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Erkelenz als Zentrum neugotischer Bildhauerwerkstätten

Die Anfänge der neugotischen Bildhauerwerkstätten in Erkelenz

In der Storie „ Historismus – Zeit vieler Kirchenbauten im Erkelenzer Land ist ausführlich beschrieben, warum es in Erkelenz zum Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts so viele Neubauten oder Umbauten von Kirchen gab.

Alle neu- oder umgebauten Kirchen verlangten dann aber auch moderne, der Zeit entsprechende Ausstattungen, diese wurden überwiegend im neugotischen Stil geschaffen. Die Kirchen brauchten u. a. neue Altäre, Kanzeln, Beichtstühle, Kommunionbänke, aber auch plastischen Schmuck wie Madonnen- und Heiligenstatuen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich in der Zeit der verstärkten Nachfrage vermehrt neue Werkstätten gründeten, die sich auf die Anfertigung von Kirchenausstattungen spezialisierten.

In Erkelenz entwickelte sich mit den Werkstätten von Heinrich Laumen und Peter Winkelnkemper (1898 bis 1927) sowie von Peter Tillmanns (1895 bis 1934) ein regionales Produktionszentrum dieser Art. Das hatte mit den persönlichen Verbindungen zu anderen Bildhauerzentren in der Region zu tun, etwa nach Waldfeucht, von wo viele Gesellen in die Erkelenzer Werkstätten wechselten oder nach Wiedenbrück, woher Peter Winkelnkemper nach Erkelenz kam.

Für Erkelenz als Standort sprach auch die Mitte des 19. Jahrhunderts gebaute Eisenbahn, mit welcher die geschaffenen Werke leichter zum Bestimmungsort transportiert werden konnten. Schnell erweiterte sich das Absatzgebiet über die Region hinaus, später wurde bis Berlin und Schlesien geliefert.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | Jan Siegemund nach Friedel Krings | Werke im engeren Umkreis
Werke in der Region
© Heimatverein der Erkelenzer Lande | Jan Siegemund nach Friedel Krings | Werke in weiteren Umkreis
Werke in Deutschland

Blütezeit der Erkelenzer Bildhauerwerkstätten

Gerade im Rheinland und am Niederrhein – hier waren besonders viele Neu- und Umbauten von Kirchen – entstanden regionale Bildhauerzentren, so bildeten sich Oberzentren z. B. in Köln, Düsseldorf oder Roermond. Mittelzentren entstanden u.a. in Erkelenz, Waldfeucht, Kempen oder Goch. Von dort kam im späten 19. Jahrhundert aus der Werkstatt Langenberg der Hochaltar für die Pfarrkirche Sankt Lambertus in Erkelenz, wo er heute noch zu bewundern ist.

Die Erkelenzer Bildhauerwerkstätten arbeiteten von Anfang an zusammen und ergänzten sich. Das Spezialgebiet von Peter Tillmanns war das Herstellen von Figuren während Peter Winkelnkemper eher für seine Ornamente bekannt war. So ist bekannt, dass Tillmanns für die Altäre die Figuren lieferte, während Winkelnkemper sich auf die neugotische Ornamentik konzentrierte.

Neben den Meistern, welche die Gesamtverantwortung für das jeweilige Projekt hatten, waren an der Fertigung noch  weitere Spezialisten mit unterschiedlichen Aufgaben beteiligt, Figuristen, Ornamentiker, Polychromeure oder Kunsttischler teilten sich die einzelnen Arbeiten.

Auftrags- und Beschäftigungslage, Absatzgebiete und Mitarbeiterzahl – zwischen 1895 und 1922 sind 40 Bildhauer in Erkelenz nachgewiesen – zeugten von der Blüte der Erkelenzer Werkstätten. Wertvolle Unterstützung bei den Aufträgen war die persönliche Förderung durch Kirchenvertreter oder der Kontakt zu Ordensgemeinschaften.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | Bildhauewerkstatt Peter Tillmanns
Bildhauerwerkstatt Peter Tillmanns

Niedergang und Ende der Erkelenzer Bildhauerwerkstätten

Der Erste Weltkrieg war ein entscheidender Einschnitt, viele der Gesellen wurden zum Militärdienst einberufen und die Aufträge bleiben aus. So ist bekannt, dass bei Peter Tillmanns Holzschuhe und bei Laumen/Winkelnkemper Munitionskisten gefertigt wurden.

Nach Kriegsende erholte sich die neugotische Bildschnitzerei nur zögernd und auch nur vorübergehend. Neben den allgemeinen Kriegsfolgen war für Erkelenz die bis 1926 andauernde Besatzung ein weiteres schweres Hemmnis.

Viel entscheidender aber war der Wandel des Kunstgeschmacks. Die bis zum Ersten Weltkrieg so beliebte Neugotik in Architektur und Inneneinrichtung galt jetzt als unmodern und überholt und wurde als bloße Nachahmung alter, wirklicher Kunst verschmäht. Der Historismus wurde durch den Expressionismus verdrängt. Diese Werke entstanden aber nicht mehr in Werkstätten, sondern in den Ateliers der Künstler.

So endete um 1930 die erfolgreiche Bildhauertradition in Erkelenz. Die verbliebenen Mitarbeiter verließen Erkelenz oder wandten sich anderen Tätigkeiten zu, z.B. der Herstellung von Grabmälern oder arbeiteten in der Bau- und Möbelschreinerei.1

  1. Text von Günther Merkens 2021 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1985. Friedel Krings: Das neugotische Bildhauerzentrum Erkelenz, Seite 79 ff.
  2. Christina Clever-Kümper - Christoph Stolzenberger, MADE IN ERKELENZ - HOLZ STEIN-METALL Von Heinrich Jansen bis Ursula Klügel, Ausstellungsdokumentation. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. , Erkelenz, ISBN: 978-3-9818207-0-6, 2018

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