren der Stadt“ eingeladen. Die Prinzenwache zog um 11 Uhr auf.
Ab 1904 ließ die Gesellschaft von einem der beiden lokalen Fotostudios ein offizielles Portrait der jeweiligen Prinzen erstellen. Die Fotos zeigen die Prinzen mit einem Sektglas in der Hand.
Ab 1904 gab der Verein auch eine mehrseitige „Große Karnevals-Zeitung“ „für 20 Pfennige und für et gebildete Volk“ mit Programm und humoristischen Beiträgen heraus. Überliefert sind die Exemplare von 1904, 1905 und 1907. Ein Heft „Lieder-Texte zum Wettbewerb gedichtet von Mitgliedern“ der „Erkelenzer Karnevals-Gesellschaft“ erschien 1907. Das durchgängige Vereinsmotto lautete in jenen Jahren „Allen wohl und niemand weh“. Auch wurden zeichnerische Entwürfe von den einzelnen Motivwagen veröffentlicht, diese stammten zum Teil von auswärtigen Künstlern.
Die Sitzungen des Elferrates fanden nun im „Schwarzen Adler“ oder im benachbarten Kaisersaal des Wirtes Franz Eggerath statt, „wobei ein mehr zeitgemäßer Pomp entfaltet wurde.“9
1914-1933
Während des Weltkrieges 1914-1918, der sich anschließenden Zeit der belgischen und französischen Besatzung und den Inflationsjahren, kam der Karneval in den Erkelenzer Landen fast zum Erliegen. Umzüge wie auch das Tragen von Masken wurden von der Besatzungsmacht verboten. Karneval fand fast nur noch in den Sälen statt, wo Bälle und Theateraufführungen veranstaltet wurden. Die Kinder jedoch „wagten sich in den verschiedensten Kostümen heraus und gaben dem Straßenbild eine heitere Note“, beobachtete im Jahre 1922 der Journalist des Kreisblattes.
Während des Ruhrkampfes 1923 sprach der Bürgermeister ein Polizeiverbot aus, das sämtliche öffentliche und geschlossene Tanzlustbarkeiten umfasste. Es bezog ausdrücklich auch die „Fastnachtstage“ ein. „Es ist selbstverständliche Ehrenpflicht aller Einwohner, in diesen so schweren und ernsten Tagen jeden Fastnachtsgedanken fallen zu lassen…. Gegröhle und Ausgelassenheit sind keineswegs am Platze. Und für die, welche trotz des Ernstes der Zeit Gefallen finden an ausgelassenem Treiben, an Trinkgelagen zu jeder Tages- und Nachtstunde, für die wird der vernünftig denkende Teil der Bevölkerung die nötigen Worte der Verachtung finden.“10
1924 und 1925 lockerten sich die Verbote der Besatzungsmacht allmählich und „zur Fastnachtszeit wagte man es schon eher, fröhlicher zu sein. Aber immer lauerte irgendwo ein Etwas, was einen ‚verpetzen‘ konnte“. Die Besatzungszeit endete in Erkelenz am 31. Januar 1926.
Josef Beeck, er betrieb am Johannismarkt ein Fahrradgeschäft, ergriff in jenem Jahr die Initiative, um den Karneval wiederzubeleben. Mit einer Zeitungsanzeige rief er zu einem Treffen von Interessierten auf. Hierzu erschienen nur drei Personen. Diese kleine Gruppe warb aber unverdrossen weitere Karnevalsfreunde an. Bei der ersten Sitzung traten dann schon 15 Büttenredner aus den eigenen Reihen auf.11
1927 fanden erstmals wieder Sitzungen statt, die im Schwarzen Adler oder im Kaisersaal veranstaltet wurden. Weitere Vereine hielten Maskenbälle ab; der Turnverein 1860, der Städtische Gesangverein, der Hockeyclub und der Dilettantenverein „Erka“.
Im gleichen Jahr erschien auch eine Karnevalszeitung, die „Erkelenzer Karnevalspresse Erka“, mit dem schon bekannten Motto „Allen wohl und niemand weh“.
Am 11. November 1928 hielt die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft eine „General-Versammlung“ ab, um den Elfer-Rat zu wählen und die „Festsetzung der Feste“ zu beschließen.12
1929 fand am Fastnachtsdienstag ein Umzug statt, ausgerichtet vom Turnverein 1860 „unter Führung des treuen Husaren und des 20 Mann starken „Saxophon-Orchesters ‚Kongo‘. “
Am 4. November 1929 beschloss eine Mitgliederversammlung die 1. Satzung des Vereins, unter VR 26 wurde sie beim Amtsgericht Erkelenz ins Vereinsregister eingetragen. Karl Maaßen wurde zum Vorsitzenden gewählt. 1930 stand der Karneval im Zeichen der Wirtschaftskrise.
Am 2. Februar 1930 veranstaltete „der Erkelenzer Karnevalsverein“ wieder eine Gala-Damensitzung. Präsident des Elferrates war Karl Maaßen.
Während der Fastnachtssession 1931 war „es still, sogar sehr still.“ Denn die wirtschaftliche Lage verursachte „eine miese Stimmung“. Bälle und Sitzungen fanden nur wenige statt, „die Erkelenzer Karnevalsgesellschaft veranstaltete ihre ‚einzigste‘ Gala Damen-Sitzung.“
1932 gab die Gesellschaft einen „großen, lustigen Abend mit Elferratssitzung“. Weiberfastnacht waren die Straßen und Lokale dann stark belebt.
1933 und 1945
Ab 1933 nahm dann das nationalsozialistische Regime auch Einfluss auf den Karneval. Die Meinungs- und Redefreiheit wurde eingeschränkt. Die Büttenredner konnten von nun an Kritik an der Politik nur noch versteckt aussprechen.
Die Karnevalssitzungen der EKG erhielten Konkurrenz durch verschiedene NS-Organisationen. So veranstaltete 1935 auch die Fliegerortsgruppe eine karnevalistische Veranstaltung, hierfür erhielt sie die Stadthalle. Am selben Tag präsentierte die EKG in einem kleineren Saal die Damensitzung, „die sich der besonderen Betreuung der KDF erfreut“. Diese NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KdF) bot Januar 1936 eine Fahrt nach Köln „zum frohen Samstagnachmittag des Reichsenders Köln“ an. Auch veranstaltete sie im gleichen Monat im Kaisersaal einen heiteren Abend. Einen Tag vorher hatte dort die Gesellschaft einen rheinischen Abend angeboten. Altweiber 1936 waren in Erkelenz „verstopfte Straßen“ und „überfüllte Säle“.
1937 organisierte die KdF Busse, die das Publikum aus den Dörfern zu ihrer Veranstaltung „Rheinischer Karneval“, die in der Stadthalle stattfand, abholte. Die EKG veranstaltete eine Damensitzung mit dem Sitzungspräsidenten Wilhelm Meißen. Diese Veranstaltung musste vom Verein als „große Fremdensitzung“ für das Winterhilfswerk wiederholt werden.
1937 fand in Erkelenz erstmals wieder ein Rosenmontagszug statt, der einzige zwischen den Jahren 1914 und 1953. Schon im November 1936 wurde als Geleitwart des Zuges der NS-Kreisorganisationsleiter Josef Görtz ernannt. Die Gesellschaft durfte nicht mehr selbstständig ihren Karnevalszug gestalten.
Die Entwürfe für die Wagen stammten von dem Bildhauer Bußmann13 aus Düsseldorf. 41 Gruppen nahmen teil. An der Spitze der „Herold zu Pferde“ und die Blauen Funken mit ihrem Schellenbaum, am Ende der Elferrat, der große Senat der KG und die berittenen Roten Funken. Die Funken hatten sich im Januar erst gebildet. Prinz war Hermann Jansen, ein Stadtoberinspektor der Stadtverwaltung, der nach dem Zweiten Weltkrieg von 1952 bis 1969 zum Bürgermeister der Stadt gewählt wurde. Zwei der Wagen kann man dem NS- Regime zuordnen. Eine Fußgruppe stellte „den letzten Handel der Juden“ dar. Die letzte Zugeinheit bildete das „Sammelwerk des Winterhilfswerks“.
In den 1930er Jahren wurde die Funkenmusterung auf dem Markt am Alten Rathaus zum Symbol des Erkelenzer Straßenkarnevals. Als Oberstabsarzt „Dr. Fopp“ verkleidet, untersuchte der Fahrradhändler Hermann Beeck intensiv die zukünftigen Funken. „Hier wurden die Kandidaten, die zu den Funken wollten, ziemlich roh … auf ihre Tauglichkeit getestet.“14 Fahrradschläuche aus der Werkstatt von Beeck kamen dabei in einer nachgestellten Op als Därme zum Einsatz.
Hermann Beeck, Gerhard Reiners und Wilhelm Meißen trafen sich Ende 1937, um die nächste Session vorzubereiten. Um die Begeisterung der Erkelenzer anzufachen, schlug Hermann Beeck vor, die Leute direkt anzusprechen, und zwar mit der Aufforderung „Maak mött“ (hochdeutsch: „Mach mit“). So entstand der Erkelenzer Karnevalsruf, der noch heute zu hören ist.15
Nach Kriegsende
Während des Zweiten Weltkrieges und in den ersten Nachkriegsjahren ruhte das karnevalistische Treiben.
Erst 1947 erwachte es wieder. Kinder zogen mit Kostümen aus „Mutters Klamottenkiste“ durch die Straßen. Die Erwachsenen feierten hingegen in den Lokalen. Die Menschen wollten „sich nicht unterkriegen lassen. Von Kälte, Kohlennot und Kalorienmangel“. Denn „Spass muss sein, auch wenn man aus dem letzten Loch pfeift“, kam es doch z. B. an der Eisenbahn zu Plünderungen der Kohlezüge. Der Karneval begann „am Donnerstag … mit den alten Weibern“. Maskenbälle veranstalteten der Hockeyclub, der Turnverein und der städtische Gesangverein. „War die Zeit auch noch nicht reif für große Sitzungen der Karnevalsgesellschaften“ im Erkelenzer Land “, so war doch der Anfang gemacht.“
1949 wurde erstmals wieder eine Sitzung abgehalten – vom Kolpingverein, ein Beleg, wie eng der Karneval mit dem Katholizismus verbunden ist. Hilfestellung erhielt er von dem bekannten Karnevalisten Wilhelm Meißen, der seinen Freund Dr. Karl Fell, den Leiter der Molkerei, für das Amt als Präsident des Elferrates gewann. In diesem Elferrat saß dann auch Wilhelm Meißen.
Hierdurch angeregt wurde in der darauffolgenden Karnevalssession auf einem Treffen am 17. Dezember 1949 die Wiederbegründung der Karnevalsgesellschaft beschlossen. Es erfolgte ein Aufruf an „de jonge Jecke“ das „Narrenzepter der Alten zu übernehmen“. Am 6. Januar 1950, dem Dreikönigstag wurde dann der Erkelenzer Karnevalsverein wieder offiziell gegründet. Der Vorstand wurde von dem Metzgermeister de Bache geleitet, zum Zeremonienmeister wurde Karl Bremer gewählt, Präsident des Elferrates wurde Dr. Fell.16
Am 5. Februar erfolgte eine Prinzenproklamation, als Prinzessin Micky I. wurde das Funkenmariechen Marlies Gatzen gewählt. Da in jenem Jahr kein Rosenmontag stattfand, wird diese Prinzessin später nicht in der Folge der offiziellen Prinzen aufgeführt.
Zwei Galasitzungen wurden durchgeführt, die eine in der Stadthalle, die andere zu Gunsten des geplanten Kolpinghauses im Lambertussaal. Die Altweiberfastnacht wollte die Gesellschaft „sauber und rein“ abhalten, „Flegel und Rüpel“ wurden gewarnt. „Kein Bengel“ sollte in „Altweibersachen“ auftauchen.
Am 5. Februar erfolgte auf dem Markt, wo eine dichtgedrängte Menschenmenge sich versammelt hatte, wieder eine Funkenmusterung durch den schon erwähnten Dr. Fopp. In seiner alten Rolle als Chirurg mit Operationsmesser untersuchte Hermann Beeck die Anwärter der Funkengarde. Dem einem holte er einen 111 m langen Bandwurm aus dem Bauch, dem anderen pumpte er den Magen aus. Am Abend fand die erste öffentliche Sitzung des Karnevalsvereins statt, ein Funkenball, an dem die Funken mit neuen Gala Uniformen und Holzgewehren teilnahmen. Die Uniform bestand aus weißer Hose und weißem Hemd, Blauer Weste und Krawatte. Am Rosenmontag fand eine „heitere Kappenfahrt“ statt. „Den blau-weißen Funken mit ihrem Marketenderwagen werden die verschiedenen Vereine mit Wagen usw. folgen“.
In den folgenden Jahren etablierte sich die Karnevalsgesellschaft. Ihre Aktivitäten beinhalteten Sitzungen, Funkenparaden und die Funkenmusterungen durch Dr. Fopp.
Am 27. Januar 1952 richtete die „Erkelenzer Karnevalsgesellschaft ‚Maak Mött’“ als „Vorgeschmack“ auf die kommenden Karnevalstage ein internationales Schubkarren-Rennen vom Hauptbahnhof bis zum Markt aus.
1953 stand der Karneval unter dem Motto „111 Jahre jeck“. Da die Stadthalle noch nicht wiederaufgebaut war, fehlte in Erkelenz ein großer Saal, so dass der Verein seine Sitzung wiederholen musste, um die Kartennachfrage zu befriedigen. Aus Platzmangel konnten keine befreundeten Vereine zu der Jubiläumssitzung eingeladen werden. „Als Ersatz für den Rosenmontagszug“ wurde ein Kinderumzug veranstaltet. Für die Kostüme „sei kein großer Kostenaufwand erforderlich“. Der Zug sei „auch in der Haftpflicht versichert“.
Am Abend fand ein Funkenball statt, an dem ein neues Funkenmariechen vorgestellt wurde. Rosenmontagmorgen wurde die traditionelle Funkenmusterung veranstaltet. Der Nordwestdeutsche Rundfunk, der spätere WDR, machte für sein Radioprogramm einen Mitschnitt, kommentiert wurde das Karnevalstreiben von dem Reporter Dr. Bernhard Ernst, der von einem Fenster im Alten Rathaus zusah.17
Ein Rosenmontagszug fand dann erstmals wieder im Jahre 1956 statt. Es nahmen rund 30 Wagen teil, die von verschiedenen Vereinen aus Erkelenz und Oestrich, der Stadtverwaltung – Stadtdirektor Jost fuhr auf diesem Wagen mit – sowie den Dörfern Tenholt und Bellinghoven gestellt wurden. Angeführt wurde der Zug von dem Herold, aus dieser Figur entwickelte sich später der Hoppeditz.18
- Ob es sich hierbei um ein primär karnevalistisches oder um ein zufälliges Ereignis handelt, wird in dem folgenden Aufsatz diskutiert. Leo Gillessen, Fastnacht in historischen Quellen, a. a. O., S. 18f. Weiteres findet sich auch bei Hiram Kümper (Hg.): Mathias Baux. Chronik der Stadt Erkelenz und des Landes von Geldern, B. 2, S. 136 ff. Der lateinische Text findet sich bei Baux auf S. 285
- Kreisblatt 27. Januar 1940: „Die Heimat im Laufe der Zeiten. Alte Bände des Erkelenzer Kreisblattes berichten“
- Wachtendonk: Erkelenz und seine Leute vor 60 Jahren, Heimatblätter 1922, Nr 10
- Erkelenzer Volkszeitung, Februar 1955, in einem Beitrag zu Karneval in Alt-Erkelenz
- Erkelenzer Kreisblatt von 19.02.1896
- Erkelenzer Kreisblatt 16. Februar 1907
- Erkelenzer Kreisblatt 9. Februar 1907
- Siehe Anzeige der Wurst u. Wurstfabrik Jean Lindt, Brückstraße 42 (Erkelenzer Kreisblatt 1. November 1906)
- Carl Wachtendonk: Erkelenz und seine Leute vor 60 Jahren, Folge IX, in: Erkelenzer Heimatblätter 1923, Nr. 6
- Erkelenzer Zeitung vom 27. Januer 1937: 80 Jahre Karneval
- Aachener Nachrichten 18. Februar 1995
- Erkelenzer Kreisblatt 10. November 1928
- vermutlich Otto Bussmann. Der Künstler wirkte auch 1926 bei der Gestaltung des Festzuges zur 600 Jahrfeier mit. (Stadtarchiv Erkelenz, Bestand Anton Raky 21.14 / 17)
- Rheinische Post 17. Januar 1995. Josef Niessen: „Erinnerungen an Maak Mött und Oberstabsarzt Dr. Fopp“ 1979/80 kaufte Notar Günter Wachsmuth ein kleines Haus gegenüber der Burg und stiftete es der Prinzengarde als Wachlokal. Hierbei handelte es sich um das Geburtshaus von Hermann Beeck – was der Käufer zu jenem Zeitpunkt aber noch nicht wusste. 1995, zum 100. Geburtstag von Hermann Beeck, wurde an dem Haus eine Gedenkplakette zu Ehren von Dr. Fopp angebracht.
- Sessionsheft 1965, Wie der Erkelenzer Karnevalsruf „Maak mött“ zustande kam. Der Autor betont, dass dieser neue Karnevalsruf populärer als die „Heil Hitler“ Rufe gewesen sei. Mythos oder historische Wahrheit? In der Nachkriegszeit kam auch die Behauptung auf, dass der „Maak-Mött“ Ruf bewusst als Gegenruf zu dem Heil-Ruf entstanden sei. Dies ist vermutlich aber nur ein Mythos!
- siehe Erkelenzer Karneval mit alter Tradition, in: Erkelenzer Volkszeitung 4. Januar 1950
- Dr. Bernhard Ernst (*1899, +1957) war ein bekannter Sportjournalist. Die Reportage wurde am Sonntag, den 25. Januar, um 19.30 Uhr bis 20.15 Uhr in der Sendung Karneval ausgestrahlt.
- Der Originaltext von Hubert Rütten wurde aus redaktionellen Gründen leicht gekürzt.
- Fastnacht in historischen Quellen. Museumsschriften des Kreises Heinsberg Nr. 10. Darin: Wilhelm Bodens, Alois Döring, Leo Gillessen: Von Fastelabend bis Karneval, Heinsberg, 1989 ,
- Mathias Baux: Chronik der Stadt Erkelenz und des Landes von Geldern. Faksimile - Transkription - Übersetzung, Band 1. Neustadt an der Aisch, ISBN: 978-3-9815182-9-0, 2016 ,
- Mathias Baux: Chronik der Stadt Erkelenz und des Landes von Geldern. Erläuterungen - Kommentare, Band 2. Neustadt an der Aisch, ISBN: 978-3-9815182-9-0, 2016 ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 3, 1982: Josef Lennartz und Theo Görtz: Erkelenzer Straßen. Materialien zu Namen und Geschichte ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 30. 2015. Otto-Berndt Aretz: 180 Jahre Erkelenzer Karnevalsgesellschaft 1832-2012. Seite 212 - 251 ,
- Heimatblätter Monatsschrift für Heimatkunde. ,
- Stadtarchiv. ,
- 170 Jahre Erkelenzer Karnevalsgemeinschaft 1832 - 2002. Erkelenz, 2002 ,
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