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Besatzungstruppen in Erkelenz nach dem Ersten Weltkrieg

Kategorien: Zeitgeschehen
Nov. 1918 bis Feb. 1926

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges am 11. November 1918 durch die Unterzeichung des Waffenstillstandes im Wald von Compiègne wurden fast zeitgleich die linksrheinischen Gebiete sowie einige rechtsrheinische Brückenköpfe von den Siegermächten besetzt. So war es auch im Erkelenzer Land.

Das Kriegsende

© gemeinfrei | Besetzung des Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg

Auf der Grundlage der Bestimmungen des Waffenstillstandes vom 11. November 1918 besetzten zum 1. Dezember 1918 belgische, britische, amerikanische und französische Truppen das gesamte linksrheinische Gebiet und vier rechtsrheinische Brückenköpfe sowie die Städte Köln, Koblenz, Mainz und Kehl. Nordwestlich von Düsseldorf quartierten sich belgische Truppen ein, zwischen Düsseldorf und Bonn britische, zwischen Bonn und Koblenz amerikanische, südlich von Koblenz französische. Rechts des Rheins wurde ein zunächst 10 km, ab Januar 1920 50 km breiter entmilitarisierter Streifen geschaffen.

Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am 11. November 1918 wurden belgische Einheiten, aus Frankreich kommend, über Belgien nach Deutschland verlegt. Am 1. Dezember 1918 konnten belgische Truppen die Besetzung ihres Sektors vollziehen.

Die alliierte Besatzung in Erkelenz

In Erkelenz traf am Abend des 02. Dezembers 1918 eine belgische Landwehrkompanie ein. Die Truppen nahmen sofort eine Anzahl Notabeln (Angehörige der sozialen Oberschicht) als Geiseln, die für alle Ausschreitungen der Bevölkerung gegenüber den Besatzungstruppen haftbar gemacht werden sollten. Erhebliche Ausschreitungen der Bevölkerung kamen nicht vor, wohl aber vereinzelt durch die Besatzungstruppen.1

Die belgischen Truppen wurden zunächst im Progymnasium und später in der Kinderbewahranstalt – heute Kindergarten an der Westpromenade – untergebracht. Diese ersten Truppen hatten den Auftrag, den Bahnhof Erkelenz als Ausladestation für die weiteren Truppen, die das Rheinland besetzen sollten, vorzubereiten. In den folgenden Tagen kamen dann weitere Truppen nach Erkelenz. Für die Unterbringung der Mannschaften wurden u. a. die Gasthausschule – heute Leonhardskapelle – sowie Säle und Fabriken, u.a. in der „Bohr“ belegt. Die Offiziere wurden bei Erkelenzer Bürgern einquartiert.

In den folgenden Tagen und Wochen wurden die Truppen in Erkelenz immer wieder ausgetauscht, dabei waren neben belgischen auch französische Truppen in der Stadt.

Im Januar 1919 kamen wiederum französische Truppen nach Erkelenz, die für einige Tage wieder den Grußzwang der Erkelenzer Bürger gegenüber französischen Offizieren einführten. Das Verhältnis muss sich aber schnell gebessert haben. Ende Januar wurde in den Volksschulen von französischen Offizieren Untericht in Französisch erteilt, umgekehrt wurden Kurse in deutscher Sprache für französische Offiziere und Mannschaften angeboten. Die Sprachangebote für die Erkelenzer und auch für die Franzosen wurden etwa ab Mitte April 1919 noch erweitert.

In den Sommermonaten des Jahres 1919 wurden die Truppen immer wieder ausgetauscht, auch weil es Verschiebungen von Truppen im gesamten Rheinland gab. Diese ständigen Wechsel trugen natürlich nicht zu einer Verbessung des Zustandes in Erkelenz bei, eine Verbesserung war aber sicherlich seitens der Besatzer auch nicht gewollt. Am 1. Dezember 1919 waren in Erkelenz belgische Besatzungstruppen in Stärke von etwa 2000 Mann stationiert.2

Im September 1919 wurde angeordnet, dass Zivilpersonen die französische Flagge, wenn sie entfaltet war, grüßen mussten. Wenn auf einem öffentlichen Platz die Nationalhymne einer der beteiligten alliierten Mächte gespielt wurde, mussten die Erkelenzer Bürger den Hut abnehmen und aufstehen.

© Archiv Heimatverein | Wilhelm Schmitter | Fahnenappell am Johannismarkt, etwa 1920
Fahnenappell am Johannismarkt, etwa 1920

Nach Ratifizierung des Friedensabkommens im Januar 1920 wurde die Verwaltung im Rheinland der interalliierten Rheinlandkommission unterstellt. Dies führte u. a. dazu, dass die Zuständigkeit der bisherigen Militärpolizei durch die Ortspolizeibehörden übernommen wurde, der Grußzwang der Bürger fiel weg. Die Besatzungstruppen verblieben natürlich weiterhin im Rheinland, Erkelenz gehörte nunmehr bis zum Jahre 1926 zur belgischen Besatzungszone.

Die Auswirkungen für die Erkelenzer Bevölkerung

Es ist bekannt, dass es in Erkelenz zu einigen Übergriffen der Besatzer gekommen ist, die strenge Zensur verhinderte jedoch eine Berichterstattung. In einem Verwaltungsbericht gibt es dazu keine Aussagen. Lediglich wird erwähnt, dass zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens Ausgangssperre herrschte und Militärpatrouillen nachts unterwegs waren.3 Aus dieser Zeit gibt es kaum Fotos, was darin begründet ist, dass das fotografieren für Privatpersonen bei Strafe verboten war.

Mitte Dezember 1918 ordneten die Besatzer an, dass jeder Einwohner einen Ausweis mit Lichtbild haben musste. Auch der Reiseverkehr war zunächst untersagt, aber ab Mitte Dezember wurden Reisescheine erteilt, die einen Reiseverkehr in den Kreisen Jülich, Geilenkirchen, Heinsberg und Erkelenz möglich machten.

Die Versorgungslage der Bevölkerung war sicherlich schlecht. Dies lässt sich auch daraus ableiten, dass strenge Verfügungen gegen Schwarzmarkt und Schiebertum getroffen wurden. So konnten z. B. Lebensmittel beschlagnahmt werden oder es wurden Kontrollen und Durchsuchungen des Gepäcks während der Eisenbahnfahrten vorgenommen.

Im April ist im Verwaltungsbericht erwähnt, dass die Zensur der Ortszeitung von den belgischen Kontrolleuren übernommen wurde. Dies gibt zu erkennen, dass in Erkelenz sowohl französische als auch belgische Besatzungstruppen stationiert waren.

Das Zusammenleben normalisierte sich langsam, aber kleine Repressalien gab es wohl immer wieder. So wurde die Erkelenzer Buchhandlung Scherer auf der Hindenburgstraße (heute Kölner Straße, Bereich der Fußgängerzone) für einige Zeit geschlossen, weil sie sich geweigert hatte, die Bilder der belgischen Königsfamilie ins Schaufenster zu stellen.

© StA Erk E1C/86 | Johannes Spitzlei | Ausgewiesene der Besatzung

Als im Jahre 1923 der „passive Widerstand“ begann, wurden auch Erkelenzer Bürger, z. B. Eisenbahner oder Beamte vom Zoll oder Polizei ausgewiesen und mussten Erkelenz mit der gesamten Familie verlassen. Die Häuser bzw. Wohnungen wurden beschlagnahmt. Die letzten kehrten erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1924 zurück.

Eine zusätzliche Belastung für die Bürger war auch die Inflation, die nach Kriegsende immer mehr zunahm und im Jahre 1923 mit der sog. Hyperinflation ihren Höhepunkt erreichte. So kostrete im Mai 1923 in Berlin ein Kilo Brot 474 Mark. Zwei Monate später ist der Preis auf 2200 Mark gestiegen, Anfang Oktober sind es 14 Millionen. Noch einmal vier Wochen später kostet der Brotlaib 5,6 Milliarden Mark. Währungstechnisch wurde die Inflation am 15. November 1923 mit Einführung der Rentenmark (wertgleich mit der späteren Reichsmark) beendet.

© StA Erk E1C/86 | Johannes Spitzlei | Entwicklung der Inflation

In der Chronik der Gemeinde Erkelenz notiert Bürgermeister Spitzlei im Jahre 1923 die Entwicklung der „Papiermark“.

Auch der Separatistenputsch im Jahre 1923 verlief in Erkelenz harmlos. Zwar wurde am 21. Oktober 1923 die „Rheinische Fahne“ am Rathaus und Landratsamt aufgezogen, aber einen Tag später wieder entfernt, damit war die separatistische Bewegung in Erkelenz schon beendet.4

Der 1. Februar 1926 brachte dann den Erkelenzern den Abzug der Besatzugstruppen, der überschwänglich von der Bevölkerung gefeiert wurde. Erkelenz war wieder frei! Zur Erinnerung daran wurde im Juni 1926 der Platz zwischen den Offizierswohnungen und dem Barackenlager „Freiheitsplatz“ genannt. In der gleichen Zeit entstand auch die Gerhard-Welter-Straße an den Kopfseiten der drei Exerzierplätze. 5

Die Unterbringung der Besatzungstruppen

© Stadtarchiv Erkelenz | Ausschnitt Einquartierungsliste Lövenich

Eine starke Belastung für die Erkelenzer war die ständige Einquartierung von Soldaten der Besatzungstruppen. Im Archiv der Stadt Erkelenz sind noch Listen über die Einquartierung in Lövenich vorhanden. Diese Listen enthalten die Namen der Quartiersgeber, die Zahl der aufgenommenen Soldaten – getrennt nach Offizieren und Mannschaften – sowie der untergestellten Pferde. Interessant ist, dass für die Unterbringung der Soldaten und Pferde eine tägliche Entschädigung gezahlt wurde, die z. B. für Offiziere 3 Mark , für Mannschaften 1,75 Mark und für Pferde 0,50 Mark je Unterbringungstag betrug.

Auch für den Ausgleich von Schäden, die durch die Einquartierungen entstanden waren, gibt es entsprechende Unterlagen.6

© Willi Huendgen, Clara Huendgen | Einquartierte Besatzer bei Erkelenzer Familie

Das Foto zeigt die Familie Arnold J. Gerards aus Erkelenz mit Familienangehörigen und drei, wohl einquartierten Besatzungs-soldaten (Franzosen?), etwa 1920

Die Belastungen der Erkelenzer Bürger durch die Einquartierung waren so schwerwiegend, dass schon Ende 1919 die Stadtverwaltung an die Bezirksregierung herantrat mit der Bitte, das belgische Oberkommando zu veranlassen, dass Erkelenz entweder von Truppen frei bleiben oder die Zahl der Truppen reduziert werden müsse. Falls beides nicht möglich sein sollte, müsse unverzüglich mit dem Bau von Baracken und Offizierswohnungen begonnen werden.

Die Besatzungstruppen in Erkelenz wurden weder abgezogen noch reduziert, so dass versucht wurde, entsprechende Unterkünfte zu bauen. Im Jahre 1921 entstand der dreiteilige Häuserblock für Offiziere am heutigen Freiheitsplatz, der Wohnblock steht heute noch.

© Günther Merkens | Ehemalige Offizierswohnungen am Freiheitsplatz
Ehemalige Offizierswohnungen am Freiheitsplatz

Gleichzeitig wurde auf der Glück-Auf-Straße ein ebenfalls dreiteiliger Wohnblock für Unteroffiziere gebaut. Vor einigen Jahren wurde dieser Wohnblock abgerissen und hat modernen Seniorenwohnungen Platz gemacht.

Für die Mannschaften wurde ein Barackenlager gebaut. Dies entstand westlich der Bahnlinie und hatte die Zufahrten am Tenholter Kirchweg, heute Graf-Reinald-Straße. Zwischen den Offizierswohnungen und dem 1. Lager (Infanterie) legte man ein kleines Gerätedepot an. Daran schlossen sich ein Infanterie-, ein Artillerie- und ein Train-Lager (Munitionskolonnen-Lager) an. Jedes Lager war mit Stacheldraht umzäunt und wurde im Herbst 1921 bezogen. Neben den Mannschaftsbaracken gab es u. a. noch solche für die Versorgung der Mannschaften, für Geräte, Munition und Pferde. In den einzelnen Lagern waren auch Exerzierplätze vorhanden, einer wurde übrigens nach 1926 zum Hockeyplatz umgebaut.7

Nach 1926 wurden die Baracken teilweise zu Wohnungen umgestaltet und auch kleinere Firmen siedelten sich hier an.

8
  1. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 98
  2. Gaspers/Sels, a a. O., Seite 99
  3. Josef Lennartz, a. a. O, Seite 140
  4. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 100/101
  5. Josef Lennartz und Theo Görtz, „Erkelenzer Straßen“, Seiten 68 und 73.
  6. Mitteilung Frau Dr. Habersack, Stadtarchiv Erkelenz
  7. Josef Lennartz, a. a. O., Seite 143
  8. Günther Merkens, 2022 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande
  1. Landkreis Erkelenz und Heimatverein der Erkelenzer Lande, Heimatkalender der Erkelenzer Lande. Erkelenz, Josef Lennartz "Die Baracken in Erkelenz", 1968, Seite 140 ff
  2. Gaspers/Sels, Geschichte der Stadt Erkelenz . Erkelenz, 1926, Bernhard Hahn "Das neue Erkelenz", Seiten 70 ff

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