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Industrialisierung in Erkelenz

sonstiger Name: Beginn der Industrialisierung
1825 bis 2023

Die Ausgangslage

Bis Anfang des 19. Jahrhunderts war in Erkelenz das Kleingewerbe und die Landwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage. Im Erkelenzer Umland gab es etliche Hauswebereien, die insbesondere für Fabriken in Gladbach und Rheydt arbeiteten. Im Jahre 1861 waren im Erkelenzer Land 4.744 Webstühle in Betrieb. 1

Erste industrielle Ansätze in bescheidenem Umfang gab es ab dem Jahre 1825. Im Jahre 1852 wurde Erkelenz an die Bahnstrecke Aachen–Mönchengladbach angeschlossen und erhielt außer einem Bahnhof für die Personenbeförderung einen Güterbahnhof mit Rangiergleisen, Ablaufberg und Drehscheibe. Das erhöhte Verkehrsaufkommen zum Bahnhof Erkelenz machte den chausseeartigen Ausbau der aus vier Himmelsrichtungen auf die Stadt zulaufenden Straßen erforderlich. Eisenbahn und die neuen Straßen beschleunigten die weitere industrielle Entwicklung in Erkelenz.

Fast paralell zur Industrielisierung erfolgte in Erkelenz die Entwicklung zum Baumschulzenrum.

Beginn der Industrialisierung

Stecknadelfabrik Andreas Polke

Erste Nachricht über so etwas wie einen Industriebetrieb gibt es aus dem Jahr 1827, in dem der Landrat Beermann von der „Stecknadelfabrik“ Polke sprach. Um 1825 ließ sich Andreas Polke aus Ratibor in der Stadt nieder und gründete eine Stecknadelfabrik. Der benachbarte Aachener Raum war zu damaliger Zeit in diesem Gewerbe führend. 1841 beschäftigte Polke in seiner Manufaktur 73 Arbeiter, darunter 35 Kinderarbeiter unter 14 Jahren; für die schulpflichtigen unter ihnen unterhielt er eine Fabrikschule. Stecknadeln wurden bis etwa 1870 in Erkelenz gefertigt.

Tuchfabrikation J. B. Oellers

Im 19. Jahrhundert existierte vor allem in den umliegenden Dörfern die Handweberei an Webstühlen. Die mechanischen Webstühle verdrängten so ab 1850 die Handwebstühle. In Erkelenz begann die industrielle Epoche der Weberei mit der Einführung mechanischer Webstühle für die Tuchfabrikation, im Jahre 1856 gründete Johann Bernhard Oellers aus Venrath die Mechanische Weberei J.B. Oellers.

Oellers baute um 1877/78 ein großes Wohnhaus an der Bahnhofstraße (heute Kölner Straße) und erwarb gleichzeitig große Grundstücksteile hinter diesem Haus. In den folgenden Jahren baute Oellers dort seine Rockstofffabrik auf. Die Fabrikräume entstanden hinter der damaligen Tonhalle entlang der Gasse, dem heutigen Parkweg. Die Fabrikhalle hatte mit 50 x 18 Metern und 13 Metern Firsthöhe eine beachtliche Größe. 70 Webstühle der Firma Monforts aus Mönchengladbach wurden von 120 Männern und Frauen aus den umliegenden Dörfern bedient, die zuvor als Heimweber gearbeitet hatten. Dazu kamen noch 20 kaufmännische Angestellte.

© Archiv Heimatverein | Friedel Krings | I.B.-Oellers

Ehemaliges Fabrikgebäude von I.B. Oellers, um 1988

Hinter der Fabrikhalle baute Oellers das Maschinenhaus, in dem eine Dampfmaschine für die erforderliche Kraft zum Antrieb des Generators sorgte. Später wurde in Richtung Hermann-Josef-Straße noch ein Büro- und Versandhaus gebaut. 2

J.B. Oellers war Ratsherr in Erkelenz von 1895–1904.

© Heimatverein | unbekannt | Bernhard Sieben

Oellers, der ledig war, starb am 08.01.1904, sein Neffe Bernhard Sieben übernahm die Leitung der Fabrik. Sieben war schon vorher für die Firma als Verkaufsleiter tätig. Neben den Kleiderstoffen, insbesondere Unterrockstoffe, gehörten auch Steppdeckensatins zum Fertigungsprogramm. Sieben bereiste persönlich im Frühjahr und Herbst mit einer Musterkollektion mit Eisenbahn, Pferd und Wagen und zu Fuß seine Absatzgebiete, überwiegend in der Eifel. 3.

Ab etwa 1900 produzierte I.B. Oellers Moire für die sogenannten „rachelnden Unterröcke“. Diese Stoffe wurden u.a. an Großhändler verkauft, aber auch an Kaufhäuser in Berlin, Düsseldorf und Köln. 4

Erster Weltkrieg, die Besetzung danach und der passive Widerstand führten 1923 zur Stilllegung der Fabrikation. Ab 1924 wurde dann wieder produziert, aber die Weltwirtschaftskrise trafen dann das Unternehmen so sehr, dass im Jahre 1929 die Fabrikation eingestellt wurde. Lediglich das Verkaufsunternehmen wurde weitergeführt. Sieben starb am 15.03.1941, seine Grabstätte ist immer noch auf dem Alten Friedhof in Erkelenz.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | Anzeige J. B. Oellers, 1952

Im Jahre 1937 übernahm der Schwiegersohn von Sieben, Julius Daltrop, die Firma. Dieser begann dann eine Steppdecken-fabrikation und gründete ein Betten-Spezialgeschäft. Dieses besteht heute noch und wird in der Familientradition von der Enkelin unter dem Namen „Betten Wirtz“ geführt.

© Archiv Heimatverein | unbekannt (Postkarte) | Stadtpark-etwa-1930

Oellers war in seinem arbeitsreichen Leben zu beachtlichem Wohlstand gekommen. Neben dem schon erwähnten Wohnhaus baute er daneben noch drei weitere große Häuser. Der Grundbesitz erstreckte sich zwischen der Allee Straße (heute Anton-Raky-Allee), der Hermann-Josef-Gormanns-Str. und der Hindenburgstr.(heute Kölner Str.). Dazu gehörten insgesamt vier Häuser.

Auf dem Land hinter diesen Häusern legte er einen Park an. Dieser Park war eine Sehenswürdigkeit. Hier konnten die Besucher Sträucher, Pflanzen, exotische Bäume, Gartenpavillons und Teiche mit Brücken besichtigen. Grotten aus Lavasteinen und Wasserbecken bildeten ein abwechslungsreiches Ensemble. Insbesondere im Jahre 1900 war eine über drei Meter hohe Agave Anziehungspunkt, die an den Kirmestagen von der Erkelenzer Bevölkerung besichtigt werden konnte.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | unbekannt | Erkelenz Kaiserstraße

Im Jahre 1901 wurde eine Erschließungsstraße zwischen Allee-Straße und Hermann-Josef-Straße geplant. Den Antrag dazu stellten der Gutsbesitzer Jansen vom Nierhof und der Kaufmann Bernhard Oellers. Der Ausbau dieser Straße erfolgte 1904, sie erhielt den Namen „Kaiser-Straße“ (heute Theodor-Körner-Straße). Diese Straße wurde auf der linken Seite in Richtung Bahnhof kurz danach mit prächtigen Bürgerhäusern bebaut.

Hier baute u.a. der Juniorchef Walter Müller der Fabrik von Plüsch-Müller im Jahre 1905 ein repräsentatives Haus -Architekt war Wilhelm Maack, der die Evangelische Kirche gebaut hatte-, das Haus steht heute noch (Hausnummer 21). Im Jahre 1913 kaufte Franz Peters von der Firnisfabrik Peters ein Haus.

Als die Fabrik 1929 in Konkurs ging, kaufte der Erkelenzer Arzt Dr. Sels die Fabrikgebäude und baute sie überwiegend zu Wohnungen um. Der Maschinenbaubetrieb von Josef Helpenstein siedelte sich nach dem 2. Weltkrieg in einem Gebäudeteil an. Später wurde der Betrieb ausgelagert. Um 2020 wurde der gesamte Gebäudekomplex abgerissen und durch Wohnbauten ersetzt.

Ende der 1930ziger Jahre übernahm die Stadt Erkelenz den Park und machte ihn der Bevölkerung zugänglich. Und so ist es heute noch.5

Plüschfabrik Karl Müller

Seit 1872 existierte die mechanische Plüschweberei Karl Müller (heute Ecke Kölner Straße – Heinrich-Jansen-Weg). Müller hatte zunächst in der Oerather Straße, dann in der Bellinghover Straße gewohnt und war danach zur Bahnstraße (heute: Kölner Straße) gekommen, wo er um 1890 seine Villa baute (das Haus wurde 1979 abgebrochen). Um 1900 baute er hier seinen Betrieb hinter der Villa (am heutigen Heinrich-Jansen-Weg) aus und beschäftigte 60 Arbeiter. Im Bergischen Land und im Rhöngebiet arbeiteten damals weitere rund 400 Handweber für den Erkelenzer Hauptbetrieb. Nach dem Konkurs der Firma übernahm Arnold Koepe 1910 Haus und Fabrik und richtete eine mechanische Werkstatt ein.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | unbekannt | Koelner-Str. Haus Koepe
Die Villa von Plüsch Müller/Koepe in den 1960iger Jahren, 1979 durch einen Neubau ersetzt.

Leimfabrik Hermes

An der Ziegelgasse gab es zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Leimfabrik (Gründungsdatum ist nicht bekannt). 1884 schloss die Stadt einen 10-Jahresvertrag mit dem Besitzer Dr. Hermes, der 1893 auf weitere 10 Jahre verlängert wurde. Gegen einen Pachtzins von 220, dann 240 Mark erwarb er das Recht, dem Ziegelweiher Wasser zu entnehmen und Kalkwasser der Leimfabrik zuführen zu dürfen. Dieser Vertrag wurde 1903 noch um 3 Jahre verlängert. Inzwischen war die Fabrik in den Besitz der Herren Hennehsen und Jansen aus dem heutigen Mönchengladbach übergegangen. Mit dem neuen Vertrag, der 1906 fällig wurde, ging die Fabrik an die Firma Priester aus Köln über. Die Leimfabrik beschäftigte im Jahre 1900 zwölf, 1906 zwanzig Arbeiter. 1926 übernahm die Stadt selbst den Betrieb und erzielte im ersten Halbjahr nach der Übernahme einen Gewinn von 4018,58 Mark. Es ist nicht bekannt, wie lange die Leimfabrikation fortgesetzt wurde.

1930 wurden die Gebäude an die Firma Zillekens (Getreide und Futtermittel) verpachtet. Nach dem 2. Weltkrieg war dort bis 1977 der städtische Bauhof. Danach wurden die Gebäude abgerissen und durch ein Wohnhaus ersetzt.

© ammlung Lucie Hoogen | unbekannt | Hermes und Peters an der Ziegelgasse
Rechts die Leimfabrik Hermes und links die Firnisfabrik Peters an der Ziegelgasse

Firnisfabrik Franz Peters

Ein bescheidenes Unternehmen gegenüber der Leimfabrik war die Firnisfabrik des Franz Peters. An diese erinnert der heute noch stehende Schornstein an der Ecke zum Ziegelweiherpark. Hier wurden Firnisse und Farbstoffe hergestellt. Der Betrieb beschäftigte im Jahre 1900 drei, 1906 zwei Arbeiter. Mit der Inflation und dem Tod des Besitzers löste sich die Firma 1923 auf.

© Günther Merkens | Wilhelm Schmitter | Burg und Kirche
Im Vordergrund die ehemalige Firnisfabrik Franz Peters, etwa 1940

Textilfabrik Gottfried Halcour

1897 baute der Kaufmann Gottfried Halcour, der aus Kuckum stammte, jenseite der Eisenbahn an der heutigen Neußer Straße eine Textilfabrik, die sich Michels & Halcour nannte. Michels, ein früherer Partner von Halcour, war aber an der neuen Firma nicht beteiligt, er war schon seit Jahren verstorben. 6 Auffallend waren die Produktionshallen (etwa 2.000 m2) mit den Shed-Dächern. Eine Danpfmaschine sorgte für Strom und den elektrischen Antrieb der etwa 100 Webstühlen mit 78 Beschäftigten. Die Maschinenweber kamen -wie bei Oellers- aus den umliegenden Orten. Produziert wurden überwiegend Damenoberbekleidungsstoffe und -wie Oellers- Moire für Unterröcke für Großkonfektionäre in Berlin, Hamburg und München.

Nach Aussagen der Tochter, Netta Becker, ging das Betriebsgelände von der Straße in Richtung Kückhoven (am ehemaligen Bahnübergang) bis zum Jüdischen Friedhof.7 Das kann aber nicht richtig sein, denn neben dem Jüdischen Friedhof bestand schon seit 1893 die Firma Tholen & Drießen (später Strauss und Overlack).8 Mit 6.000 m2 war das Gelände schon groß, wie auch die Aufnahme aus späterer Zeit zeigt.

Halcour war im Jahre 1912 einer der Gründer des Tennisclubs, die Plätze befanden sind an der Südpromenade. Im Jahre 1921 übernahm er den Vorsitz im Turnverein. Im Jahre 1918 kaufte Halcour das Haus Spiess, das sich wohl in einem schlechten Zustand befand, es wurde aufwändig restauriert.

Die Firma florierte bis weit in den ersten Weltkrieg, u.a. mit Heeresaufträgen. Ende 1917 mußte die Produktion wegen Rohstoffmangel eingestellt werden, 1919 wurde sie wieder aufgenommen. Eine schwierige Zeit waren das Krisenjahr 1923. 9

Halcour produzierte überwiegend für jüdische Kunden. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1933 endete diese Absatzquelle schlagartig. Eine Produktion für die Nationalsozialisten lehnte Halcour ab, so dass die Firma 1934 in Konkurs ging. Auch das Haus Spiess musste verkauft werden. So jedenfalls die Tochter Netta Becker,10

© HMFD | Halcour/Kraftverkehr
Die Aufnahme aus den 1950er Jahren zeigt das ehemalige Betriebsgelände von Halcour und den damaligen Betriebshof der Kraftverkehr

Im Jahre 1934 wurde die Kraftverkehr GmbH gegründet, die in den ehemaligen Produktionshallen ihren Betrieb einrichtete. Ein anderer Teil des Geländes wurde für einen Landhandel genutzt. Die Kraftverkehr blieb hier bis zum Neubau des Betriebsgeländes in den 1960iger Jahren an der Graf-Reinald-Straße.

Danach übernahm die Werkzeugmaschinenfabrik W. Hegenscheidt KG (heute HEGENSCHEIDT-MFD) die Gebäude der vormaligen Halcour’schen Fabrik – zuletzt Leonard Schiffer und Kraftverkehr Erkelenz -. In der ersten Aufbaustufe wurde 1964 das neue Verwaltungsgebäude fertiggestellt und 1966 eine große Montagehalle in Betrieb genommen. Seitdem konnte die 1948 aus dem Oberschlesischen Ratibor nach Erkelenz gekommene Firma ihren Betrieb immer mehr ausbauen.

Zur Erinnerung an Franz Halcour wurde eine Stichstraße von der Alfred-Wirth-Straße nach ihm benannt.

Internationale Bohrgesellschaft

Der wohl wichtigste Schritt in das Industriezeitalter fand 1897 statt, als der Industriepionier Anton Raky die Zentrale der von ihm gegründeten Internationalen Bohrgesellschaft von Straßburg nach Erkelenz verlegte.

© Heimatverein | IBG 1905

Seit 1896 bestand in Erkelenz eine kleine Reparaturwerkstatt der Firma. Für Erkelenz als Nebenstandort, dann als Hauptsitz der IBG, sprachen mehrere Gründe. Zum einen lag Erkelenz äußerst günstig im Dreieck zwischen dem Aachener Revier, dem aufstrebenden Ruhrgebiet und dem belgischen Pays Noir. Alle drei waren Kohleabbauregionen. Die gute Lage wäre jedoch nutzlos gewesen ohne Verkehrsanbindung. Aber seit dem 11. November 1852 hatte Erkelenz Anschluss an das Eisenbahnnetz.

In der kleinen Erkelenzer Reparaturwerkstatt wurden zunächst die in Straßburg gefertigten Bohrgeräte instandgehalten, dann aber wurde der Ausbau des neuen Standortes schnell vorangetrieben. Offiziell war Erkelenz seit 1902 Hauptsitz des Unternehmens. Gleichzeitig mit dem Beschluss zur offiziellen Verlegung des Firmensitzes schied Heinrich Otto Seib aus dem Vorstand. Beides dürfte im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktienmehrheit durch den A. Schaaffhausen’schen Bankverein stehen. In dieser Zeit begann Raky auf eigene Rechnung Bohrungen vorzunehmen. Die bei der IBG hergestellten Bohrtürme wurden selbst genutzt und nicht an andere Bohrunternehmer verkauft.

Raky legte Wert auf eigene Fertigung aller benötigten Teile. 1905 bestanden in Erkelenz folgende Abteilungen: Dreherei, Schlosserei, Schmiede, Werkzeugmacherei, Modellschreinerei und Gießerei. Ein Sägewerk produzierte die Transportkisten, Balken und Bretter für die Außenhüllen der Bohrtürme. Auch der Maschinenpark entsprach dem neuesten Stand der Technik, es gab eine Elektrozentrale und eine eigene Wasserversorgung.

Die Mitarbeiterzahl der IBG stieg ständig, so wurden im Jahre 1906 70 leitende Angestellte und 355 Arbeiter beschäftigt. Auf den Bohrtürmen im In- und Ausland waren mindestens 500 Personen tätig.

Im Jahre 1907 kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Raky und dem Schaaffhausen’schen Bankverein. Raky wollte die Bohrtätigkeit auf Russland ausdehnen, der Schaaffhausen’sche Bankverein war dagegen. Es kam zur Trennung, Raky verließ die IBG und Erkelenz.11

Bis 1916 gelangte die Bohrabteilung mit dem Bohrpark an die Deutsche Erdöl-AG (DEA), und als diese dann im selben Jahr die Maschinen- und Bohrgerätefabrik in Erkelenz schließen wollte, kauften die Unternehmer Otto Wolff aus Köln und Alfred Wirth die Firma auf und führten sie unter der Leitung von Alfred Wirth als „Maschinen- und Bohrgerätefabrik Alfred Wirth & Co.“ weiter, produzierten jetzt aber nur noch Bohrgeräte. Diese Firma, wenn auch mit wechselnden Eigentümern, besteht immer noch in Erkelenz, zur Zeit unter dem Namen „HMH“ .

Dampfmalzfabrik Warlimont

Im Jahre 1898 wurde auf der Hermann-Josef-Straße (Heute Hermann-Josef-Gormanns-Straße) neben der Molkerei eine Dampfmalzfabrik gebaut. Gründer und Bauherr dieser Mälzerei waren die Brüder Jean und Josef Warlimont (er betrieb seit 1880 mehrere Gerbereien in Erkelenz), von denen Jean, gelernter Braumeister, aus Eupen stammend, die technische Leitung inne hatte. Die Vielzahl von Brauereien und Wirtschaften im Erkelenzer Raum schien einem großen Unternehmen eine sichere Grundlage zu bieten. Außer Braumalz wurde auch Malzkaffee produziert. Im ersten Weltkrieg wurde auch Dörrobst und -gemüse produziert.

Kernstrück des Gebäudes war der 22 Meter hohe siebengeschossige Mälzturm mit drei Mälztennen. Davor stand ein Maschinenhaus mit einer starken Dampfmaschine, die u.a. einen Dynamo zur Versorgung mit Strom antrieb.

Verschiedene staatliche Auflagen dezimierten die Zahl der Brauereien stark. Die Brüder konnten trotzdem noch erfolgreich arbeiten. Im Jahre 1928 beendete dann die Weltwirtschaftskrise die Existenz der Firma. 12

In der ehemaligen Malzfabrik waren im und nach dem Zweiten Weltkrieg eine Fahrscheindruckerei und eine Kartonagenfabrik (Firma Lucas), bis das im Krieg stark beschädigte Gebäude schließlich dem Ausbau der Molkereigenossenschaft und der Landkredit Erkelenz weichen mußte.

© Archiv Heimatverein | unbekannt | Molkerei

Links neben der Molkerei ist die Dampfmalzfabrik zu sehen.

Möbelfabrik Hubert Ferrier

Hubert Ferrier begann 1904 auf der Mühlenstraße mit dem Bau seiner Möbelfabrik, die nach zahlreichen An- und Ausbauten 1972/73 an der Jülicher Straße einen Neubau bezog. Die Firma besteht nicht mehr. 13

Mechanische Fabrik Arnold Koepe

Arnold Koepe (geb. 4.6.1874) studierte in Aachen Bergbau, von wo ihn Anton Raky 1899 in sein Erkelenzer Werk holte. Arnold Koepe wurde der technische Direktor der Internationalen Bohrgesellschaft. 1910 schied er aus der IBG aus und richtete in dem von ihm übernommenen Betrieb der früheren Müller’schen Plüschweberei (heute Ecke Kölner Straße/Heinrich-Jansen-Weg) eine mechanische Werkstatt zur Herstellung von Förderwagen für den Bergbau ein. Im Kriege 1914/18 wurden dort Granaten gedreht und bis zu 150 Arbeiter beschäftigt. Betriebsführer wurde 1916 Ferdinand Clasen, dem Koepe nach dem Krieg den Betrieb überließ. 1920 wurde daraus die Erkelenzer Maschinenfabrik an der Bernhard-Hahn-Straße.

Zur Erinnerung an Anold Koepe wurde die Verbindungsstraße zwischen Kölner Straße und Wockerather Weg nach ihm benannt.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande | unbekannt | Haus Koepe
Villa und Garten Koepe an der Kölner Straße, links oben sind die gewerblichen Bauten zu erkennen. 1979 wurde alles abgerissen und durch Neubauten ersetzt.

Maschinenfabrik Ferdinand Clasen/Erkelenzer Maschinenfabrik

Ferdinand Clasen, der Gründer der Erkelenzer Maschinenfabrik, wurde 1887 in Siegburg-Mülldorf geboren. Nach dem Studium wirkte er zunächst als leitender Ingenieur in mehreren Großbetrieben. 1916 wurde er – vom Kriegsdienst nach Verwundung freigestellt – Leiter der Koepe’schen Fabrik in Erkelenz. In dieser mechanischen Werkstatt wurden vor allem Förderwagen für den Bergbau gebaut, doch gab es im Krieg dort auch eine Granatendreherei, die bis zu 150 Arbeiter beschäftigte. Hier also war Clasen zunächst Betriebsführer und übernahm die Fabrik kurz nach dem Kriege. 1920 gründete er hinter dem Schlachthof, zwischen der Bahnlinie und der verlängerten Bernhard-Hahn-Straße, sein eigenes Unternehmen: die Erkelenzer Maschinenfabrik mit zunächst 25 Mitarbeitern. Die junge Firma überstand Inflation und Wirtschaftskrise. Bis zum zweiten Weltkrieg konnte sie sich wesentlich vergrößern. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Produktion im wesentlichen auf Förderanlagen umgestellt.

Die Firma existiert heute noch unter dem Namen EME und arbeitet im wesentlichen für die Glasindustrie.

Zur Erinnerung an Ferdiand Clasen wurde die Verbindungsstraße zwischen der Alfred-Wirth-Straße und der Düsseldorfer Straße nach ihm benannt.

© (c) Stadtarchiv Erkelenz | Stadtarchiv Erkelenz | Erkelenzer Maschinenfabrik um 1920
Die Maschinenfabrik Ferdinand Clasen an der heutigen Ferdinand-Clasen-Straße, etwa 1925
14


  1. Friedel Krings, a. a. O., Seite 107
  2. Friedel Krings, a. a. O., Seite 111
  3. Alter Friedhof Brückstraße, https://erkelenz-heimatverein.de/wp-content/uploads/2022/03/alter-friedhof.pdf, Seite 97
  4. Friedel Krings, a. a. O., Seite 111
  5. Josef Lennartz, „Die Geschichte einer Erkelenzer Straße, 1976, Seiten 9, 14 bis 16, Eigenverlag
  6. Friedel Krings, a. a. O., Seite 111
  7. Maria Meurer, a.a.O., Seite 40
  8. Josef Lennartz, a. a. O., Seite 128
  9. Friedel Krings, EVZ, „Alt-Erkelenzer Bürger- und was sie leisteten“
  10. Maria Meurer, ebenda
  11. Ann-Katrin Stucken, a.a.O.
  12. Friedel Krings, EVZ, „Alt-Erkelenzer Bürger- und was sie leisteten“
  13. Josef Lennartz, a. a. O., Seite 126
  14. Text von Günther Merkens, 2023, unter Verwendung der Informationen von Josef Lennartz/Theo Görtz, a.a.O.
  1. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 3: Josef Lennartz/Theo Görtz: Erkelenzer Straßen
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 25: Ann-Katrin Stucken "Das Leben des Tiefbaupioniers Anton Raky"
  3. Maria Meurer, ERKELENZ PRIVAT 1920-1970. Sutton Verlag, Erfurt, Erfurt, ISBN: 3-89702-183-8, 2000
  4. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1989, Friedel Krings "Frühindustrielle Anfänge in Erkelenz" Seite 106 ff

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