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Widerstand gegen Garzweiler II

Vorbemerkung

Der folgende Artikel stammt vom Erkelenzer Ratsherrn Hans-Josef Dederichs. Er wurde im Jahre 2019 geschrieben und berücksichtigt noch nicht die Entwicklung in den 2020er Jahren. Der Artikel zeigt, wie früh und intensiv bereits mit dem Widerstand gegen den Braunkohleabbau begonnen wurde.

Unter dem Gebiet der Stadt Erkelenz lagern Millionen Tonnen Braunkohle

Geschichte des Widerstands gegen Garzweiler II

Unter dem Gebiet der Stadt Erkelenz lagern Millionen Tonnen Braunkohle. War die Braunkohle bis zu den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts noch ein Garant für Arbeit und Reichtum und vor allem noch weit weg vom Erkelenzer Land, so formierte sich in dieser Zeit der Widerstand gegen die Zerstörung des Erkelenzer Landes durch die umweltschädliche Braunkohle. In dem Buch: „Zukunft statt Braunkohle – 30 Jahre Widerstand gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II“1, stellen die Autoren die Frage: Braunkohle – Fluch oder Segen? Für mich stellt sich diese Frage nicht, für mich ist klar, die Braunkohle ist ein Fluch für unsere Heimat.

In meinem Beitrag für das Virtuelle Museum des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e. V. möchte ich den Widerstand gegen diesen überflüssigen Tagebau beschreiben, ausführlich wird der Widerstand im o. g. Buch der BUND Mitglieder Dirk Jansen und Dorothea Schubert beschrieben.

Fakten zum Braunkohletagebau Garzweiler II

Die Gesamtfläche der Tagebau Garzweiler I und II beträgt 110 km². Unter dieser Fläche lagern rund 3 Mrd. t. klimaschädliche Braunkohle. Auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz sollte ursprünglich ein rund 42 km² großer Restsee entstehen. Die zum Teil mehr als 1200 Jahre alten Erkelenzer Ortschaften Pesch, Immerath, Lützerath, Borschemich, Keyenberg, Unter-/Oberwestrich, Berverath, Kuckum, Holzweiler sowie der Eggerather Hof, der Hauerhof und der Weyerhof, sollten dem Tagebau zum Opfer fallen und rund 5700 Erkelenzer Bürger sollten umgesiedelt werden. In den ersten Planungen waren die Ortschaften Venrath, Kaulhausen, Terheeg, Wockerath, Kückhoven und Katzem Teil des Abbaugebietes. Genehmigt wurde dieser Bereich des Tagebaus jedoch nicht, so dass diese Dörfer erhalten bleiben konnten.

Widerstand formiert sich in den 70er Jahren

Dagegen formierte sich Ende der 70er Jahre der erste Widerstand in Erkelenz. Bis dahin hatten die Verantwortlichen der Stadt Erkelenz den Tagebau als unvermeidlich akzeptiert, ja eigentlich sogar willkommen geheißen. Der Widerstand organisierte sich aus dem bürgerlichen Milieu: Lehrer, Handwerker, Landwirte, fest in ihren Heimatdörfern und in der Kirche verwurzelt, politisch meist konservativ, entschlossen sich, für den Erhalt ihrer Heimat zu kämpfen. Der Erkelenzer Journalist Lothar Fischer beschrieb es im Buch „Verheizte Heimat“ wie folgt:

„Das Thema Rheinbraun wurde zum Dauerbrenner im Erkelenzer Land. An Stammtischen und Kegelabenden, bei Vereinstreffen und Parteiversammlungen – überall machten die Bürger ihrer Verärgerung Luft, wurde der Widerstand beschworen.“2 Doch es sollte noch bis zum 15. September 1982 dauern, bis sich die ersten betroffenen Bürger zu einer Bürgerinitiative zusammenschlossen. Sicherlich eine bemerkenswerte Entscheidung in einem Landstrich, der überwiegend von ländlichen Traditionen geprägt ist und der zu den Hochburgen der CDU zählt.

Die lokalen CDU Mandatsträger sammelten die verärgerten Bürger um sich und ermunterten sie, Bürgerinitiativen gegen die Abbaupläne der Rheinischen Braunkohlewerke in ihrem Dorf zu gründen. Die CDU organisierte auch eine erste Bürgerversammlung, auf der der Vertreter des Kreises Heinsberg im Braunkohlenausschuss sprach. Erste Unterschriftenlisten kursierten und fast alle unterschrieben, um die Arbeit der Bürgerinitiativen für die künftige Arbeit zu legitimieren: „Ich bin entschieden gegen den Abbau von Braunkohle im Bereich Kückhoven und damit gegen die Zerstörung des Dorfes. Ich unterstütze die Bürgerinitiative in ihrem Ziel, unser Dorf zu erhalten.“

Dem Kückhovener Beispiel folgten sehr bald weitere Orte, Immerath, Venrath, Katzem, Borschemich Keyenberg und Holzweiler.

Bürgerinitiative STOP RHEINBRAUN e. V.

In Venrath gründete sich 1984 die bis heute aktive Bürgerinitiative STOP-RHEINBRAUN e.V. Dass Venrath letztendlich vom Tagebau verschont blieb, ist nicht zuletzt ein Verdienst dieser Bürgerinitiative. Unter anderem erwarb sie 1988 die Gaststätte Bruns mitten in der Ortschaft Venrath. Für die Bürgerinitiativen im Erkelenzer Land war das ein wichtiges Signal: Der Protest geht weiter, wird stärker und hat jetzt einen festen Stützpunkt. Gemeinsam organisierten die Bürgerinitiativen des Erkelenzer Landes am 21. Juni 1985 eine Fackelkette, bei der rund 4000, zum allergrößten Teil Erkelenzer Bürger gegen die Tagebauplanung protestierten. Die Beteiligung so vieler Menschen an einer „Demonstration“ zu dieser Zeit in Erkelenz verdeutlicht, wie sehr die Bürger diese drohende Zerstörung ihrer Heimat aufgewühlt hat. In vielen Veranstaltungen rund um das Thema Braunkohle informierten die Bürgerinitiativen, die sich in der Folge zu den „Vereinten Initiativen – Bürger gegen den Tagebau Garzweiler II“ zusammenschlossen, über die Folgen dieses überflüssigen Tagebauvorhabens. Es mag für alle Beteiligten eine späte Genugtuung sein, das sich viele der Folgen des Tagebaus, die die Widerständler schon 1994 auf der 14-tägigen Anhörung der Bezirksregierung Köln in Erkelenz vorbrachten, vor allem in jüngster Zeit bestätigt haben, und das, obwohl viele Experten des RWE und der Landesregierung NRW diese Folgen explizit ausschlossen.

Besonders zu nennen ist dabei natürlich die Auswirkungen der Braunkohleverstromung auf das Klima.

Wiedererstarken des Widerstands

Die unmittelbar mit dem Ausstoß von CO² zusammenhängende Erderwärmung und die immer besser funktionierende Versorgung mit regenerativer Energie sorgte in den letzten Jahren auch für ein Wiedererstarken des Widerstands im Erkelenzer Land. Liefen die Umsiedlungen der Ortschaften Pesch, Immerath und Borschemich noch mehr oder weniger geräuschlos, so keimte der Widerstand in Lützerath, Keyenberg, Unter-/Oberwestrich, Berverath und Kuckum auch unter dem Eindruck des sogenannten Tagebau Hambach Urteils3 immer weiter auf.

Bereits im Jahr 2014 beschloss die damalige Rot/Grüne Landesregierung, das zur Sicherung der Energieversorgung der Tagebau Garzweiler II nicht mehr in vollem Ausmaß in Anspruch genommen werden muss. Die Ortschaft Holzweiler wurde so, neben der Ortschaft Dackweiler, eine Siedlung im Bereich der Gemeinde Titz, aus der Planung für den Tagebau Garzweiler II herausgenommen. Obwohl die Bewohner von Holzweiler auch seit mehreren Jahrzehnten mit dem kommenden Verlust der Heimat rechnen mussten, fassten sie nach der Entscheidung, dass ihr Dorf nicht bergbaulich in Anspruch gebommen wurde, sehr schnell wieder Mut.

Im Oktober 2018 lud der Grüne Ratsherr Hans Josef Dederichs den Ministerpräsidenten des Landes NRW, Herrn Armin Laschet, zu einem Besuch ins Tagebaugebiet der Stadt Erkelenz ein, um endlich mit den betroffenen Bürgern ins Gespräch zu treten. Am 10. November 2018, kam zum ersten Mal ein Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens zu den von Umsiedlungen betroffenen Bürgern des Landes und hörte sich im Kuckumer Ziegenstall die Sorgen und Nöte dieser Menschen an.

Aussichten

Während dieser Artikel geschrieben wird, ist eine weitere Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II in greifbarer Nähe. RWE kann die energiepolitische Notwendigkeit zur vollständigen Inanspruchnahme des genehmigten Bergbaufeldes nicht mehr begründen. Der Ausstieg aus der fossilen Verstromung ist beschlossen, die Zerstörung der Heimat ist endlich vorbei. Die Rettung der Niersaue und eines Teils der Dörfer ist möglich. Einige betroffene Einwohner aus allen bedrohten Ortschaften und Tagebauranddörfern haben sich in Initiativen wie z. B.: „Alle Dörfer bleiben“ zusammengeschlossen, und weigern sich, ihre Häuser aufzugeben.

Für einen großen Teil der Bewohner von Keyenberg, Unter-/Oberwestrich, Berverath und Kuckum kommt diese Rettung allerdings zu spät. Viele haben ihre Heimat bereits verlassen und sich an anderer Stelle eingerichtet. Die Dorfgemeinschaften sind durch die Tagebauplanung zerrissen worden. Meine persönliche Meinung hierzu ist: „Jeder Quadratmeter Land, der dem Tagebau nicht zum Opfer fallen muss, ist ein Gewinn für alle Menschen und unsere Umwelt.“4

  1. Dirk Jansen und Dorothea Schubert: Zukunft statt Braunkohle – 30 Jahre Widerstand gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II. Hrsg. vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V., Düsseldorf, 2014
  2. Aus: Albert Kirschgen: Verheizte Heimat, a. a. O.
  3. Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Düsseldorf vom 05.10.2018
  4. Text von Hans-Josef Dederichs 2019 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Albert Kirschgen, Verheizte Heimat. Der Braunkohlentagebau und seine Folgen. ISBN: 978-3924007140, Darin Beitrag von Lothar Fischer
  2. Jansen und Dorothea Schubert: , Dirk Zukunft statt Braunkohle - 30 Jahre Widerstand gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II., Hrsg. vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V.. Düsseldorf, 2014, S: 1 ff

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