Schulgeschichte
Schulentwicklung
In den Archiven zur Franzosenzeit gibt es einen Hinweis darauf, dass in Holzweiler nach der Auflösung des Dingstuhls 1794 die Schule bis 1820 im ehemaligen Schöffengerichtsgebäude untergebracht war.1 Aus einer preußischen Erhebung zum Schulwesen weiß man, dass seit 1805 ein Lehrer und Küster Baur (auch Bauer geschrieben) die Schule in Holzweiler führte. Wie damals üblich hatte er keine Ausbildung. Er unterrichtete die Kinder bereits mit 18 Jahren und hatte sein Amt von seinem Vater übernommen.2 Immerhin waren 104 Kinder im Jahre 1814 in Holzweiler im schulpflichtigen Alter. Das heißt nicht, dass sie alle zur Schule gingen. In dieser Zeit war üblich, dass nur im Winter die meisten Kinder Unterricht genossen, im Sommer halfen sie auf den Bauernhöfen. Da der Schulbesuch von den Eltern bezahlt werden musste (8 Stüber (etwa 12 Cent) pro Monat und Kind), gingen einige Kinder gar nicht zur Schule.3
Durch die Werbung um mehr Bildung seitens der Kirchen und Behörden änderte sich die Schulsituation in Holzweiler im Jahre 1820 so, dass für die Kinder, die die Schule besuchten, der Raum im ehemaligen Schöffengerichtsgebäude zu klein wurde. Der Gemeinderat beschloss, den Schulunterricht in die ehemalige Sankt Georgiuskapelle am Markt zu verlegen. Dazu wurde die Kapelle zweigeschossig umgebaut, das Obergeschoss enthielt einen Schulsaal und eine Lehrerwohnung. 1823 richtete Pfarrer Lempertz eine Stiftung für die Schule ein, die die Pachteinnahmen aus 8 bzw. 6 Morgen Ackerland (da sind sich die Aussagen in den Chroniken nicht einig4) für Schulzwecke vorsah. Aus den Archiven geht nicht hervor, ob diese Einnahmen bis zur Wiederentdeckung der Stiftung durch Lehrer Fröls im Jahre 1924 überhaupt abgerufen wurden.5 In der Folgezeit wuchs die Zahl der schulpflichtigen Kinder so an, dass eine Erweiterung der Schule notwendig wurde. Im Jahre 1833 wurde die Lehrerwohnung im 1. Stock zum Klassenraum umfunktioniert, so dass die 285 Schulkinder in 2 Klassen untergebracht werden konnten.
Im Jahre 1837 waren die Räume in der ehemaligen Georgiuskapelle in einem so schlechten Zustand, dass ein Neubau angedacht wurde. Besonders die Begüterten des Dorfes, die die finanzielle Hauptlast für den Neubau zu tragen gehabt hätten, wandten sich gegen diesen Vorschlag. Realisiert wurde der Neubau im Jahre 1840, nachdem die Regierung die Verhältnisse im alten Schulgebäude für 308 Kinder als völlig unzureichend erklärt hatte. Die Gemeinde kaufte ein Grundstück in der Größe von 78 x 32 Fuß (36 x 11 m), worauf ein zweistöckiges Gebäude gebaut wurde, das Lehrerwohnungen und drei Schulsäle enthielt. Dieses Gebäude wurde 1843 eingeweiht, aber 1844 erst vollständig fertiggestellt. Für die Finanzierung des Baus in Höhe von 4803 Thalern mussten Kredite aufgenommen werden.
Obwohl ein dritter Schulsaal eingerichtet war, wurde dieser über weitere 10 Jahre nicht genutzt. Zwei Lehrer unterrichteten etwa 250 Kinder in dieser Zeit. „Im Jahre 1851 richtete die Gemeinde Holzweiler innerhalb ihrer Elementarschule eine Industrie-, Näh- und Strickschule ein. Sie wurde der Leitung der Näherin Gertrud Zimmermann übertragen. Erst 1855 mußte dann endlich – wegen der großen Zahl schulpflichtiger Kinder – die dritte Schulklasse eröffnet werden.“6
Im Jahre 1880 kam es durch die Einstellung der Lehrerin Hubertine Heinrichs, einer Schwester des Paters Leo Heinrichs, zu einer Aufteilung der Ober- und Mittelklasse in eine Mädchen- und Jungenklasse. In der Unterklasse wurde wie bisher koedukativ unterrichtet. Anfang der 1880er Jahre mussten Reparaturmaßnahmen am Gebäude vorgenommen werden. 1881 bekamen die unteren Schulsäle neue Fußböden, die Fensterrahmen erhielten einen neuen Anstrich. 1883 erhielt der 3. Schulsaal einen neuen Fußboden. Erstaunlich für den heutigen Leser ist ein Eintrag in die Schulchronik im Jahre 1881, dass trotz bestehender Schulpflicht die Kinder im Sommer nur unregelmäßig den Unterricht besuchten.
Im Jahre 1899 entschied der Gemeinderat die Einrichtung einer 4. Lehrerstelle und den Bau eines 4. Schulsaals. Der Anbau wurde trotz einiger Widerstände im Gemeinderat durchgeführt und am 14.06.1901 eingeweiht und bezogen. Gleichzeitig konnten zwei neue Lehrerwohnungen eingerichtet werden.
Nach dem Ersten Weltkrieg zwang die Besetzung des Schulgebäudes durch französische und belgische Soldaten zu einer längeren Unterrichtspause. Erst Ende Januar 1919 konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. Während der Besetzung durch die Siegermächte wurde der Schulunterricht in der Folgezeit immer wieder unterbrochen, weil das Gebäude zu größeren Manövern beschlagnahmt wurde.7
Erst 1931 erhielt die Schule einen Wasseranschluss. Bis dahin musste das Wasser aus der Gemeindepumpe an der Kirche geholt werden, die 120 m entfernt stand.
Den Zweiten Weltkrieg überstand die Schule ohne Schaden. Allerdings ruhte in der Endphase des Krieges der Unterricht bis zum 2. Januar 1946. Bis 1971 wurden die Holzweiler unterrichtet. Nach der Auflösung der Volksschulen wurde die Schule geschlossen.
Schülerentwicklung
Die Schülerzahlen entwickelten sich im 19. Jahrundert rasch, was an der Zunahme der Bevölkerung des Dorfes und an der hohen Kinderzahl in den Familien lag. Hatte der erste bekannte Lehrer Bauer (Baur) im Jahre 1805 „nur“ über 100 Schüler/innen in einer Klasse zu unterrichten, so waren es nach der Einführung der Schulpflicht 1826 bereits 220 Kinder, die zur Schule hätten gehen müssen. In den 1860er und 1870er Jahren steigerte sich diese Zahl auf etwa 290 Kinder, um ab diesem Zeitraum dann stetig auf etwa 200 Schüler/innen bis nach dem Ersten Weltkrieg abzunehmen.
Diese Zahlen machen deutlich, dass im Laufe des 19. Jahrhunderts mehr Platz für den Unterricht geschaffen werden musste. Trotz der hohen Schülerzahlen blieb die Schule bis 1833 einklassig. Bei 285 Schulpflichtigen zu diesem Zeitpunkt kamen die Schulverantwortlichen des Dorfes nicht an der Einrichtung einer zweiten Klasse vorbei. Nach dem Neubau der Schule wurde erst 1855 eine dritte Klasse gebildet. Nach der Einstellung der ersten Lehrerin, Fräulein Heinrichs, wurde die Mittel- und Oberklasse in eine Jungen- und Mädchenklasse geteilt. Es gab ab diesem Zeitpunkt eine Unterklasse mit dem 1. bis 4. Schuljahr und 2 Oberklassen ab dem 5. Schuljahr. Diese Aufteilung blieb aber nicht konstant, sie wurde wegen der Vielzahl der Kinder in der Unterklasse zeitweilig zurückgenommen. Zwischen 1900 und 1923 konnte eine 4. Klasse gebildet werden. Zu diesem Zeitraum wurde die Oberklasse (5. bis 8. Schuljahr) wieder nach Geschlechtern getrennt. Ab 1923 gab es nur noch 3 Klassen in Holzweiler. Das bedeutete bis nach dem Zweiten Weltkrieg, dass durchschnittlich 50 bis 60 Kinder in einer Klasse saßen. In den 1950er Jahre reduzierten sich die Schülerzahlen infolge der Kriegsauswirkungen und der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung. Die Anzahl der Kinder pro Familie reduzierte sich drastisch.8
Lehrer in Holzweiler
Seit Beginn der Aufzeichnungen unterrichteten in Holzeiler 53 Lehrerinnen und Lehrer. Zwischen 1805 und der Auflösung der Schule gab es 10 Schulleiterinnen und Schulleiter. In der Volksschule wurden sie Hauptlehrer genannt. In der Regel versahen sie ihren Dienst über Jahrzehnte hinweg. Nur in den 1920er Jahren gab es einen schnellen Wechsel in der Schulleitung. Die Hauptlehrer/innen unterrichteten in der Regel die Oberklassen. Von den 43 weiteren Lehrern/innen unterrichteten 9 ein Jahrzehnt und länger in der Holzweiler Schule. Hervorzuheben ist hier die Lehrerin Hubertine Heinrichs, die nicht nur die erste Lehrerin in Holzweiler war, sondern auch 46 Jahre ihren Dienst hier verrichtete. Über einen so langen Zeitraum unterrichtete sonst niemand an der Schule. Insgesamt waren 11 Lehrerinnen im Dienst, die meisten von ihnen wurden im 20. Jahrhundert eingestellt.
Die Lehrer erhielten nur ein bescheidenes Gehalt, womit sie kaum ihre Familien ernähren konnten. Im 19. Jahrhundert erhielt lange Zeit der 1. Lehrer 230 Thaler, der 2. Lehrer 200 Thaler und der 3. Lehrer 180 Thaler im Jahr. Hinzu kam eine freie Dienstwohnung und die Nutzung des Gartens. Als die Mark im Jahre 1871 als Währung eingeführt wurde, betrugen die Gehälter 1200 M, 1080 M und 850 M pro Jahr9.
Besonders im 19. Jahrhundert erwartete man von den Lehrpersonen, dass sie nicht nur Autoritätspersonen, sondern auch christliches Vorbild für die Jugend im Ort waren. In der 2. Hälfte dieses Jahrhunderts sah sich besonders eine Lehrperson dem Vorwurf ausgesetzt, diesen Maßstäben nicht zu genügen, ja über die Grenzen der Sittlichkeit hinausgegangen zu sein. In der Pfarrchronik wird dazu vermerkt:
„Joseph Schwieren aus Hasselsweiler, bis 1863 Lehrer der 2. Klasse, dirigiert wie sein Vorgänger den Mädchenchor. Seine Verdienste um die Hebung der Schule wurden vielfach mit Undank belohnt. In den letzten Jahren ist er die ständige Zielscheibe einer zwar kleinen, aber intriganten Partei gewesen. Die Bosheit ging so weit. daß man ihn zum Erstaunen aller, die ihn kannten, beschuldigte, unsittliche Handlungen mit Schulkindern begangen zu haben. Er wurde in Folge dessen durch Verfügung der Regierung zu Aachen vom 17. März 1877 bis zum Austrag der Sache vom Amte suspendiert. aber nach einem halben Jahre von aller Schuld freigesprochen und wieder eingesetzt.“10
Was war passiert? Bürgermeister Krapoll aus Immerath beschwerte sich höheren Orts über einen für ihn sehr unbefriedigenden Schulbesuch in Holzweiler. Es kam zum Streit zwischen den Lehrern Schwieren und Edel und dem Bürgermeister. Eine Folge dieses Streits war die Anschuldigung, dass insbesondere Lehrer Schwieren alkohlsüchtig sei und aus diesem Grunde morgens schon einmal zu spät in den Unterricht komme. Oft ziehen Anschuldigungen, einmal in die Welt gesetzt, schnell weitere Kreise. In einem Brief an den Bürgermeister beschuldigte ein Vater Hauptlehrer Schwieren, dass dieser sich den Mädchen der Klasse unsittlich (Umarmung von hinten und Zunge herausstrecken) genähert habe. Die Befragung der Zeugen kam zu teils widersprüchlichen Ergebnissen. Joseph Schwieren bestritt gegenüber dem Landrat alle Beschuldigungen und vermutete eine Intrige, weil er mit der Kirchengemeinde nicht im Einvernehmen stand. Die Bezirksregierung suspendierte Herrn Schwieren 1877 bis zum Ende eines angestrebten Disziplinarverfahrens. Im weiteren Verlauf stellten sich viele Holzweiler Bürger hinter Joseph Schwieren und beteuerten seine Integrität. Ende Februar 1878 stellte die Behörde das Verfahren wegen Mangels an Beweisen ein, Joseph Schwieren wurde rehabilitiert und wieder eingesetzt.
Liste der Lehrer
Zeitraum | Schulleiter | Zeitraum | Lehrer/in | Zeitraum | Lehrer/in | Zeitraum | Lehrer/in |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1805-1822 | Hermann Bauer | 1822-1828 | Hermann Bauer | 1876-1877 | Hubert Kamper | 1926-1929 | Maria Leidecker |
1822-1831 | Anton Kremer | 1828-1836 | Heinrich Trivelsdorf | 1878-1881 | Wilhelm Krings | 1929-1954 | Peter Wirtz |
1832-1863 | J. Friedrich Schmitz | 1836-1838 | Heinrich Gehlen | 1876-1877 | Hubert Kamper | 1929-1948 | Gertrud Müller |
1863-1887 | Joseph Schwieren | 1838-1840 | Mathias Aretz | 1879-1880 | Heinrich Wilden | 1948-1962 | Maria Rings |
1887-1919 | Christian Laumen | 1840-1842 | Gottfried Schüller | 1878-1881 | Wilhelm Rings | 1954-1958 | Irene Unnasch |
1920-1922 | Joh. Mathias Leuver | 1843-1844 | Kaulen | 1880-1926 | Hubertine Heinrichs | 1958-1961 | Wiltrud Knecht |
1923-1925 | Joseph Fröls | 1844-1852 | Theodor Heckmann | 1880-1886 | Philipp Hüllein | 1950-1962 | Werner Gehlen |
1926-1954 | Heinrich Böhmer | 1852-1863 | Joseph Schwieren | 1887-1900 | Wilhelm Flaam | 1961-1965 | Hildegard Schmitz |
1954-1965 | Peter Wirtz | 1856-1858 | Franz Zimmermann | 1900-1902 | Becker | 1962-1968 | Toni Koch |
1965-1971 | Hildegard Schmitz | 1858-1863 | Anton Küsters | 1900-1907 | Hermann Weiss | 1962-1971 | Anneliese Wintzen |
1863-1864 | Johann Peter Vasters | 1902-1904 | Adolfine Zarth | 1965-1966 | Elisabeth Passerschröer | ||
1863-1866 | Martin Becker | 1904-1913 | Therese Esser | 1966-1967 | Beatrix Graab | ||
1864-1868 | Cornelius Queck | 1909-1919 | Karl Laufs | 1967-1968 | Jürgen Hantsch | ||
1866-1870 | Franz Nießen | 1913-1926 | Johanna Tigges | 1968-1971 | Günter Lipperson | ||
1869-1879 | Friedrich Ebel | 1919-1920 | Johann Jobs | ||||
1870-1876 | Josef Heinen | 1920-1929 | Wilhelm Thomassen |
Schulbau
Sankt Georgiuskapelle
Über diesen Bau wissen wir nicht viel. Es ist nur bekannt, dass er im Jahre 1920 zur Schule umfunktioniert wurde. Er bekam eine Zwischendecke, um Platz für eine Lehrerwohnung und ab 1833 einen 2. Klassenraum zu schaffen. Der Einzug der Decke ging auf Kosten der Raumhöhen. Der untere Raum hatte eine normale Höhe von 3,10 m, der obere eine Höhe von 2,25 m. Die Umbaukosten in Höhe von 564 Thalern wurden durch eine Umlage finanziert.
Neubau 1840
Der Neubau besteht aus einem Backsteinbau mit 2 Geschossen in zunächst 7 Achsen; seit dem Anbau im Jahre 1901 hat er 11 Achsen. Die Türgewände und Fensterbänke bestehen aus Blaustein. Über den Achsen befindet sich ein Mittelrisalit mit Flachgiebel, das Gebäude hat ein Satteldach. Im Gebäude von 1840 befanden sich drei Klassenraume und zwei Lehrerwohnungen, nach dem Anbau 1901 vier Schulräume und vier Lehrerwohnungen.
Seit der Auflösung der Schule 1971 wird das Gebäude vielfältig von der Dorfgemeinschaft und dem Roten Kreuz genutzt. Der Zustand des Gebäudes verschlechterte sich allerdings im Laufe der Zeit so, dass im Jahre 2020 umfangreiche Erhaltungsmaßnahmen begannen, die zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels 2024 noch nicht beendet waren. Vereine und Institutionen wie die Dienststelle der Polizei sollen hier einmal ihr Zuhause finden. Auch ist die Einrichtung eines Dorfcafés vorgesehen.11
- siehe Lennartz, a. a. O., Seite 135
- siehe Lennartz, a. a. O., Seite 135
- siehe Blaesen, a. a.. O., Seite 220
- siehe Lennartz, a. a. O., Seite 136
- ebda
- Lennartz, a. a. O., Seite 138
- siehe Blaesen, a. a. O., Seite 241
- siehe Blaesen, a. a. O., Seite 228 ff.
- siehe Blaesen, a. a. O., Seite 230
- Blaesen, a. a. O., Seite 233
- Text von Wolfgang Lothmann 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 5, 1984. Josef Lennartz: Das Elementarschulwesen des 19. Jahrhunderts im heutigen Stadtgebiet Erkelenz. Seite 135 bis 144 ,
- Holzweiler – Ein rheinisches Dorf in preußischer Zeit 1815–1947. Mönchengladbach, 1988, Kapitel 25 und 26, Seite 225 bis 247 ,
- Denkmale in der Stadt Erkelenz. http://www.limburg-bernd.de ,
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