Vorbemerkung
Glaubt man dem Wikipedia-Eintrag zum Radsport,1 so hatte er um die Jahrhundertwende neben dem Boxen den höchsten Zuschauerzuspruch in Deutschland. Galt das Fahrrad im 19. Jahrhundert zunächst als Gefährt für Abenteurer, so entwickelte es sich gegen Ende dieses Jahrhunderts zu einem Sportgerät. Radrennen gehörten von Anfang an zu den Sportarten der Olympischen Spiele der Neuzeit. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden heute als Klassiker geltende Rennen erstmals durchgeführt, unter anderen auch die Tour de France 1903.
Wegen des großen Interesses am Radsport, das um die Jahrhundertwende herrschte, ist es nicht verwunderlich, dass auch in Erkelenz und Umgebung einige Radsportvereine entstanden. Dieser Beitrag beschreibt die Situation des organisierten Radsports in Erkelenz im Allgemeinen. Links im Text führen dann zu einer detaillierten Beschreibung einzelner Vereine. Grundlage für die Recherchen ist der ausführliche Artikel von Therese Frauenrath „Radlersport und Sturmvogel“ in der Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande Band 20.
Erkelenzer Radfahrervereine
Gründungszeit
Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert und in den 1920er Jahren haben sich, dem Zeitgeist folgend, einige Radfahrvereine gegründet, die zur damaligen Zeit meist noch Radfahrervereine hießen. In den Anzeigen der Erkelenzer Zeitungen tauchen in dieser Zeit Anzeigen von 12 Vereinen auf.2 Viele dieser Vereine haben die 1930er Jahre bzw. den Zweiten Weltkrieg nicht überstanden. Nur zwei Vereine aus dieser Zeit existieren noch zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels.
Erst im Jahre 1993 gründete sich in Erkelenz ein weiterer Radfahrverein, der neben Berg- und Flachzeitfahrten auch Genuss- und Radtouristikfahrten anbietet. Dies zeigt, dass nach dem Zweiten Weltkrieg das große allgemeine Interesse am Radsport zugunsten anderer Sportarten verloren ging.
Sportliches Angebot
Das Betätigungsfeld der alten Vereine lag hauptsächlich in der Förderung der Geselligkeit in Sport und Freizeit. Die heute vorherrschenden Höchstleistungen im Straßen- und Bahnradrennen standen anfangs nicht im Vordergrund. Man maß sich im Reigen- und Kunstradfahren und im Radballsport. Bei örtlichen Festen wurden auch Korsofahrten ausgetragen.
Hierbei schmückten die Teilnehmer ihre Räder und die Vereine fuhren damit einen Korso durch den Ort. Am Ende kürte eine Jury die schönsten Ausschmückungen. Die Radsportvereine organisierten zu den sportlichen Veranstaltungen meist auch ein Rahmenprogramm mit Belustigungen und Tanzveranstaltungen. Im gegenseitigen Besuch pflegten sie Geselligkeit und Kameradschaft. Auf solchen Veranstaltungen, die natürlich mit dem Rad besucht wurden, zeigte man nicht nur sportlich, was man konnte.
Die einzelnen Vereine der heutigen Stadt Erkelenz werden im Folgenden kurz beschrieben. Bei vielen Verein ist nicht klar, wann sie genau entstanden und wann sie wieder aufgelöst wurden.
Radsportvereine in Erkelenz
„Vorwärts“ Erkelenz
Wann der Verein gegründet wurde und wie lange er existierte, ist nicht mehr zu ermitteln. Er scheint jedenfalls der älteste Radsportverein von Erkelenz gewesen zu sein, da er bereits 1891 in der Erkelenzer Zeitung in einer Annonce erscheint.3
„Erka“ Erkelenz
Ein zweiter Radfahrerverein wird in Erkelenz in den 1920er Jahren genannt, der Radfahrerverein „Erka“. Er ließ die Rad- und Motorradrennbahn in Erkelenz bauen. Wann er genau gegründet wurde, ist nicht überliefert. Therese Frauenrath vermutet, dass er der Nachfolgeverein von „Vorwärts“ war, versieht dies aber mit einem großen Fragezeichen.4 Der Verdienst dieses Vereins war es, den städtischen Sportplatz an der Westpromenade mit einer geneigten Rad- und Motorradbahn sowie Zuschauertribünen umrandet zu haben. Der Bau begann bereits 1920, vollendet wurde er 1922/23. Die Bahn bestand bis 1928.5 Neben den Bahnrennen, einschließlich Fliegerrennen, richtete der Verein 1921 auch eine 100 km Fernfahrt aus.
Erkelenzer Radsport Club
Am 30.11.1993 gründeten Radsportbegeisterte aus Erkelenz diesen Verein, der auch zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch besteht. Er organisiert in jedem Jahr zu Fronleichnam, aber auch an weiteren Terminen Radtouristikfahrten. Im Winter widmen sich viele Mitglieder dem Mountainbikefahren.6
Radfahrerclub Houverath
Über diesen Radfahrerverein wird außer einer Zeitungsnotiz von 1905 nichts weiter berichtet. Gründungs- und Auflösungsjahr sind nicht bekannt.
„Viktoria“ Hoven
Dieser 1921 gegründete Verein ist einer der wenigen Erkelenzer Radsportvereine, der auch bis zur Abfassung dieses Berichtes noch existiert. Er spezialisierte sich früh auf das Kunstradfahren und errang sowohl im Einzelkunstfahren als auch im Gruppenkunstfahren nationale und internationale Erfolge.
„Condor“ Immerath
Dieser Verein gründete sich im Jahre 1905. Er existierte auch nach dem Ersten Weltkrieg noch. 1923 berichten die Zeitungen von einem 50 km Straßenrennen während der Spätkirmes in Immerath. 1924 tritt er im Festzelt des Otzenrather Mittelstandsfestes auf.7 Auch hier ist nicht bekannt, wann der Verein sich auflöste.
„Celeritas“ Katzem
Dieser Verein mit dem etwas außergewöhnlichen Namen (Celeritas ist ein lateinisches Wort und bedeutet „Geschwindigkeit“) wurde 1910 gegründet. Der Verein organisierte bis 1921 einige Stiftungsfeste zur Frühkirmes in Katzem mit radsportlichen Wettbewerben. Auch 1929 existierte der Verein noch. Er gehörte zu den Vereinen, die sich im Oktober dieses Jahres dem Heinsberger Kreisverband anschlossen.8
„Blitz“ Kückhoven
Blitz Kückhoven konstituierte sich am 15.06.1903 in der Wirtschaft Adams in Kückhoven. In den 1920er Jahren schien das Interesse am Verein zu erlahmen. Im Jahre 1928 konnte er zumindest das 25-jährige Bestehen noch feiern.
„Pfeil“ Kückhoven
Therese Frauenrath vermutet, dass dieser Verein der ältere der beiden Kückhovener Radsportlervereine ist.9 Die Standartenweihe, die bei vielen anderen Vereinen meist ein oder mehrere Jahre nach Gründung erfolgte, fand im Jahre 1903 statt. Erst 1908 feiert der Verein sein zweites Stiftungsfest. 1921 erscheint der Verein letztmalig in einer Gästeliste des Radsportlervereins „Adler“ Tenholt.
„Condor“ Matzerath
Dieser Verein wurde 1904 gegründet. Im Jahre 1929 feierte er sein 25. Jubiläum und trat dem Kreisverband Heinsberg10 bei. Gemessen an den Veröffentlichungen in den Tageszeitungen muss er ein sehr reger Ortsverein gewesen sein.
„Tempo“ Oerath
Im Jahre 1906 feierte Tempo Oerath sein 1. Radfahrerfest. Therese Frauenrath vermutet daher, dass dieses Jahr auch das Gründungsjahr des Vereins war.11 Der Verein hat einige Feste ausgerichtet. Im Jahre 1934 wird letztmalig von der Ausrichtung eines Stiftungsfestes berichtet.
„Adler“ Tenholt
Im Jahre 1903 wurde der Radfahrerverein „Adler“ Tenholt gegründet. Der Verein betätigte sich im Reigenfahren, Kunstradfahren und fuhr bei Korsos mit. Er übernahm die Ausrichtung der Tenholter Herbstkirmes. „Adler“ Tenholt existiert auch zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch.
„Schwalbe“ Terheeg
Der Radfahrerverein wird Anfang der 1920er Jahre gegründet. Er feiert 1923 sein 1. Stiftungsfest. Bis wann er existierte, ist unklar. 1926 erfolgte die Standartenweihe. Danach wird er nicht mehr in den Medien genannt.
Schlussbemerkung
Die meist zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründeten Radsportvereine waren in den Anfangszeiten aus dem Dorf- und Stadtleben nicht wegzudenkende Institutionen. Sie sorgten etwa durch ihre Stiftungsfeste für sportliches und geselliges Zusammensein in ihren Gemeinschaften. Leider haben sich nur wenige Vereine bis nach dem Zweiten Weltkrieg gehalten. Moderne Vereine konzentrieren sich meist nur noch auf die sportlichen Leistungen.12
- Wikipedia, Radsport, Kapitel „Frühgeschichte“, in: https://de.wikipedia.org/wiki/Radsport (Stand: 17.05.2024)
- siehe Frauenrath, a. a. O., Seite 290 ff.
- siehe Frauenrath, a. a. O., Seite 291
- siehe Frauenrath, a. a. O., Seite 292
- siehe auch https://www.virtuelles-museum.com/objekt/rad-und-motorradrennbahn-erka-in-erkelenz/ (Stand: 17.05.2024)
- siehe https://www.erc-ev.de/verein/gruendung (Stand: 30.05.2024)
- siehe Odenkirchener Volksblatt vom 11.03.1924
- siehe Echo der Gegenwart vom 22.10.1929
- siehe Frauenrath, a. a. O., Seite 299
- siehe Echo der Gegenwart vom 22.10.1929
- siehe Frauenrath, a. a. O., Seite 300
- Text von Wolfgang Lothmann 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Wikipedia Deutsch. https://de.m.wikipedia.org/, wiki/Radsport (abgerufen am 17.05.2024) ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 20, 2006. Therese Frauenrath: Radlerlust und Sturmvogel. Radfahrvereine im Raume Erkelenz, Seite 290 - 304 ,
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