Die Lehrer an der Venrather Schule haben ab 1876 eine sehr ausführliche Chronik geschrieben. Sie enthält nicht nur Daten über die Entwicklung der Schule, sondern auch über die Entstehung Venraths und die Kultur und Politik im Dorf. Sie ist eine historische Fundgrube. Die folgenden Ausführungen beziehen sich weitgehend auf die Schulchronik.
Schulgeschichte
Die Schulchronik berichtet über die Anfänge der Venrather Schule: Dem verstorbenen Küster Robertus Pannen folgte im Jahre 1795 Heinrich Hilgers als Küster und Lehrer. Beide Posten übernahm 1826 Johann Wimmers. Demnach muss vor der Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert bereits eine Schule in Venrath bestanden haben. Die Lehrperson war wie häufig üblich zu dieser Zeit identisch mit der Person des Küsters1. Näheres zur Schulsituation im Dorf am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gibt die Schulchronik nicht wieder. Sie erwähnt aber, dass 1842 die baufällige Schule, die auf dem heutigen Kirchhof stand, abgerissen wurde. Das Schulgebäude soll vor 1816 erbaut worden sein und einen großen Schulraum im Erdgeschoss besessen haben. Ein Schulraum im 1. Stock sei vorhanden, aber nicht ausgebaut gewesen.2 Bereits 1833 waren in Venrath 156 Kinder schulpflichtig. Mitgezählt sind hier die Kaulhausener und Etgenbuscher Kinder, die in Venrath zur Schule gehen mussten. Der Schulraum fasste aber nur 60 bis maximal 100 Kinder.
Daher wurde 1838 ein Schulneubau beschlossen. An der Stelle, wo das Schulgebäude bis heute steht, kaufte die Gemeinde Land auf, worauf von 1840 bis 1842 das neue Schulgebäude errichtet wurde. Es besaß 2 Klassenräume, einen Gemeinderatssaal und eine Lehrerwohnung.
Die Anzahl der schulpflichtigen Kinder in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts erforderte bald eine 3. Klasse und eine zusätzliche Lehrerwohnung. Der Gemeinderat beschloss 1861 die Schaffung dieser Räume. In der Folgezeit entstand ein Tauziehen um diese Räumlichkeiten zwischen den Bewohnern Venraths und Kaulhausens. Die Kinder aus Kaulhausen wurden in Venrath beschult und mussten einen langen Weg zur Schule gehen. Daher beantragten die Kaulhausener Eltern eine Schule in ihrem Ort. Da Venrath sich als Zentralort sah, entstand ein vehementer Disput zwischen Schulvorstand Venrath und Kaulhausener Bevölkerung um den Standort der 3. Klasse, den Kaulhausen letztlich für sich entschied. Dieser Ort erhielt eine Schule und Venrath blieb zweiklassig. Die Schule in Kaulhausen wurde 1941 wieder aufgelöst und mit der Schule in Venrath zusammengefasst.
Seit 1861 gab es in Venrath Näh- und Strickunterricht. Dazu wurden Frauen des Dorfes eingestellt, die der „Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“ aus Aachen bezahlte. Interessant ist auch die Aussage der Chronik, dass erst ab 1866 die Kinder regelmäßig die Schule besuchten, obwohl der preußische Staat bereits 1825 die Schulpflicht für alle seine Gebiete verfügt hatte.
Ab 1896 wurde Turnunterricht nach den vorgeschriebenen Leitfäden unterrichtet. Wie und auf welchem Gelände das genau erfolgte, wird nicht beschrieben. Im Jahre 1898 erfolgte eine Sitzordnungsänderung in der Oberklasse. Die Kinder saßen nun mit dem Gesicht zur Eingangstür des Raumes. Der Chronist spricht von einem „großen Vorteil für die Schulordnung“3.
Erst im Jahre 1912 wurde der Organistendienst losgelöst von der Lehrerstelle. Erstmalig wurde in diesem Jahr eine Lehrerin eingestellt. Fräulein Maria Coenen übernahm die Unterklasse. 1913 mussten Kinder der Oberklasse wegen Platzmangels in Kaulhausen unterrichtet werden. Dies wurde bereits ein Jahr später zurückgenommen. Im Gegenteil mussten jetzt die Kaulhausener Kinder in Venrath beschult werden, weil der Kaulhausener Lehrer zum Kriegsdienst einberufen wurde. Kurzfristig erhielt Venrath zu Beginn der 1930er Jahre eine 3. Klasse. Da das alte Gebäude in die Jahre gekommen war, mussten in dieser Zeit einige Renovierungsmaßnahmen vorgenommen werden. Am schlimmsten waren die sanitären Anlagen betroffen. 1939 riss die Gemeinde den Abort ab und baute einen neuen mit Stallungen und Waschküche.
Im Jahre 1940 sollte ein Neubau auf einem Grundstück zwischen Venrath und Kaulhausen entstehen. Trotz vollendeter Planung und genehmigter finanzieller Unterstützung kam der Bau wegen des Krieges nicht zustande. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Klassenräume zeitweise vom Militär belegt (1939/40). 1943 traf eine Brandbombe das Gebäude, wobei die Fensterscheiben zu Bruch gingen. Am 1. September 1944 musste der Schulbetrieb für ein Jahr unterbrochen werden. Durch den Artilleriebeschuss der Amerikaner 1945 wurde die Schule stark beschädigt. Die Fenster und das Dach wurden zerstört4. Die Schule fungierte zeitweilig als Lazarett, dabei ging die Schuleinrichtung größtenteils verloren.
Nach dem Kriege wurden die Schäden schnell notdürftig behoben. Am 1. September 1945 konnte der Schulbetrieb wieder aufgenommen werden. Die Schülerzahl stieg rasant wegen der vielen Flüchtlingskinder, so dass eine Erweiterung und Renovierung der Schule anstand. Im Jahre 1949 wurde der sogenannte Sitzungssaal zu einer 3. Klasse umgebaut. Am 6. November 1949 konnte die renovierte Schule eingeweiht werden. 15 Jahre später erhielt das Gebäude eine Ölheizung.
Die Schulreform, die die Volksschulen bis auf wenige Ausnahmen auflöste und Primar- und Sekundarschulen einrichtete, bewirkte, dass 1969 die Klassen 5 bis 9 nach Erkelenz kamen und die Venrather Schule zur Grundschule wurde. Im Jahre 1973 wurde die Schule geschlossen. Die Grundschüler mussten zuerst nach Erkelenz, einige Jahre später dann nach Keyenberg zur Schule gehen.
Schulgebäude
Das 1. Schulgebäude bestand aus Lehmfachwerk. Das Schullokal befand sich im Erdgeschoss. Eine Lehrerwohnung war angeschlossen.5 Dieses Gebäude wird weder in der Schulakte noch in der Schulchronik näher beschrieben.
Das Gebäude von 1842 war ein zweigeschossiges Backsteingebäude in 9 Achsen. Die 2., 5. und 8 Achse enthielt eine Eingangstür zur Straße hin. Über den 3 mittleren Achsen befand sich ein Mittelrisalit mit Flachgiebel. Die Dachkonstruktion bestand aus einem Krüppelwalmdach. Im Inneren befanden sich im Parterre 2 Klassen und im 1. Stock der Gemeinderatssaal und Büroräume.
Beim Umbau 1949 blieb nur ein Eingang auf die Ostseite übrig. Die beiden anderen Türen verschwanden. Dafür wurden Fenster eingebaut. Die Klassen im Parterre wurden zu Langklassen, die Räumlichkeiten im 1. Stock zu einer Langklasse umgebaut. Das Gebäude besaß nun 3 Klassenräume. Die Schüler betraten das Gebäude vom Schulhof aus.
Nach der Schließung der Schule wurden die Räumlichkeiten von der katholischen Kirchengemeinde gekauft und zu einem Pfarrheim umgebaut. Dabei verlegte man den Eingang wieder in der Mitte des Gebäudes. Das Walmdach wurde zum Satteldach umgebaut.
Schüler und Unterricht
Die Aufzeichnungen der Schülerzahlen in der Schulchronik sind abhängig von der Schulsituation und der Sicht des Chronisten. Teilweise sind die Kinder von Kaulhausen und Etgenbusch in der Gesamtschülerzahl mitenthalten, teilweise werden sie explizit ausgewiesen. In den Jahren 1897 bis 1922 und 1935 bis 1939 besuchten auch Kinder aus Herrath die Venrather Schule. Herrath gehörte zur katholischen Pfarrgemeinde Venrath, so dass die katholischen Kinder hierhin eingeschult werden konnten. Von 1866 bis 1941 existierte in Kaulhausen eine einklassige Schule. Zeitweilig mussten auch Kinder aus Venrath hier unterrichtet werden, wenn die Schülerzahlen für eine zweiklassige Schule zu hoch waren.
Von 1930 bis 1936 und ab 1949 war die Schule dreiklassig, da immer zwischen 100 und 130 Kinder unterrichtet werden mussten. Ab 1969 ging das 5. bis 9. Schuljahr zur Erkelenzer Hauptschule, Venrath behielt die Grundschulkinder (1. bis 4. Schuljahr) bis zur Schulauflösung 1973 in zwei Klassen vor Ort.
Lehrer
In den rund 180 Jahren des Bestehens der Venrather Schule unterrichteten hier 48 Lehrerinnen und Lehrer. Über einen längeren Zeitraum, etwa ein oder mehrere Jahrzehnte, blieben nur 7 Lehrpersonen an der Schule (siehe Fettdruck in folgender Tabelle). Viele blieben nur für 1 oder 2 Jahre und halfen in Notsituationen aus, wenn Lehrer längerfristig krank waren oder die Klassen zu groß wurden. Die ersten Lehrer waren wie in anderen Orten auch in erster Linie Küster und hatten den Lehrerberuf nebenbei bei ihrem Vater gelernt. Die Verpflichtung, Lehrer und Küster zu sein, endete erst im Jahre 1912. In diesem Jahr wurde auch erstmals eine Frau als Lehrerin eingestellt. Diese Frauen mussten bis nach dem Zweiten Weltkrieg (per Verordnung bis 1951) unverheiratet sein und wurden als „Fräulein“ angeredet. Interessant ist auch die Tatsache, dass bis zum Zweiten Weltkrieg viele Lehrer als Aspiranten (Anwärter) angestellt waren. Das bedeutete, dass sie zwar studiert hatten, aber ihre Lehrerprüfung – das heutige 2. Staatsexamen – erst nach einigen Jahren Lehrertätigkeit ablegten. Nach dem Examen wurden sie dann häufig auf eine andere Stelle versetzt.
In den Zeiten der Zwei- und Dreiklassigkeit führte meist der Hauptlehrer die Oberklasse. Er war für die Schulgeschäfte und die Chronik verantwortlich.6
Die folgende Tabelle wurde aufgrund der Notizen in der umfangreichen Schulchronik zusammengestellt. Wenn dort der Vorname nicht genannt wird, so steht zumindest „Frl.“ für Fräulein und „Herr“ davor, damit man das Geschlecht erkennen kann. Die Lehrerinnen und Lehrer, die über ein Jahrzehnt an der Schule tätig waren, sind fett gedruckt.
Zeitraum | Name | Zeitaum | Name | Zeitraum | Name |
1796 – 1826 | Hilgers, Heinrich | 1908 – 1909 | Sittardt, Wilhelm | 1935 – 1936 | Sanders, Theodor (Hilfslehrer) |
1826 -1874 | Wimmers, Johann Martin | 1909 – 1910 | Böhmer, Heinrich | 1935 – 1936 | Thomassen, Wilhelm |
1852 – 1856 | Friesen, Peter Nikolaus | 1910 – 1935 | Peters, Franz | 1936 – 1941 | Schaffrath, Josef |
1856 – 1857 | Schiffer, Theodor | 1910 – 1922 | Coenen, Marie | 1941 – 1943 | Herr Kahl |
1857 – 1858 | Pillen, Johann Herrman | 1914 – 1916 | Latten, Fritz | 1943 – 1963 | Honnet, Valentin |
1858 – 1861 | Langen, Hubert Josef | 1916 – 1918 | Kaier, Maria | 1945 – 1946 | Müllender, Thomas |
1861 – 1862 | Schlecht, Christian | 1918 | Jacobs, Maria | 1945 – 1946 | Frl. Honnet |
1862 – 1866 | Burbach, Johann Peter | 1922 – 1923 | Dohmen, Hermine | 1949 | Weber, Günther |
1866 – 1910 | Becker, Martin | 1923 – 1926 | Demacker, Josephine | 1956 – 1959 | Frl. Schaaf |
1874 – 1876 | Corsten, Hubert | 1926 – 1928 | Peters, geb. Kaiser, Anna | 1956 – 1959 | Kleinert, Hans Joachim |
1876 – 1878 | Velten, Wilhelm | 1928 – 1929 | Moitzheim, Berta | 1959 – 1964 | Zimmermann, Elisabeth |
1878 – 1881 | Randerath, Johann | 1929 – 1956 | Nüsse, Maria | 1959 – 1965 | Froitzheim, Hermann Josef |
1882 – 1890 | Karsch Raimund | 1930 | Schieren, Paul (Hilfslehrer) | 1963 – Ende | Segschneider, Josef |
1890 – 1896 | Buschbell, Ludwig | 1930 – 1934 | Wirtz, Martin (Hilfslehrer) | 1964 – 1969 | Offermanns, Josef |
1896 – 1902 | Hammers, Joseph | 1934 – 1935 | Leufen, Leo (Hilfslehrer) | 1965 | Frl. Funken |
1902 – 1908 | Faßbaender, A. | 1935 | Sauer, Georg | 1967 – Ende | Rixgens, Hildegard |
- siehe zum Beispiel den Artikel zur Keyenberger Schule
- Lennartz, a. a. O., Seite 255 f,
- Schulchronik Teil I, a. a. O., Seite 35
- siehe Schulchronik Teil I, a. a. O., Seite 125
- siehe Lennartz, a. a. O., Seite 255
- Text von Wolfgang Lothmann 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 5. 1984. Josef Lennartz: Das Elementarschulwesen des 19. Jahrhunderts im heutigen Stadtgebiet Erkelenz. Seite 255 bis 260 ,
- Stadtarchiv. Schulchronik Venrath der Schule Venrath Teil I. E2/L/74 ,
- Stadtarchiv. Schul- und Dorfchronik Venrath Teil II. E2/L/75 ,
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