Vorbemerkung
Niemand denkt heute mehr daran, dass der Wassergebrauch einmal eine recht mühsame Sache war. Das Wasser wurde entweder mit Eimern aus einem Brunnen geschöpft oder mit Hilfe einer Handpumpe zu Tage gefördert. Wenn es lange trocken war, konnte es passieren, dass kein Wasser zur Verfügung stand. In Erkelenz mussten die Brunnenbesitzer über 20 m tief bohren, um überhaupt an Grundwasser zu kommen. Wasser aus der Wasserleitung und zentrale Wasserförderung für einen Ort oder eine Stadt entstand erst mit der zunehmenden Industrialisierung um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert.
Der Bau des Wasserturms in Erkelenz ist unmittelbar mit der Errichtung eines Wasserwerks in der Stadt verbunden. Daher wird hier auch kurz auf die Geschichte der zentralen Wasserversorgung eingegangen.
Lage
Der Erkelenzer Wasserturm liegt im Osten der Kernstadt Erkelenz in Nordrhein-Westfalen, Deutschland, an der Neusser Straße. Neben dem Lambertiturm und dem Fernmeldeturm ist er mit 39,30 m Höhe (andere Quellen sprechen von 41,50 m, hier wird wahrscheinlich die Wetterfahne eingerechnet) das dritthöchste Gebäude der Stadt. Nähert man sich der Stadt, so sind diese drei Türme bereits von weitem zu sehen.
Geschichte
Errichtung eines Wasserwerks
Bereits im Jahre 1900 plante die Stadt Erkelenz die Errichtung eines Wasserwerkes. Es sollte nicht nur die manchmal unzureichende Wasserversorgung aus Brunnen und Pumpen für die rund 5500 Einwohner der Stadt ersetzen, sondern die aufstrebende Industrie der Stadt durch eine zentrale Wasserversorgungsanlage kontinuierlich mit Wasser bedienen. Die Entscheidung für das Wasserwerk und auch für eine Elektroversorgung verdankt die Stadt dem Weitblick dreier Persönlichkeiten der Stadtverordnetenversammlung: Bürgermeister Bernhard Hahn, Anton Raky und Wilhelm Terstappen.1 Letzterer wurde zum Vorsitzenden der Wasserwerkskommission im Jahre 1901 gewählt. Die Stadtverordnetenversammlung beschloss nach zähem Ringen seitens des Bürgermeisters im Jahre 1902 die Errichtung eines zentralen Wasserwerks. Nach verschiedenen Bohrungen erwies sich der heutige Standort an der Neusser Straße mit der zweithöchsten Erhebung der Stadt (99,07 m über NN) als der geeignetste Platz zur Errichtung des Wasserwerks mit einem Brunnen und einem Wasserturm, der für den notwendigen Wasserdruck sorgen sollte.
Bau des Wasserturms
Der Wasserturm wurde von dem Duisburger Wasserbauingenieur Schimpke geplant. Er leitete auch die Bauausführung. Parallel zu der Errichtung des Turmes musste der Brunnen gebohrt und das Leitungsnetz verlegt werden. Diese Arbeiten begannen am 21. Juli 1902. Der ganz aus Ziegelsteinen gebaute Brunnen wurde 34,90 m abgeteuft und ragte 9,10 m in das Grundwasser hinein. Nach einem halben Jahr konnten die Arbeiten am Brunnen und Turm bereits vollendet werden. Am 26. Februar 1903 nahm das zentrale Wasserwerk seinen Betrieb in Erkelenz auf. In der Chronik der Stadt Erkelenz heißt es dazu: Es wird „hiermit der in Erkelenz stets herrschenden Wassernot endgültig abgeholfen werden“.2
Geschichtlicher Verlauf
An das Wasserwerk wurden in der Folgezeit immer mehr anrainende Ortsteile angeschlossen, so dass die Fördermengen stetig stiegen. Förderte man 1910 etwa 115.000 m3 Wasser im Jahr, so stieg die Menge im Jahre 1968 bereits auf 700.000 m3. Das erforderte Erweiterungen des Pumpwerks und neue Förderbrunnen. Das Pumpwerk musste 1925 und 1968 verstärkt werden. In den Jahren 1968/69 und 1972/73 baute man bei Mennekrath zwei 30 m tiefe Kiesschüttungsbrunnen mit einer stündlichen Förderkapazität von 480 m3. Durch zunehmende Fördermengen des Wasserwerkes verlor der Wasserturm Anfang der 1970er Jahre seine Bedeutung als Wasserspeicher, behielt aber seine Rolle als Wasserdruckerzeuger. Der nahende Braunkohleabbau machte eine weitere Anpassung der Brunnen in den Jahren 1978 bis 1980 notwendig. In Mennekrath wurden zwei 80 m tiefe Brunnen gebohrt.
Im Jahre 1996 erfolgte eine Vollsanierung des Wasserturms. Bis 2004 blieb er in Betrieb. Im Jahre 2009 verkaufte das Wasserwerk den Wasserturm an eine Privatperson, die den Kopf des Turms (Wasserbehälterbereich) zu einer Wohnung hoch über der Stadt Erkelenz ausbaute, die über einen Aufzug zu erreichen ist. Der Umbau dauerte 3 Jahre (2010 bis 2013).
2008 wurde das Wasserwerk Erkelenz an das Kreiswasserwerk Heinsberg verkauft.
Bauwerk
Der Wasserturm gliedert sich in den 30,25m hohen Turmschaft oder Ständerteil und den 9,05 m hohen Behälter- und Dachteil. Der Turmschaft dient ausschließlich dazu, das Dachteil zu tragen. Das Mauerwerk des Turmschaftes besteht aus Ziegelsteinen, die außen verputzt sind. Der Querschnitt des Schaftes ist kreisrund und verjüngt sich von einem Durchmesser von 9,80 m am Boden bis zu 5,50 m in der Höhe. Die Mauerstärke beträgt am Schaftfuß 80 cm und verringert sich nach oben auf 45 cm. Insgesamt enthält der Turmschaft 6 Stockwerke, die durch Gurtgesimse unterteilt werden. Lange schmale Fenster sorgen über Tag für genügend Licht im Turmschaft. Eine Treppe, ursprünglich aus Holz, führt hinauf zum Behälterteil und verbindet die einzelnen Stockwerke. Nach dem Umbau 2013 kann man die Wohnung in diesem Teil auch durch einen Aufzug erreichen.
Das Behälterteil ragt über den Schaft seitlich hinaus und beinhaltete ursprünglich einen Intze-Wasserbehälter mit einem Fassungsvermögen von 200.000 l. Der Behälter bestand aus zusammengenieteten Stahlplatten, die auf einem Eisenring standen. Er war Wasserreservoir und Wasserdruckerzeuger gleichzeitig. Zwischen Turmwand und Wasserbehälter führt eine schmale Leiter zum oberen Rand des Behälters.
Nach dem Verkauf wurde der Behälter aufwendig demontiert und das Behälterteil zu einer etwa 120 m2 großen Wohnung ausgebaut. Im Schaft befinden sich im unteren Bereich zudem noch ein Arbeitszimmer, 2 Gästezimmer, ein Waschmaschinen- und Bügelraum.3 Beim Umbau mussten die Auflagen der Denkmalschutzbehörde berücksichtigt werden, was zu Konzessionen bei den Fensterelementen führte. Das zylindrische Kopfteil wird durch ein zeltförmiges Dach und eine Wetterfahne abgeschlossen.
Der neue Besitzer hat sicherlich den schönsten Ausblick über das gesamt Stadtgebiet.4
- siehe Friedel Krings: Der Wasserturm der Stadt Erkelenz, a. a. O., Seite 104
- Friedel Krings: Der Wasserturm der Stadt Erkelenz, a. a. O., Seite 105. Die Aussage zur Wassernot in Erkelenz bezieht sich auf die schwierige Situationen der Brunnenbesitzer, das Wasser aus großen Tiefen zu befördern.
- siehe Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz Flyer 28
- Text von Wolfgang Lothmann 2021 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Rheinische Post online. https://rp-online.de/, vom 12.09.2021. Mario Emonds: Neue Blicke über Erkelenz (Stand: 08.2021) ,
- Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1983. Friedel Krings: Der Wasserturm der Stadt Erkelenz. Seit 1903 Wahrzeichen zentraler Wassserversorgung. Seite 103 bis 107 ,
- Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz - eine Sammlung von Flyern. Flyer 28, 2021. Hans Josef Broich: Der Erkelenzer Wasserturm ,
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