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Ferdinand Clasen

⁎ 1887 † 30.12.1966
ab1920 Fabrikant
sonstiger Name: Fabrikant der Erkelenzer Maschinenfabrik
1887 bis 1966

Vorbemerkung

In den ersten drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg stieg nicht nur die Bevölkerung stark an, es entstanden neben den Traditionsunternehmen der Stadt auch neue Gewerbebetriebe oder es gab Betriebserweiterungen; beides erforderte größere Flächen. Diese Entwicklung führte dazu, dass  die Neusser Straße und die Bernhard-Hahn-Straße durch den Bau einer neuen Straße verbunden werden mussten. In seiner Sitzung vom 30. März 1976 schlug der Bezirksausschuss Erkelenz vor, diese neue Straße „nach dem Firmengründer der in der Nähe liegenden Erkelenzer Maschinenfabrik zu benennen“.1 Der Straßenname Ferdinand-Clasen-Straße würdigt so – knapp 10 Jahre nach seinem Tod – den Ingenieur und Unternehmer Ferdinand Clasen.

Leben

Ferdinand Clasen wurde 1887 in Siegburg-Mülldorf  als Sohn des Gutsbesitzers  Wilhelm Clasen geboren. Die Familie Clasen muss in Mülldorf, das heute zu St. Augustin gehört, zu den begüterten Familien gehört haben.

Nach seinem Studium und ersten beruflichen Stationen wurde Ferdinand Clasen mitten im 1. Weltkrieg Leiter der Koepe`schen Fabrik, die Förderwagen für den Bergbau herstellte, aber kriegsbedingt als Granatendreherei fungierte. Hier sollen bis zu 150 Arbeiter beschäftigt gewesen sein.

1920 gründete Ferdinand Clasen die Erkelenzer Maschinenfabrik. Er wurde mit diesem Schritt zum selbstständigen Erkelenzer Unternehmer und firmierte im Einwohner-Adressbuch von 1927 als:

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Adresseintrag

Clasen, Ferdinand, Direktor der Erkelenzer Maschinenfabrik, Südpromenade 5.

Ferdinand Clasen war verheiratet mit Elisabeth Hahn, die aus einer alt eingesessenen Erkelenzer Familie stammte. Sie war die Tochter des Sanitätsrats und 1. Beigeordneten der Stadt Erkelenz Dr. Franz Hahn und dessen Ehefrau Anna-Maria Fischer-Brandts.

Das Ehepaar Clasen hatte vier Söhne. Diese besuchten alle das Erkelenzer Gymnasium, machten ihr Abitur und blieben mit der Studien- und Berufswahl nah an der Familientradition: Rechtswissenschaft, Ingenieurwesen oder Kaufmann – auch wenn der eingeschlagene Studienweg und der individuelle Wunsch nicht bei jedem übereinstimmte. Der Sohn Wilhelm, gefallen am 22. Juni 1942, zeigt in einem Privatbrief seinen Zwiespalt zwischen dem pflichtgemäßen Studium und seiner persönlichen Studienneigung. So stehe er dem Jurastudium „nicht gerade uninteressiert, aber doch ohne viel, Begeisterung“2 gegenüber. Nach abgeschlossenem Jurastudium und Promotion solle sich ein Studium der Philosophie mit dem Berufswunsch Bibliothekar oder Journalist anschließen. Über seinen Vater Ferdinand Clasen schreibt der Sohn: „Er ist [bis auf die Berufswahl] sehr vernünftig und ist leider nur der Ansicht, die in Kreisen der Industrie wie auch in anderen daheim ist, daß der Philosoph zwar ein netter Mensch sein könne, aber weltabgewandt, unproduktiv und unordentlich, im Höchstfall noch gewaschen!“3

Wilhelm Clasen notierte 1940, dass sein Vater „in der Industrie aus begreiflichen Gründen mit Hochdruck arbeiten“ müsse. Die Aussage ist vor dem Hintergrund des 1936 von Hitler verkündeten zweiten „Vierjahresplan“ zu lesen. Mit dieser politischen Zielvorgabe endete die Zeit der Autonomie in der Wirtschaft. Staat und Partei griffen dirigierend in den Produktionsprozess ein. Die Produktion von Rüstungsgütern (einschließlich Zulieferprodukten) stieg sehr stark an, demgegenüber war die Konsumgüterindustrie stark eingeschränkt. Aufgestellte Wirtschaftspläne richteten sich am Rüstungs- und Autarkiebestreben Hitlers aus, und so diente die Ausrichtung der Wirtschaft der Absicherung der außenpolitischen Ziele. 1933 waren 4% des Staatshaushaltes Ausgaben für Rüstung und Militär; im Jahr des Kriegsbeginns 1939 waren es dagegen ca. 50% des Staatshaushaltes. Es ist also mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die Erkelenzer Maschinenfabrik keine eigenen Produktionen verfolgen konnte, sondern sich mit staatlichen Setzungen konfrontiert sah. 1941 hat Ferdinand Clasen wohl das Kriegsverdienstkreuz erhalten, eine Auszeichnung für Zivilisten – also Personen, die in keinem Militärdienstverhältnis standen.  

Drei seiner Söhne überlebten den Kriegseinsatz im Zweiten Weltkrieg. Als Unternehmer musste Ferdinand Clasen nach dem Krieg seinen Betrieb neu organisieren und für die Zukunft aufstellen. Sein jüngster Sohn Gert Clasen folgte seinem Vater in der Unternehmensleitung.  Ferdinand Clasen starb am 30. Dezember 1966. Auf der Grabstätte der Familie Clasen auf dem Friedhof an der Brückstraße ist heute kein Namenshinweis mehr vorhanden.

Das Unternehmen

Ferdinand Clasen hatte bei Gründung seines Unternehmens ca. 25 Beschäftigte. Aus der ehemaligen Präzisionszieh- und Walzgesellschaft Koepe sei die Erkelenzer Maschinenfabrik entstanden, welche „außer Maschinenteile hauptsächlich Blech- und Eisenstahlkonstruktionen, vornehmlich für den Bergbau, herstellte“, beschrieb Gert Clasen die Entwicklung der Firma beim Neujahrsempfang der Stadt Erkelenz am 2. Januar 1982.4 Im Jahr 1922 sei die Belegschaft der Erkelenzer Maschinenfabrik bereits auf 84 Mitarbeiter angestiegen. Das war ein sehr deutlicher Zuwachs in kurzer Zeit. Zum Vergleich dazu hatte die Weberei Oellers gut 40 Mitarbeiter; mit mehr als 800 Belegschaftsmitgliedern stand die Maschinen- und Bohrgerätefabrik Alfred Wirth deutlich als führendes Erkelenzer Unternehmen da. Bei diesen Angaben berief sich G. Clasen auf die „Chronik der Bürgermeisterei Erkelenz“ für das Jahr 1922.

© (c) Stadtarchiv Erkelenz | Stadtarchiv Erkelenz | Erkelenzer Maschinenfabrik um 1920
Erkelenzer Maschinenfabrik 1920 (StAErk F2_70_40_07)

1952 konstatierten die Herausgeber des Heimatkalenders der Erkelenzer Lande: „Der Wiederaufbau der Industrie im Kreise hat sich in überraschend kurzer Zeit vollzogen. Die Kriegsschäden sind beseitigt, und die Industriebetriebe haben nach Umfang und Produktion den Vorkriegszustand durchweg wieder erreicht sogar überschritten.“5

Das Unternehmen von Ferdinand Clasen inserierte in diesem Heimatkalender ganzseitig:

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Anzeige
Aus: Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1952

Um die optimale Ausbildung für die Präzisionsarbeit zu garantieren, hatte die Erkelenzer Maschinenfabrik (EME) Ferdinand Clasen in den Jahren vor 1963 zeitweilig auf dem Speicher eines Hauses am Markt 18 (heute Filiale der Deutschen Bank) eine Werksschule für ihre Lehrlinge eingerichtet.6

Auch 1965 – im Jahr vor dem Tod des Firmengründers – und in der darauf folgenden Zeit unter der Leitung des Sohnes – ist die Firma in Anzeigen präsent.

Das Unternehmen florierte und besaß einen internationalen Ruf.

Die jährliche Chronik im Heimatkalender des Jahres 1970 notierte:  „Sieben Eisenbahnwaggons mit einer Gesamtlänge von 100 Metern verlassen heute [22. Mai 1969] den Güterbahnhof Erkelenz, beladen mit einer von der Erkelenzer Maschinenfabrik gebauten Förderanlage, die für ein Kalzium-Ammonium-Nitrat-Werk in der türkischen Stadt Mersin bestimmt ist. Die Kosten der Förderanlage belaufen sich auf annähernd eine Million DM.“7

1982 hatte die Erkelenzer Maschinenfabrik ca. 200 Beschäftigte.

Seit 1987 gehört die Firma zur SORG-Gruppe mit Sitz in Erkelenz (Wockerather Weg 45) und Lohr/Main. Zur Firmengründung im Jahr 1920 fasst sich das Unternehmen im Internet sehr kurz: Gründung der Erkelenzer Maschinenfabrik GmbH (EME), eines auf Materialverarbeitungssysteme und Equipment für die Bergbau- und Schüttgutindustrie spezialisierten Unternehmens.

Ferdinand Clasen, der Name des Firmengründers, ist bis 2017 im Firmennamen vertreten. Aus der EME Maschinenfabrik Clasen GmbH wird bei der Umfirmierung die EME GmbH.

Eine „alte Tradition“ der Familie

Beim Neujahrsempfang der Stadt Erkelenz 1982 sprach Dipl. Ing. Gert Clasen zwar als geladener Vertreter der Industrie. Er erinnerte jedoch zu Beginn seiner Rede daran, dass er an „eine alte Tradition“ der Familie anknüpfe, die oft zu Themen des politischen und kulturellen Geschehens in Erkelenz Stellung bezogen habe. Er bezieht sich auf seinen Großvater Dr. Franz Hahn und auf seinen Onkel, den Bruder seiner Mutter, Dr. Joseph Hahn. Beide waren in aufeinander folgenden Generationen Verleger des Erkelenzer Kreisblattes. In dieser Zeitung, die bis Juni 1944 erschien, wurden auch die monatlichen „Heimatblätter“ herausgegeben.

Ferdinand Clasen war selbst Mitglied im 1920 gegründeten Geschichts- und Altertumsverein.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Gruppenfoto GuAV
Mitglieder des Geschichts- und Altertumsvereins um 1930. F. Clasen ist eingekreist.

Als am 5. April 1948 der „Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V.“ die Nachfolge des Geschichts- und Altertumsvereins antritt, wird die Familie Clasen von Beginn an in der Mitgliederliste geführt. Karl-Josef Clasen, ein Sohn von Ferdinand Clasen, ist der Kassenwart im 1. Vorstand des heutigen Vereins.

Die Ferdinand-Clasen-Straße erinnert also an einen dem kulturellen Leben der Stadt Erkelenz verbundenen Bürger und Unternehmer.8

  1. Lennartz/Görtz, Straßennamen, Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e. V. Bd. 3, S. 66
  2. Wilhelm Clasen zum Gedenken, als Manuskript hrsg. von J. Brandts, Erkelenz 1942, S. 39
  3. Ebenda
  4. Clasen, G., Vortrag anlässlich des Neujahrsempfangs der Stadt Erkelenz am 2. Januar 1982. Gedruckt im Jahresband 1982, Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V., S. 21-28.
  5. Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1952, S. 147
  6. Rheinische Post vom 4. April 2018
  7. Heimatkalender der Erkelenzer Lande 1970, S. 44/45
  8. Text von Agnes Borgs 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Landkreis Erkelenz und Heimatverein der Erkelenzer Lande, Heimatkalender der Erkelenzer Lande. Erkelenz, 1952, 1965, 1970
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 3, 1982. Josef Lennartz, Theo Görtz: Erkelenzer Straßen
  3. Rheinische Post Mediengruppe (Hrsg.), Rheinische Post. Düsseldorf, vom 04.04.2018. Werksschule auf dem Speicher und Thusnelda-Torte im Café
  4. Brandts, J. (Hrsg.), Wilhelm Clasen – zum Gedenken. Erkelenz, 1942

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