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Johannes Spitzlei

⁎ 27.11.1866 † 24.10.1934
01.06.1916 31.03.1932 Bürgermeister
Stichworte: Bürgermeister
27.11.1866 bis 1934
© Stadtarchiv Erkelenz | unbekannt | Bürgermeister Johannes Spitzlei

Johannes Spitzlei war von 1916 bis 1932 Bürgermeister in Erkelenz. Heute ist er fast vergessen.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Bernhard Hahn wurde ihm kein Straßenname gewidmet. Nur noch sein Grabstein auf dem Friedhof „Brückstraße“ erinnert an den Verwaltungsbeamten, der das „Schiff“ Erkelenz erfolgreich aus der Kaiserzeit in die Weimarer Republik führte, in seiner Amtszeit wirtschaftlich und politisch stürmische Zeiten erlebte und dessen Wirken teilweise bis heute fortbesteht.

Sein Leben

Johannes Spitzlei wurde am 27.11.1866 in Köln geboren, er heiratete 1895 Mathilde Rahman aus Mülheim an der Ruhr und bekam mit ihr die zwei Töchter, Grete und Gerta.
Von 1908 bis 1915 war er Bürgermeister der ländlichen Gemeinde Niederkrüchten, die damals noch zum Kreis Erkelenz gehörte. Als in Erkelenz der 1. Beigeordnete und kriegsbedingt der Stellvertreter des Bürgermeisters Sanitätsrat Franz Hahn 1915 starb, wurde Johannes Spitzlei die Nachfolge angetragen. Zunächst war er vom 16.06.1915 bis zum 01.06.1916 besoldeter Beigeordneter, bis er am 26.04.1916 einstimmig vom Stadtrat zum Bürgermeister gewählt wurde. Landrat von Reumont führte ihn am 1. Juni in sein Amt ein. Er ist dann noch zweimal ebenso einstimmig wiedergewählt worden.

Nach 17-jähriger Amtszeit trat Johannes Spitzlei am 31.03.1932 in den Ruhestand. Der inzwischen Verwitwete zog nach Aachen.

© Stadtarchiv Erkelenz | _Kreisblatt_1932_ Spitzlei

Das Erkelenzer Kreisblatt ehrte Spitzlei bei seinem Abschied mit einem ganzseitigen Bericht auf der Titelseite.

© Totenzettelsammlung Rhein-Erft | Totenzettel Johannes Spitzlei

Johannes Spitzlei verstarb am 24. Oktober 1934 im Kamilianer Krankenhaus München-Gladbach.

In seinem Totenzettel steht u. a. „Der Verstorbene war ein stets pflichttreuer Beamter, der ohne Rücksicht auf Menschenlob oder Tadel dem Staat und der Gemeinde diente.“

Beerdigt wurde er auf dem Friedhof Brückstraße, die Grabplatte ist heute dort noch vorhanden.

Ehrenbürgerschaft

© Stadtarchiv Erkelenz | Ehrenbürger Johannes Spitzlei

In der Sitzung des Stadtrates am 22. März 1932 wurde Johannes Spitzlei einstimmig zum Ehrenbürger ernannt. In der Begründung heißt es u. a. „dass der scheidende Bürgermeister unermüdlich und mit größtem Erfolg im Interesse der Stadt gearbeitet hat und sich somit um dieselbe verdient gemacht hat“.

Es ist nicht bekannt, ob ein Ehrenbürgerbrief ausgehändigt wurde, wahrscheinlich aber nicht. 1

Sein Wirken

Unter Verantwortung von Bürgermeister Spitzlei wurde in seiner siebzehnjährigen Amtszeit so einiges in der Stadt Erkelenz geschaffen. Dazu einige Einzelheiten:

Allgemein

Ab 1918 wohnte er mit seiner Familie in einer Dienstwohnung im ersten Stock seines Bürgermeisteramtes am Johannismarkt. Seine Amtsjahre sollten keine leichten werden. Immer wieder sah er sich mit neuen Krisen konfrontiert; im Ersten Weltkrieg Mangel an Lebensmitteln, Kohlen und Petroleum und sogar Kleidung, Beschlagnahmungsaktionen von Metallen für die Kriegswirtschaft und bedürftige „Kriegerfamilien“, im November 1918 Revolution und der Durchmarsch der von der Westfront zurückkehrenden Truppen. Ab Dezember erfolgte die Besetzung der Stadt durch französische und belgische Armee-Einheiten – zeitweilig waren 2000 Soldaten in der Stadt, die Quartiere und Übungsplätze benötigten -. Nach dem passiven Widerstand 1923 gegen die Ruhrbesetzung der Alliierten wurden etliche Bürger und Beamte aus der Stadt ausgewiesen. Anfang des Jahres 1923 folgte die Hyperinflation sowie am Ende seiner Amtsjahre schließlich die Weltwirtschaftskrise und die Deflationspolitik von Reichskanzler Brüning.

Johannes Spitzlei, ein hervorragender Verwaltungsfachmann, bewältigte diese Krisen mit „Ruhe, Bescheidenheit und Überlegung“, wie es bei seiner Verabschiedung hieß.

In der Amtszeit von Bürgermeister Johannes Spitzlei stieg der städtische Grundbesitz von 70,05 ha auf 79,99 ha. „Die Finanzen der Stadt seien gesund geblieben bzw. das Vermögen habe sich bedeutend vermehrt“, so bilanzierte der städtische Sparkassendirektor Holzmann bei der Verabschiedung des Bürgermeisters im Jahre 1932.

© Stadtarchiv Erkelenz | unbekannt | Die Mitglieder des Geschichts-und Altertumsverein, etwa 1926

Johannes Spitzlei (5. von links, 1. Reihe) förderte von Beginn an den Geschichts- und Altertumsverein (heute Heimatverein der Erkelenzer Lande), schon unter dem Gründungsaufruf (1920) findet sich seine Unterschrift. Während sein Vereins- und Körrenziger Bürgermeisterkollege Leo Sels der Ideengeber der vielfältigen Aktivitäten für das Jubiläumsjahr 1926 war, unterstützte Johannes Spitzlei ihn tatkräftig und entscheidungsfreudig mit seiner Stadtverwaltung.

Höhere Mädchenschule

© Günther Merkens | Wilhelm Schmitter | Gebäude Laumen/Winkelnkemper, später Canisiusschule

1917 wurde an der Westpromenade das Wohnhaus der Bildhauer Winkelnkemper und Laumen erworben, um dorthin die Höhere Mädchenschule zu verlagern. Bisher war die Schule im ehemaligen Franziskanerkloster untergebracht gewesen. Im freiwerdenden Gebäude wurde dann ein städtisches Alumnat eingerichtet.

Dieses wurde dem Orden der Oblaten des Hl. Franz von Sales zur Verfügung gestellt, der es in ein Konvikt für seine Oberstufenschüler, die in Erkelenz das Gymnasium besuchten, umwandelte.

Das Gebäude wurde im 2. Weltkrieg völlig zerstört.

Bürgermeisteramt

1918 kaufte die Stadt das repräsentative Claessen‘sche Haus (links) am Johannismarkt, um hier das Rathaus unterzubringen. Die anliegenden Gebäude zur Gasthausstraße hin waren schon vorher erworben worden. Dort wurden Wohlfahrtsamt, Polizeistation und Bauhof eingerichtet.

Eine städtische Sparkasse wurde gebildet und hier untergebracht. Für diese wurde dann im Jahre 1925 ein eigenes Gebäude auf der heutigen Kölner Straße gebaut.

Die Gebäude am Johannismarkt wurden im 2. Weltkrieg völlig zerstört. Heute steht dort das Rathaus mit der Stadtverwaltung.

Progymnasium wird Gymnasium

© Günther Merkens | Wilhelm Schmitter | Gymnasium-Erkelenz-an-der-Suedpromenade

Im Jahre 1830 wurde in Erkelenz die „Höhere Bürgerschule“ gegründet. Diese Schule entwickelte sich stetig. Im Jahre 1907 wurde diese Höhere Bürgerschule in ein Progymnaium2 umgewandelt.

Schon im Jahre 1905 wurde der Grundstein für ein neues Schulgebäude an der Südpromenade gelegt, nachdem Anton Raky mit 50.000 Mark den Grundstock für die Bausumme gespendet hatte. Am 08. Oktober 1906 wurde das neue Gebäude bezogen.

Das Progymansium entwickelte sich weiterhin. Wer aber das Abitur ablegen wollte, musste dafür auf ein Gymnasium wechseln. Um dies zu vermeiden, beschloss der Stadtrat im Jahre 1919 die Umwandlung in ein „Vollgymnasium“. Im Jahre 1923 wurde die erste Abiturprüfung abgehalten.3

Bildung der Westdeutschen Licht- und Kraftwerke

© Archiv Heimatverein | Wilhelm Schmitter | WLK

Im Jahre 1898 wurde zwischen der Stadt und der Molkereigenossenschaft ein Elektrizitätslieferungsvertrag geschlossen. Im Jahre 1909 gründete dann die Stadt das Städtische Elektrizitätswerk und baute dazu in der Nähe des Wasserturmes ein entsprechendes Werk einschließlich eines Schlachthofes.

Die stets steigende Stromabnahme führte zu Kapazitätsproblemen beim Städtischen Elektrizitätswerk, so dass umfassende Erweiterungen nötig waren. Diese überstiegen jedoch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Stadt. Deshalb gründete im Jahre 1923 die Stadt Erkelenz zusammen mit den Niederrheinischen Licht- und Kraftwerken in Form einer Aktiengesellschaft die Westdeutschen Licht- und Kraftwerke, kurz WLK genannt. Jeder der beiden Teilhaber übernahm 50 % der Aktien. Vor einigen Jahren ist die WLK mit den Niederrheinischen Licht- und Kraftwerken verschmolzen worden.

Sportplatz, Turn-/Stadthalle und Badeanstalt

Im Jahre 1902 entstand der erste Sportplatz in Erkelenz an der Westpromenade. Vorher wurden Wiesen am Oestricher Mühlenweg und an der Neumühle von den Sportlern benutzt. 1922/23 war es, neben den Ballsportarten, vor allem der Radsport, der hier besonders aktiv hervortrat. Mit einer in Selbsthilfe erstellten Umwallung des Platzes entstand eine Rennbahn, auf der neben Rad- auch Motorradrennen ausgetragen wurden, die bis zu 10.000 Zuschauer anzogen. Sogar eine Tribünenanlage bestand während mehrerer Jahre.
1928/29 entstanden die Sporthalle als Mehrzweckbau (später nur noch Stadthalle genannt) und im Jahre 1930 die Badeanstalt nach Plänen des Stadtbaumeisters Scholtes. Hier wurden im Jahre 1935 dann noch Brause- und Wannenbäder für die Benutzung durch die Erkelenzer Bürger eingerichtet.

© Stadtarchiv Erkelenz | _Scholtes_Badeanstalt_Turnhalle-2

Neues Gebäude für die Volksschule

© Archiv Heimatverein | Hermann Schwingens | Volksschule

Dem Krankenhaus gegenüber entstand an der Hospitalstraße 1926 eine neue 12-klassige Volksschule nach Plänen des Stadtbaumeisters Scholtes. Sie wurde am 31. Juli 1927 eingeweiht und eröffnet.

Bis dahin war die Volksschule in verschiedenen Gebäuden der Stadt untergebracht, u. a. in der ehemaligen Gasthauskapelle oder in der 1862 gebauten Schule am Franziskanerplatz.

Renovierung des Alten Rathauses

Entsprechend der schlechten wirtschaftlichen Lage der Stadt verfiel auch das Alte Rathaus zusehends. Ab 1907 verließ die Stadtverwaltung das Gebäude, weil die Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Durch die Anbindung an das Eisenbahnnetz und die Ansiedlung von Industriebetrieben (etwa Anton Raky mit der Internationalen Bohrgesellschaft) stieg der Wohlstand in Erkelenz in einem ungeahnten Maße. Die Bürger der Stadt suchten nach einem repräsentativen Ausdruck dieser Situation und wollten das Alte Rathaus abreißen lassen und es nach den Plänen des Erzdiözesanbaumeisters Heinrich Renard mitten auf dem Markt und etwas erhöht in einstiger Form neu entstehen lassen. Das Projekt scheiterte an den Kosten und dem Ausbruch des 1. Weltkrieges.

Nach dem 1. Weltkrieg gab es sowohl Bürger, die sich für den Erhalt des Alten Rathauses einsetzten, als auch solche, die es abreißen lassen wollten. Auf der 600-Jahrfeier der Stadt Erkelenz im Jahre 1926 führte der Geschichts- und Altertumsverein eine Tombola zur Renovierung des Rathauses durch. Er wollte in dem Gebäude ein Heimatmuseum einrichten. Diese Idee wurde in Verbindung mit dem Rathausbauverein und dem Museumsverein in den Jahren 1930/31 verwirklicht. Zu diesem Zweck öffnete man auf der südlichen Schmalseite die Arkaden und versah das Walmdach mit Dachgauben, so dass es als Museumsräumlichkeit benutzt werden konnte. Das Gebäude erhielt wieder einen weißen Anstrich.

Abbruch des alten Schulhauses am Markt

Das Schul- und Spritzenhaus zwischen Kirche und Altem Rathaus wurde 1734 erbaut, war bis 1828 Schulhaus, danach Lehrerwohnung und Spritzenhaus. Im Jahre 1926 wurde es abgebrochen. Dadurch wurde der Blick auf die Kirche freier.

Neuer Friedhof an der Wassenberger Straße

© Archiv Heimatverein | Hermann Schwingens | Friedhof Erkelenz

Im Jahr 1920 wurde an der Wassenberger Straße (heute Zehnthofweg) ein neuer Friedhof angelegt. Dieser wird heute noch benutzt.

Weitere Aktivitäten

1920 wurde die Gaststätte „Kömpchen“ (Ecke Aachener Straße/Kirchstraße) gekauft und aus verkehrstechnischen Gründen abgerissen.

© Archiv Heimatverein | Wilhelm Schmitter | Kindergarten Westpromenade

1921 übernahm die Stadt den Kindergarten an der Westpromenade (linkes Gebäude) vom Aachener Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit, die ihn seit 1830 betrieben hatte.

1922 wurde das Lemmen’sche Haus, eine alte Gaststätte, die zwischen Kirche und Altem Rathaus lag und am Rathaus direkt anstieß, abgerissen.

1926 wurden die freiwerdenden Gebäude und Kasernengelände der abziehenden Besatzungstruppen übernommen.

1927 Beginn der Gasversorgung in der Stadt

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  1. Die Informationen wurden freundlicherweise vom Stadtarchiv Erkelenz mitgeteilt
  2. Ein Progymnasium ist in Deutschland ein allgemeinbildendes Gymnasium, das jedoch nicht voll ausgebaut ist, also nicht alle Klassenstufen eingerichtet hat; es endet meist nach der 10. Klasse
  3. Zur Geschichte des Gymnasiums siehe „Geschichte der Stadt Erkelenz“, Seite 120ff
  4. Text von Günther Merkens 2023 (Informationen dankenswerterweise teilweise von Hubert Rütten) für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Gaspers/Sels, Geschichte der Stadt Erkelenz . Erkelenz, 1926
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 33, Seite 55ff

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