Vorbemerkung
Der Name Adam Hurtz ist im hiesigen Raum eng mit Holzweiler und der ehemaligen Landmaschinenfabrik verbunden. Die Technisierung der Landwirtschaft und der Einsatz von Maschinen revolutionierten die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mühsame Bodenbearbeitung, Aussaat und Ernte. Aus der unmittelbaren Anschauung der anfallenden Arbeiten entwickelte Adam Hurtz die landwirtschaftlichen Maschinen.
Leben
Johann Adam Theodor Hurtz wird am 15. Mai 1854 als Sohn des Schmieds Johann Hurtz und seiner Ehefrau Anna Barbara geb. Cremer in Oberembt (Kreis Bergheim) geboren. Er bleibt mit seiner Berufswahl in der Familientradition und wird Schmied. Als Schmiedemeister kommt er im Dezember 1879 nach Holzweiler, übernimmt eine kleine Schmiede an der Kofferer Straße und führt sie als eigene Schmiede fort. Es ist nicht die Übernahme, die Fortführung oder gar der Ausbau eines elterlichen Betriebes, sondern es ist ein Neustart, der auf jeden Fall mit viel Einsatz, Ehrgeiz und Fleiß – und vielleicht einer Portion Fortune – verbunden sein muss, wenn der eigene Betrieb florieren soll.
Im darauf folgenden Jahr heiratet Adam Hurtz am 26. November 1880 Anna Catharina Franzen (geb. 7. März 1852), die wie er selbst aus Oberembt gebürtig ist. Die Eheleute sind beide katholisch. Sie haben vier Söhne: Johann, Anton, Wilhelm und Hubert.
Lebensbedingungen in Holzweiler
Was ist über die Lebensbedingungen in Holzweiler in den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bekannt, in die der berufliche und familiäre Start von Adam Hurtz fiel?
Während in Deutschland die Bevölkerung zwischen 1800 und 1900 von rund 25 auf 56 Millionen anstieg, sich also mehr als verdoppelte, war die Bevölkerungsentwicklung in Holzweiler rückläufig. Waren es 1849 noch 1480 Bewohner, zählte der Ort 1905 nur noch 1187 Einwohner. Die Einwohnerzahl der Stadt Erkelenz stieg im gleichen Zeitraum von 4074 auf 5407 Personen an. Die Sterblichkeit gerade auch die Kindersterblichkeit in Holzweiler war hoch; von den 40 Todesfällen im Jahr 1877 waren allein 18 Verstorbene Kinder unter vier Jahren. Ein möglicher Grund können die grundsätzlich sehr bescheidenen und auch unzureichenden Wohnverhältnisse auf dem Land gewesen sein. Eine statistische Darstellung der Kreisverwaltung aus dem Jahr 1863 kennzeichnet den Zustand der Privat-Gebäude im allgemeinen für die Stadt als mittelmäßig, für’s Land sei der Zustand nur sehr mittelmäßig zu nennen. Für die dann genannten Orte habe namentlich „Holzweiler die in schlechtestem Zustand befindlichen Wohnhäuser […]. Letzterer Ort hat durch die vielseitig geschehenen Eintheilungen der Wohnhäuser in mehrere Wohnungen – mit Servituten und sonstigen unangenehmen schwierigen Verhältnissen belastete Einrichtungen. Diese Gemeinde ist dicht bewohnt und gilt ihrer Wohnhäuserzahl gegenüber als die bevölkerste Landgemeinde im Kreis.“1 Um 1880 fasst der Holzweiler Pfarrchronist zusammen: „Viele arme Familien sind in benachbarte Fabrikstädte, in denen sich leichtere und besser bezahlte Arbeit fand, ausgewandert. Dennoch haben wir der Armen noch eine beträchtliche Zahl unter uns.“2
Also insgesamt herausfordernde Lebensbedingungen für eine Selbstständigkeit und einen Familienstart in den Jahren 1879/1880.
Von der Schmiede zur Landmaschinenfabrik
Hufbeschlag und Reparaturen an landwirtschaftlichem Gerät waren das erste Standbein des Schmiedemeisters Adam Hurtz. Kurz vor der Jahrhundertwende wechselten jedoch schrittweise kleinere Bauern gerade bei der Getreideernte zu Maschinen, die die Arbeitsschritte erleichterten und effektiver waren. Ab Mitte der 1890er Jahre wurden Mähbinder eingesetzt, was eine große Erleichterung gegenüber dem Mähen und Binden per Hand darstellte. Diese frühen Mähbinder waren für den Einsatz mit Zugpferden oder –ochsen gedacht. Adam Hurtz war in der Folgezeit auch Reparaturbetrieb für diese Erntemaschinen.
Eine Anzeige von 1903 zeigt genau die betriebliche Ausgangssituation von der Schmiede und Schlosserei mit offenbar vielfältig anfallenden Reparaturen. Aus dieser ursprünglichen „Reparaturwerkstatt“ von Adam Hurtz (1903) entwickelt sich schließlich das Unternehmen in Holzweiler als Maschinenhandlung mit der Vorhaltung von Ersatzteilen (1926/1927) bis zur „Landmaschinenfabrik“ (1955).
Für die Getreideernte konstruierte Hurtz z. B. Garbenbinder, einen Ährenheber und Getreideteiler, um verworrene Halme zu trennen. „Die beste Wirkung wurde mit einem rotierenden Abteiler erzielt, so dass jetzt fast keine Erntemaschine mehr ohne dieses Zusatzgerät eingesetzt wurde. Diese Rotorabteiler fanden in Deutschland, Holland, Belgien und Frankreich Eingang.“3
Die Änderung der landwirtschaftlichen Anbauverhältnisse und die Entwicklung von Maschinen gehen Hand in Hand. Im Kreis Erkelenz stieg prozentual der Anteil der Getreideproduktion zwischen 1830 und 1893 von 56% auf 64% der gesamten Ackerfläche. Roggen und Hafer hatten den höchsten Anteil. Die Zuckerrübe machte 1893 nur 2% der bebauten Ackerfläche aus. Der Zuckerrübenanbau begann in der hiesigen Region also zurückhaltend, er war zudem extrem arbeitsintensiv. Nicht zuletzt musste für einen lohnenden Anbau die fabrikmäßige Weiterverarbeitung der Zuckerrübe gewährleistet sein. Die Zuckerfabrik in Ameln wurde 1872 gegründet, dementsprechend liegt der Beginn des Zuckerrübenanbaus für die Erkelenzer Region genau in diesem Zeitraum der 1870er Jahre. In der Holzweiler Pfarrchronik wird die Situation gekennzeichnet: „Von 1874 an cultivieren Einzelne, namentlich der Amtsverwalterhof (heute Holzweilerhof) seit dem Ankauf durch den Millionär Freiherrn von Diergardt zu Bonn, mit 15 – 20 Auerochsen auch Zuckerrüben, welche an die um diese Zeit in dem benachbarten Ameln erbaute Zuckerrübenfabrik zur Gewinnung des Zuckergehalts gegen verhältnismäßig hohe Preise abgeliefert werden. Die Fruchtpreise im Übrigen sind seit Jahren niedrig, die Communal- und Staatslasten drückend, so dass der Bauer nach einstimmigem Urtheil als Eigentümer kaum, als Pächter gar nicht bestehen kann, es sei denn, dass er mit eigenen Kräften arbeitet.“4
Die veränderten Anbau- und Bodennutzungsverhältnisse entwickeln sich in den folgenden Jahren schließlich so, dass es im Bürger-Buch der Stadtgemeinde Erkelenz von 1910 heißt: „In den Betrieben unseres Kreises ist durchgehends der Ackerbau mit der Viehzucht verbunden. An Getreidearten werden angebaut Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, […]. Ferner ist der Zuckerrübenanbau nicht unbedeutend. Der ehemals sehr bedeutende Flachsanbau – es wurden im Kreis durchschnittlich 2000 Morgen Flachs bestellt – ist fast gänzlich verschwunden.“5
Da das Hauptziel der Firma Hurtz die Verbesserung landwirtschaftlicher Maschinen und damit verbunden die Erleichterung der Arbeitsprozesse war, erscheint neben den Getreidemähmaschinen die Entwicklung von Rübenerntemaschinen bei steigendem Zuckerrübenanbau durchaus konsequent. Ein Unternehmensansatz, der die Gründergeneration überdauert, denn auch in der Adam Hurtz nachfolgenden Generation wird die Entwicklung von Maschinen nicht eingestellt, sondern fortgeführt wie z. B. ein am 12. März 1933 erteiltes Patent für einen Getreideabteiler bei Mähmaschinen (Antrag 1927) zeigt:
In der Datenbank des Deutschen Patent- und Markenamtes finden sich unter dem Stichwort Adam Hurtz 19 Treffer für den Zeitraum ab Mitte der 1920er Jahre.
Zur Präsentation von neuen oder weiterentwickelten Maschinen nutzte die Firma die Fachmessen, z. B. die der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft in Köln im Mai 1930. Die von der Firma Hurtz regelmäßig veröffentlichten Annoncen weisen selbstverständlich auf eingereichte Patente hin, ihr Produkt ist der „Original – Hurtz“.
Über Jahrzehnte hinweg bleiben die Anzeigen nahezu immer bebildert, beschreibend, erklärend und zeigen recht konkret und anschaulich die jeweiligen Einsatzmöglichkeiten der beworbenen Produkte.
Nach dem Tod von Adam Hurtz im Jahr 1922 übernahm der älteste Sohn Johann die Geschäftsführung. Bereits zu Lebzeiten des Vaters waren die Söhne im Betrieb tätig. Die vier Söhne waren nach dem Tod des Vaters genau wie ihre Mutter Mitinhaber der Firma.
Die Firma wuchs zunächst auch nach dem 2. Weltkrieg, die Mitarbeiterzahl stieg auf über 80 Personen an. „Daß bei dieser Aufwärtsbewegung die Arbeitsräume nicht mehr ausreichten, lag auf der Hand. […] Die Firma beschloß daher, eine neue Fabrikhalle am Ortsausgang nach Katzem zu erbauen. Sie wurde im Frühjahr 1957 fertiggestellt und am 1. Mai 1957 eingeweiht. Diese Halle ist 45m lang und 25m breit. Es stehen aber bereits die Fundamente, die eine Erweiterung der Halle auf 100m Länge ermöglichen. Durch den Bau der neuen Halle wurde die Raumnot behoben und gleichzeitig konnte die Reparaturabteilung von der Produktionsabteilung getrennt werden.“6 Entgegen dieser optimistischen Situationskennzeichnung aus dem Jahr 1960 von Heinrich Böhmer, er war von 1926 bis 1954 Hauptlehrer an der Schule in Holzweiler, stieg in der Folgezeit der Konkurrenzdruck so enorm an, dass die Firma 1963 die Fertigung einstellte.
Mitten im gesellschaftlichen Leben
Neben der beruflichen Arbeit gibt es eine Reihe von Aufgaben und Ämtern, die Adam Hurtz im Laufe seines Lebens in Holzweiler übernommen hat.
Er war Aufsichtsratsmitglied der Spar- und Darlehenskasse Holzweiler bei deren Gründung im Jahr 1893, später wird er Vorstandsmitglied. Als am 4. Oktober 1908 der neue Friedhof in Holzweiler eingeweiht wurde, nachdem der Regierungspräsident nach streitigem Verfahren die Schließung des ehemaligen Friedhofes verfügt hatte, waren Tor und Gitter von Schmiedemeister Hurtz gefertigt worden. Von 1914 bis 1918 war Hurtz Mitglied des Gemeinderates, der sowohl aus gewählten wie aus geborenen Mitgliedern bestand.
Auch die Kirchengemeinde konnte auf Adam Hurtz zählen; er war lange Zeit Mitglied im Kirchenvorstand und nahm am 17. Februar 1922 an der Sitzung teil, in der der Kirchenvorstand sich mit der Fertigstellung des Turmneubaus für die Kirche befasste. Vor Ausbruch des 1. Weltkrieges hatte man mit der Baumaßnahme begonnen, der Kostenvoranschlag belief sich auf 43.600 Mark, die Fertigstellung sollte bis zum Jahresende 1914 abgeschlossen sein. Die Kriegsereignisse zwangen zum Planaufschub und erst 1921 konnte das Projekt wieder aufgenommen werden; die Kosten waren jedoch in die Höhe geschnellt und wurden nun mit 240.000 RM beziffert!7
Die Teilnahme an dieser für die Ortsgeschichte wichtigen Kirchenvorstandssitzung 1922 zeigt, dass Adam Hurtz bis zum Ende seines Lebens an den Entscheidungsprozessen in Holzweiler interessiert und beteiligt blieb.8
- Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit, a. a. O. Seite 76 bis 81
- Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit, a. a. O. Seite 78
- Böhmer, a. a. O. Seite 124
- Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit, a. a. O. Seite 112
- Johnen / Jansen, a. a. O., Seite XIV
- Böhmer, a. a. O., Seite 125 f.
- Angaben zu den Ämtern von Adam Hurtz aus: Holzweiler – Ein rheinisches Dorf, a. a. O., Seite 132, 187-190, 291
- Text von Agnes Borgs 2024
- Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit 1815–1947. Mönchengladbach, 1988 ,
- Heimatkalender der Erkelenzer Lande. Erkelenz, 1960. Heinrich Böhmer: Von der Dorfschmiede zur Landmaschinenfabrik. Seite 124 ff. ,
- Bürger-Buch der Stadtgemeinde Erkelenz. Eine Sammlung hier gültiger Gesetzesbestimmungen, Polizei-Verordnungen, Ortsstatute und Gemeindebeschlüsse sowie der Gesinde-Ordnung der Rheinprovinz . Erkelenz, 1910 ,
- www.dpma.de/recherche/depatisnet/index.html (Stand: 04.2024) , .
- www.geschichten-rheinisches-revier.lvr.de/hurtz-eine-familiengeschichte/ (Stand: 04.2024) , .
- www.landtechnik-historisch.de (Stand: 04.2024) , .
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