Bahnhof in Erkelenz

Entstehung der Bahnstrecke Aachen – Düsseldorf

Am 21. August 1846 erteilte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. eine Konzession für den Bau der Eisenbahnstrecke Düsseldorf – Oberkassel – Aachen. Die Streckenführung sollte zunächst Erkelenz nicht direkt berücksichtigen, sondern durch Kückhoven gehen. Das hatte technische, aber auch finanzielle Gründe. Schließlich beendete der Finanzminister 1848 den Streit und legte fest, dass die Streckenführung unmittelbar an Erkelenz vorbeiführen sollte. Allerdings hatte die Kreisstadt Erkelenz der Eisenbahngesellschaft unentgeltlich das Bahnterrain zur Verfügung zu stellen. Nach langen Verhandlungen zu diesem Punkt einigte man sich bezüglich der Kosten, so dass letztlich die Strecke Düsseldorf – Aachen durch Erkelenz führen konnte.1 Die „Aachen-Düsseldorfer-Eisenbahngesellschaft” begann den Bau, geriet aber in finanzielle Schwierigkeiten und wurde der „Königlichen Direktion der Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn“ unterstellt, die die Strecke ab 1850 weiterbaute. Das Streckenstück zwischen Rheydt und Herzogenrath, an dem Erkelenz liegt, konnte am 11. November 1852, also etwa 17 Jahre nach der 1. Strecke von Nürnberg nach Fürth, als eingleisige Bahnstrecke fertiggestellt werden.2

Entwicklung des Bahnhofs in Erkelenz

Zum Zeitpunkt der Eröffnung der Teilstrecke Rheydt – Herzogenrath existierte auch in Erkelenz bereits ein Bahnhof mit Empfangsgebäude. Angeschlossen war auch ein „Güterbahnhof mit Güterschuppen, Wagenschuppen und verschiedenen Rangier- und Abstellgleisen. Im Bahnhofsbereich war zusätzlich ein Kohlelager vorhanden.“3 Aufgewertet wurde der Bahnhof bereits im Jahre 1860 durch eine Telegrafenstation. Ende der 1860er Jahre begann der Ausbau des 2. Gleises auf der Strecke Aachen Düsseldorf. Wann der Bahnhof Erkelenz davon betroffen war, ist nicht bekannt.

Der Bahnhof Erkelenz hatte zunächst im Güterverkehr eine höhere Bedeutung als im Personenverkehr.4 So bekam etwa die Internationale Bohrgesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen zusätzlichen Gleisanschluss. Weitere zusätzliche Anschlussgleise folgten.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Wolfgang Lothmann | Grundriss Bahnhofsgelände 1903
Bahnhofsgelände um 1910
© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Wolfgang Lothmann | Zeichnung Bahnhof um 1900
Bahnhof um 1900

Das Empfangsgebäude war zweigeteilt. Es bestand aus einem Hauptgebäude und einem Anbau. Im Hauptgebäude befand sich der Wartesaal für die 1. und 2. Klasse und der Billettschalter, im Anbau der Wartesaal für die 3. und 4. Klasse und ein Gasthaus. Durch das Hauptgebäude betrat man nach einer Sperre den Perron (den Bahnsteig). Das Gebäude wurde von Josef Goertz nach den Erinnerungen seines 1835 geborenen Vaters genau beschrieben.

„Dem Hauptgebäude vorgelagert sehen wir einen niedrigen Bau, in dem der Wartesaal für die 3. und 4. Klasse untergebracht war, […]. Ein Lattenzaun in der Länge des Bahnhofsgebäudes trennte den ‚Perron‘, der nur mit gültigem Billett betreten werden durfte, von dem Vorgelände. […] Durch die Doppeltür des Hauptgebäudes erreichte man über einen Windfang einen großen Innenraum mit dem Fahrkartenschalter. […] Der Preis für 1 km Bahnfahrt betrug um die Jahrhundertwende 2 Pfennige. Mit dem Billett ging der Fahrgast durch den Wartesaal oder um das Gebäude herum bis zur Sperre. Durch eine Lattentür gelangte man auf den Perron, wir sagen heute Bahnsteig. Hinter der Tür stand der Billett-Knipper. Mit fachmännischem Blick überflog er die Zahlen und Worte des Billetts, lochte es vorschriftsmäßig, und der Reisende durfte den Perron betreten und dort auf den Zug warten. […] Werfen wir auch einen Blick hinein in den Wartesaal für die ‚effe‘ Bürger, die die 4. Klasse benutzten. Hinter mehreren langen Tischen standen noch längere Bänke, teilweise besetzt mit Männern, Frauen und mit Kindern, die auf den Zug warteten.“5 Nach Goertz Beschreibung muss auch weit vor der Jahrhundertwende ein Gastwirt im Vierte-Klasse-Gebäude gute Geschäfte gemacht haben: „lange vor der Jahrhundertwende stand als Bahnhofswirt Herr Pätz hinter der 6 m langen Theke im Wartesaal der 4. Klasse. Es muß wohl ein lukratives Unternehmen gewesen sein, den alten Vater löste nämlich sein Sohn Lorenz ab, der vorher als Hoteldirektor in großen Häusern tätig war.“6

Das Empfangsgebäude blieb bis zur völligen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nahezu unverändert.

Dass vom Bahngelände nach dem Angriff kaum noch etwas existierte, zeigt eine Aufnahme aus einem Film eines amerikanischen GI’s, leider in nicht guter Qualität.

© Dr. Heinz Pielsticker | Wolfgang Lothmann | Bahndamm nach Angriff 1945
Aufnahme des Bahngeländes im Jahre 1945. Ausschnitt aus einem Film über die Zerstörungen in Erkelenz. Copyright: Dr. Heinz Pielsticker

Im Jahre 1952 entstand das Gebäude, das auch heute noch existiert, aber im Laufe der folgenden Jahrzehnte renoviert und umgebaut wurde. Wegen der bevorstehenden Elektrifizierung der Strecke Mönchengladbach – Aachen begann die Deutsche Bahn im Jahre 1967 mit dem Bau eines neuen Bahnsteigs und eines Tunnels zu Gleis 2, der 1968 mit Einführung der Elektrifizierung vollendet wurde.7


Wie die Bahn im Zeitalter der Dampflok auf den Betrachter wirkte, konnte man am Erkelenzer Bahnhof im Juni 2023 erleben. Der Verein „Faszination Dampf e. V.“ präsentierte bei einer Nostalgiefahrt auf der Strecke Düsseldorf – Aachen die frisch instand gesetzte Dampflok 012 104-6. Unter großem Zuschauerinteresse machte der Zug im Bahnhof Erkelenz Halt. Hermann-Josef Heinen hat den Halt im folgenden Video dokumentiert.

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Wegen der Zunahme der Pendler überlegte man bereits im Jahre 1990 einen Umbau zu einem barrierefreien Bahnhof. Diese Überlegungen wurden aber erst zu Beginn der 2000er Jahre realisiert. Weil der Bahnhof durch die Stilllegung des Stellwerks und die Übernahme der Fahrdienstleitung durch das Elektronische Stellwerk in Grevenbroich im Jahre 2007 seine Stellung als Bahnhof verlor, musste der Zugang zu den Gleisen neu gestaltet werden, denn der Bahnhof galt seitdem nur noch als Haltepunkt. Alle zusätzlichen Gleise wurden abgebaut, so dass nur noch die Streckengleise mit den dazu gehörenden Bahnsteigen erhalten blieben. Die Bahnsteige erhielten Fahrkartenautomaten.
Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurden Aufzüge zu den Bahngleisen errichtet, die 2006 in Betrieb gingen. Im Oktober 2008 konnte der Mittelbahnsteig vollständig barrierefrei auch von der Rückseite erreicht werden.
In den Jahren 2000 bis 2002 wurde ein einstöckiges Parkhaus gebaut, das 2018 um ein Stockwerk erweitert wurde.

Da ein Haltepunkt kein Bahnhofsgebäude benötigt und das Gebäude sanierungsbedürftig war, suchte die Deutsche Bahn gegen Ende der 2000er Jahre einen Käufer für das Bahnhofsgebäude, einschließlich des angrenzenden Restaurants. Ende des Jahres 2011 waren die Bemühungen erfolgreich. Ein Erkelenzer Privatinvestor kaufte die Gebäudeteile und gestaltete sie in der Folgezeit um.

Es entstand ein Hotel- und Geschäftsgebäude. Die Deutsche Bahn mietete darin Räume als Reisezentrum. Der Zugang zu den Bahngleisen erfolgte nicht mehr durch die Halle, sondern seitlich des Gebäudes. Im Jahre 2013 konnte der Gesamtkomplex fertiggestellt werden.

Im Jahre 2019 wurden die Bahnsteige für die RRX-Triebzüge verlängert und erhöht, im Jahre 2021 erhielten sie eine neue Überdachung.

Bedeutung für den Bahnverkehr

Zunächst erhielt der Erkelenzer Bahnhof hauptsächlich eine Bedeutung durch den Schwerlastverkehr, da ursprünglich die Waren über Schienen transportiert wurden. Das änderte sich in den 1980er Jahren mit einer zunehmenden Verlagerung des Schwerlastverkehrs auf die Straße. Heute hat der Bahnhof eine große Bedeutung für den Personenverkehr. Er ist, bezogen auf die Personenbeförderungszahlen, der wichtigste Halt zwischen Aachen und Mönchengladbach-Rheydt8. Im Nahverkehr halten hier stündlich die Rhein-Niers-Bahn (RB 33) und der Wupper-Express (RE 4).9

Die steigenden Fahrgastzahlen hatten auch Auswirkungen auf das überregionale Halteangebot. Bis 1981 hielt in Erkelenz das D-Zugpaar 340/341, das zwischen Aachen und Berlin Friedrichstraße pendelte. Von 1992 bis 2002 hielten Interregio-Züge hier. Seit 2020 hält montags bis samstags zweimal am Tag ein ICE der Strecke Aachen – Berlin in Erkelenz.10

  1. siehe Josef Lennartz, a. a. O. Seite 25 f.
  2. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnstrecke_Aachen-Mönchengladbach (Stand: 07.2023) und Dieter Stumm, a. a. O., Seite 234
  3. http://www.gessen.de/bahnhof/erkelenz.html (Stand: 07.2023)
  4. siehe Josef Lennartz, a. a. O. Seite 11 ff. zum Bau von Bahnstrecken
  5. Josef Goertz: Erkelenz um 1900 – Bahnhof, Typoskript, Seite 2 – 3
  6. Siehe Goertz, a. a. O., Seite 3
  7. siehe Heimatkalender 1968, a. a. O., Seite 17
  8. siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bahnhof_Erkelenz (Stand: 07.2023)
  9. siehe auch http://www.gessen.de/bahnhof/erkelenz.html (Stand: 07.2023)
  10. Text von Wolfgang Lothmann 2023 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V., mit Dank an Hubert Rütten, Dieter Stumm und Günther Merkens für die Zuarbeitung.
  1. Wikipedia, Wikipedia Deutsch. https://de.m.wikipedia.org/, wiki/Bahnhof_Erkelenz (Stand: 07.2023)
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band. 20, 2006. Darin: Dieter Stumm: Die alte Brücke über die Eisenbahnstrecke bei Erkelenz-Tenholt, S. 232 - 244
  3. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Museumsschriften des Kreises Heinsberg. Heinsberg, Band 6, 1985. Josef Lennartz: Schienenwege im Rheinischen Grenzland. Ein Beitrag zur jüngeren Wirtschaftsgeschichte des Kreises Heinsberg
  4. Landkreis Erkelenz und Heimatverein der Erkelenzer Lande, Heimatkalender der Erkelenzer Lande. Erkelenz, 1968. Hans Schmitz: Chronik des Landkreises Erkelenz Seite 9 - 21
  5. unbekannter Autor, Internetseite. http://www.gessen.de/bahnhof/erkelenz.html (Stand: 07.2023)

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