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Die Verwaltung des mittelalterlichen Erkelenz

1326 bis 1814

Die Stadt Erkelenz wird zur Zeit von einem hauptamtlichen Bürgermeister, der von den Bürgern auf Zeit gewählt wird, und dem Stadtrat, ebenfalls von den Bürgern auf Zeit gewählt, geführt. Aber wie war es im mittelalterlichen Erkelenz?

Allgemein

An der Spitze der städtischen Verwaltung standen zwei Bürgermeister, ein Stadt- und ein Landbürgermeister. Diesen standen zur Seite das Schöffen- und das Ratskollegium. Wichtiger Teil der mittelalterlichen Verwaltung war der Stadtschreiber. Zur Verwaltung gehörten auch zwei Stadtboten, der Mühlenmeister, die Torwächter und der Wallmeister.

Die Bürgermeister

Der Stadtbürgermeister konnte, der Landbürgermeister dagegen musste aus den zu Erkelenz gehörenden Dörfern sein (das waren Bellinghoven, Bucherhof, Etgenbusch, Genehen mit Commerden und Eselsweg, Mennekrath, Oerath mit Oerather Mühle, Oestrich, Tenholt, Terheeg mit Neuhaus und Wockerath. Dazu kam noch Kückhoven, das zur „Herrschaft“ Erkelenz gehörte.1), dessen Interessen er ja besonders wahrzunehmen hatte. Dazu mussten die Bürgermeister in der Stadt oder im Landbezirk begütert sein. Die Amtszeit dauerte ein Jahr. Die Wahl war jährlich am 22. Februar, dem Feste Petri Stuhlfeier2. Dieser Termin war wohl nicht zufällig gewählt und sollte ein Symbol sein. Wiederwahl war dabei zulässig. Gleich mit der Wahl begann die Amtstätigkeit der Neugewählten. Sie gaben dabei ihren Amtsvorgängern und den Schöffen ein Festmahl. Ab dem Jahre 1754 war der Stadtbürgermeister zugleich auch Landbürgermeister.3

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Mathias Baux | Bauxchronik Seite 198
Auszug aus der Bauxchronik zur Verwaltung

In seiner Stadtchronik aus dem 16. Jahrhundert beschreibt Mathias Baux, der 1560/1561 selbst Stadtbürgermeister war, insbesondere dessen Aufgaben. Der Bürgermeister berief das Ratskollegium ein und leitete auch die Versammlung. Als erster trug er vor, niemand anders hatte die Erlaubnis, etwas vorzutragen oder den Rat zu fragen. Er konnte aber sein Recht auf den Landbürgermeister oder den Stadtschreiber übertragen. Zu den Aufgaben des Bürgermeisters gehörte auch die Entgegennahme aller Briefe, die an die Stadt gerichtet waren. Der Bürgermeister war weiterhin für alle notwendigen Bauangelegenheiten der Stadt zuständig, auch für die Überwachung der Tore und Türme, der Schlüssel, Siegel, Urkunden und des Geldes. Zuständig war er auch für die Überwachung der Gewichte und Maße, die in der Stadt und auf den Märkten verwendet wurden. Bei Verstoß dagegen hatte er ein Bestrafungsrecht.

Generell schreibt die Chronik, dass der Bürgermeister alles, was für die Stadt und die Bürgerschaft notwendig und für diese nütz- und förderlich war, erledigen musste.4

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Willi Wortmann | Altes Rathaus 1546

Ihren Amtssitz hatten der Bürgermeister und die Schöffen -zumindest ab 1546- im Alten Rathaus, in dem sich auch das Ratskollegium zur Versammlung traf.

In der Stadtgeschichte5 aus dem Jahre 1926 befindet sich eine Auflistung der Stadt- und Landbürgermeister bis zum Jahre 1789. Aus der Zeit vor dem Stadtbrand im Jahre 1540 sind nur vereinzelte Namen von Bürgermeistern bekannt. Dagegen ist von da ab eine fast lückenlose Reihenfolge gegeben. Interessant ist u. a., dass so ab dem 17. Jahrhundert mehrfach nach der einjährigen Amtsperiode der Stadt- und der Landbürgermeister die Ämter getauscht haben.

Die Schöffen

Ein Schöffe (von althochdeutsch sceffino oder scaffin, der Anordnende) war im hohen und späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit eine Person, die mit Aufgaben in der Rechtsprechung, aber auch – da damals judikative und exekutive Gewalt nicht getrennt waren – mit Verwaltungsaufgaben betraut war.6 In Erkelenz unterstützten sieben Schöffen den Bürgermeister bei der Amtstätigkeit. Die Schöffen waren ehrenamtlich tätig, mussten aber mit Grundbesitz begütert sein. Viele der Erkelenzer Schöffenfamilien waren Lehen der Manngüter der Grundherrshaft des Marienstiftes von Aachen.

Mathias Baux beschreibt auch ausführlich das Schöffenwesen in Erkelenz. Ausgewählt wurden solche Schöffen, die diskret waren und juristische Fälle beschreiben konnten.

Die Schöffen waren verpflichtet, gegenüber dem Schulheiß als Vertreter des Marienstiftes, die Rechte des Marienstiftes zu hüten und zu bewahren. Dies bezog sich u a. auf alle Abgaben wie den Zehnten, Zinsen oder Pachten.

Im Stadtarchiv Erkelenz7 befindet sich folgende Urkunde vom 8. April 1423:
„Dechant und Kapitel des Marienstifts zu Aachen bekunden, daß die Schöffen zu Erkelenz, die dem Kapitel schwören müssen, alle Rechte und Gewohnheiten des Stifts vor ihrer Gerichtsbank zu halten und zu bewahren, vor allem auch alle Schenkungen und Veräußerungen, die vor dem vom Propst ihres Stifts in Erkelenz eingesetzen Schultheiß stattfinden, dann die Kirchenzehnten, Zinse, Pächte und Jahresrenten jeglicher Art, allein und ausschließlich über die Güter des Stifts im ganzen Amt Erkelenz richten und die Rechte des Stifts bewahren sollen, keineswegs aber andere Schöffen dazu berechtigt sind. Siegler: das Stift.- Monatstag“

© Stadtarchiv Erkelenz | Ingrid Hagel | Eidtafel

Die Eidtafel aus den Jahrzehnten um 1600 (aufbewahrt im Stadtarchiv Erkelenz), auf der u.a. auch die Erkelenzer Schöffen den Eid ablegen mußten. 8

Die Schöffen waren zusammen mit dem Vogt und dem Schultheiß auch für die niedrige Gerichtsbarheit zuständig und konnten entsprechende Strafen verhängen.

Im Stadtarchiv Erkelenz sind zahlreiche Urkunden vorhanden, welche die Arbeit der Schöffen zeigen, z. B. den Verkauf von städtischem Grund und Boden oder die Beurkundung der Vereinbarung von Erbrenten zwischen Bürgern.9

Während in frühester Zeit wohl die Schöffen ausschließlich aus den freien Geschlechtern, welche in Erkelenz oder dem Landbezirk wohnten, gestellt wurden, wurden später auch Auswärtige zu Schöffen gewählt. In Heft 4 der Schriften des Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein nennt E. von Oidtmann eine Vielzahl Erkelenzer Schöffen10 und beschreibt dann ausführlich die Schöffengeschlechter Spiegel, Udman und Middelman.11

Das Ratskollegium

Das Ratskollegium umfasste zehn geschworene Ratsmänner. Ins Ratskollegium konnten, anders als bei den Bürgermeistern und Schöffen, auch Personen ohne Grundbesitz gewählt werden, die Chronik spricht vom „Gemeinsmann“. Im Gegensatz zu den Bürgermeistern und den Schöffen schreibt Baux nichts zum Ratskollegium.

Das Ratskollegium hatte nur in wenigen und dabei noch untergeordneten Angelegenheiten beschließende Befugnisse. Das Ratskollegium war fast ohne Einfluss auf die Verwaltung der Stadt. Den entscheidenden Einfluss auf die Führung und die Verwaltung der Stadt hatten die Schöffen (sie wählten die Bürgermeister und sich selbst), sie waren somit die eigentlichen Regenten der Stadt. Seit dem 17. Jahrhundert hatte der Rat dann tatsächlich fast nur noch repräsentativen Charakter.12

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Mathias Baux | Bauxchronik Seite 200
Bauxchronik: Sitzordnung in den Ratsversammlungen

Beschrieben wird in der Chronik auch die Sitzordnung in den Ratsversammlungen. Der Stadtbürgermeister saß „oben“, neben ihm der Landbürgermeister. Vor beiden saß der Stadtschreiber. Davor saß dann zu beiden Seiten – ohne eine Sitzreihe in der Mitte – entsprechend dem Alter das Ratskollegium, „ehrsam und mit solcher Sittlichkeit, Demut, bürderlicher Liebe und freundlicher Bescheidenheit, als ob ein Römischer Kaiser oder König oder ihr eigener Landesfürst und Lehnherr bei ihnen gegenwärtig wäre“. 13 Auch sollten die Ratsmitglieder nicht leichtfertig, spöttisch, schimpflich oder töricht reden.

Geregelt war auch die Schweigepflicht, „weder in der Kirche noch auf der Straße noch sonstwo außerhalb des Rates“ durfte über die Versammlungen gesprochen werden. 14

Wahl der Bürgermeister, der Schöffen und des Ratskollegiums

Für die Wahl der Bürgermeister stellten die Schöffen und das Ratskollegium eine Woche vor der Bürgermeisterwahl jeder für sich zwei Kandidaten auf. Aus diesen vier Vorschlägen wurden die zwei Bürgermeister gewählt. Entscheidend war jedoch, dass nur die Schöffen und die beiden bisherigen Bürgermeister wahlberechtigt waren. Welche Kandidaten gewählt wurden, liegt wohl auf der Hand.

Ähnlich wie bei der Bürgermeisterwahl ging es bei der Schöffenwahl zu, bei der das Schöffenkollegium selbst und das Ratskollegium getrennte zwei Kandidaten benannten, die aber nur von den Schöffen selbst gewählt wurden15, das Kollegium ergänzte sich also selbst. Die Schöffen wurden auf Lebenszeit gewählt.16 Nach der Wahl eines neuen Schöffen musste dies in der Kirche verkündet werden, und der neugewählte Schöffe musste vor einem Vertreter des Aachener Marienstiftes seinen Eid ablegen. In seiner Chronik führt Baux die Eidesformel auf.17

Wie das Schöffenkollegium ergänzte sich im Bedarfsfalle auch das Ratskollegium selbst. Zum Verfahren ist leider nichts bekannt.18

Entschädigung für Bürgermeister, Schöffen und Ratskollgium

Die Schöffen und Ratsmänner bezogen für ihre Tätigkeit von der Stadt keine Entschädigung. Ihr Amt war ein Ehrenamt. Vom Aachener Marienstift hatten die Schöffen aber manche Vorteile. Zunächst hatte jeder von ihnen dreißig Morgen Land zehntfrei; fünfmal im Jahre gab es vom Marienstift die sogenannte Schöffenmahlzeit.
Die Bürgermeister hatten ein festes, aber geringes Gehalt. Der Stadtbürgermeister bezog z. B. im 16. Jahrhundert 10 Gulden, der Landbürgermeister 5 Gulden. Da die Bürgermeister begütert sein mussten, war die Entschädigung Nebensache, die Ehre war entscheidend.19

Nebenher hatten die Bürgermeister, die Schöffen und Ratsherren aber auch noch so manche Annehmlichkeiten, z. B. Teilnahme an festlichen Mahlzeiten oder ähnlichem, die Chronik spricht von „Gelagen“.

Der Stadtschreiber

Neben den Bürgermeistern, den Schöffen und dem Ratskollegium besaß Erkelenz einen Stadtschreiber. Er erledigte den amtlichen Schriftverkehr der Stadt, fertigte die Ratsprotokolle, führte die Stadtrechnung und war zugleich Schreiber bei Gericht. Er hatte also eine mannigfaltige Tätigkeit, musste somit wohl ein vielseitig gebildeter und gewandter Mann sein. Von 1379 bis 1427 versah der Priester (und Pfarrer?) Goswin Sasse – nicht zu verwechseln mit Goswin von Wockeraid, der im 16. Jahrhundert lebte – das Stadtschreiberamt, von 1544 bis 1558 Mathias Baux aus Mennekrath. Er verfasste die schon mehrfach erwähnte Chronik der Stadt Erkelenz, aber auch die des Landes von Geldern und ein Rechtsbuch mit dem örtlichen Gewohnheitsrecht.

Die Stadtboten, der Mühlenmeister, die Torwächter und der Wallmeister

Zu den städtischen Angestellten gehörten auch zwei Stadtboten, die die Botengänge in der Stadt und nach auswärts besorgten, ferner die Mühlenmeister, die die städtichen Mühlen versahen, sowie die Torwächter bei den vier Stadttoren. Der Wallmeister hatte die Aufsicht über Stadtwall und -graben.

Das Ende der mittelalterlichen Verwaltung

Im Oktober 1794 besetzten französische Truppen Erkelenz und die Stadt erhielt eine ständige Besatzung. Damit war die bisherige Verwaltung der Stadt beendet. Die Zivilgewalt lag nun in den Händen von Volksbeauftagten, welche von den Besatzungstruppen kontrolliert wurden. Erkelenz gehörte zunächst zum Kanton Jülich, dann Wassenberg und wurde ab Juni 1798 ein selbstständiger Kanton im Arrondissement Crefeld. Im Jahre 1796 hatte Erkelenz drei Munizipalitätsmitglieder, deren Hauptaufgabe darin bestand, die von den Franzosen ausgesprochenen Requisitionen herbeizuschaffen. In der Zeit von September 1796 bis Anfang 1798 war der Advokat Dr. Gormanns (vielleicht identisch mit Johann Adam Gormanns?) der Vorsitzende der Munizipalität. Im Jahre 1800 wurde die Munizipalität durch einen Maire (Bürgermeister) ersetzt, der vom Präfekten ernannt wurde. 1789/90 war Heinrich Josef Jansen der erste eingesetzte Bürgermeister. Wie im Mittelalter wurden die Bürgermeister jeweils am Feste Petri Stuhlfeier für ein Jahr eingesetzt.20

Dem Bürgermeister standen ein oder mehrere Beigeordnete zu Seite. Erkelenz hatte zwei Beigeordnete, wovon einer aus Kückhoven kommen musste. Letzter Bürgermeister in der Franzosenzeit war von 1808 bis 1814 Johann Adam Gormanns (Vater von Hermann Josef Gormanns), der in Westrich geboren wurde.21

  1. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 70
  2. zu dem für uns ungewöhnlichen Heiligentag siehe https://www.heiligenlexikon.de/BiographienP/Petrus_Fest_Cathedra_Petri.htm (Stand: 01.2024)
  3. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 8 und 43
  4. Baux, a. a. O., Seite 363 ff
  5. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 8 und 43 ff.
  6. https://de.wikipedia.org/wiki/Schöffe_(historisch) (Stand: 01.2024)
  7. Die Urkunden im Stadtarchiv Erkelenz, Seite 33
  8. Siehe auch Hiram Kümper in Band 31 der Schriftenreihe des Heimatvereins „Ein Stück materieller Rechtskultur aus dem Alten Rathaus: Die Erkelenzer Eidtafel“, Seite 12 ff
  9. Die Urkunden im Stadtarchiv Erkelenz
  10. Oidtmann, a. a. O., Seite 7
  11. Oidtmann, a. a. O., Seite 10 ff
  12. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 8
  13. Baux, a. a. O., Seite 364
  14. Baux, a. a. O., Seite 364
  15. Gaspers/Sels, a .a. O., Seite 8
  16. Kümper, a. a. O., Seite 112
  17. Baux, a. a. O., Seite 387
  18. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 8
  19. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 8
  20. Gaspers/Sels, a. a. O., Seite 61
  21. Text von Günther Merkens 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande
  1. Hiram Kümper (Hrsg.), Mathias Baux: Chronik der Stadt Erkelenz und des Landes von Geldern. Faksimile - Transkription - Übersetzung, Band 1. Neustadt an der Aisch, ISBN: 978-3-9815182-9-0, 2016
  2. Hiram Kümper (Hrsg.), Mathias Baux: Chronik der Stadt Erkelenz und des Landes von Geldern. Erläuterungen - Kommentare, Band 2. Neustadt an der Aisch, ISBN: 978-3-9815182-9-0, 2016
  3. Gaspers/Sels, Geschichte der Stadt Erkelenz . Erkelenz, 1926
  4. Rheinisches Archiv- und Museumsamt - Archivberatungsstelle, Die Urkunden des Stadtarchivs Erkelenz Regesten. Pulheim, ISBN: 3-0535-5079, 2001
  5. Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.), Schriftenreihe des Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Grüne Hefte). Heft 4 "Zur Geschichte der Erkelenzer Schöffenfamilien"
  6. Wikipedia, Wikipedia Deutsch. https://de.m.wikipedia.org/, wiki/Schöffe_(historisch) (Stand: 01.2024)

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