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Mettlacher bzw. Sinziger Kirchenfliesen im Erkelenzer Land

Geschichte der Mettlacher Fliesen

Mettlacher Platten/Fliesen sind ein Bodenbelag aus Steinzeugfliesen mit farbigen Dessins. Diese Fliesen wurden in den 1840er Jahren von dem Keramikwarenhersteller Villeroy & Boch entwickelt und erhielten ihren Namen nach den Fabrikationsstätten bei Mettlach, wo sie ab 1852 industriell hergestellt wurden. Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie häufig als Bodenbelag -zum Teil auch als Wandverkleidung- beim Bau der neugotischen bzw. neuromanischen Kirchen verwendet. Daher auch der Namen „Mettlacher Kirchenfliesen“. Ihr Verbreitungsgebiet war in ganz Deutschland, zum Teil auch in den Niederlanden und in der Schweiz.

Im Rahmen einer Terrakotta- und Steingutfabrikation begann die Firma Villeroy & Boch in der zweiten Hälfte der 1830er Jahre mit Experimenten zur Herstellung einer dauerhaften Steinzeugfliese, d. h. einer Fliese aus weißbrennendem Ton. 1852 kam das Produkt in Form mehrfarbiger Fliesen mit enkaustisch eingebrachten Pigmenten unter der Bezeichnung „Mettlacher Platten“ auf den Markt. Weil man dank engobierter, intarsierter und reliefierter Muster mit ihm Mosaikböden imitieren und gleichzeitig einen sehr farb-, frost- und säurebeständigen sowie abriebfesten Bodenbelag erzeugen konnte, wurde es im 19. Jahrhundert ein Erfolgsprodukt und weltweit als Qualitätsware vertrieben. Mettlacher Mosaikfliesen wurden etwa auch in Böden von Bädern der Titanic verbaut. Als Wandbelag konnten Mettlacher Platten ebenfalls eingesetzt werden. Die Fliesen bekamen genormte Maße und wurden in einer Stärke von 1 cm hergestellt. Hart gebrannt, d. h. bei etwa 1200 °Celsius im Ofen gebacken, nehmen sie nur noch 1 bis 2 Prozent Wasser auf. Zumindest einige Millimeter tief eingefärbt, eignen sie sich als robuster Belag für stark beanspruchte Böden, etwa für Hausflure, Küchen, Krankenhäuser, Schulen, Kirchen und Industrieanlagen.1

Unter https://www.geschichte-der-fliese.de/Musterbl_Wandplatten.html sind zahlreiche Muster der Mettlacher Kirchenfliesen abgebildet. Auf der gleichen Seite ist auch „Die Geschichte der Fliese“ nachlesbar.

© https://www.geschichte-der-fliese.de/Musterbl_Wandplatten.html | Muster Blätter Villeroy & Boch

Die Produktpalette umfasst überwiegend ornamentale Motive, es wurden aber auch figürliche Fliesen hergestellt. Aus dem Musterbuch zwei Beispiele:

Geschichte der Sinziger Fliesen

© https://www.geschichte-der-fliese.de/sinzig1.html | unbekannt | Musterbuch Sinziger Fliesen

Neben den Mettlacher Kirchenfliesen wurden ab 1870 häufig auch Sinziger Fliesen verlegt. Im Sommer 1870 konnte die erste Produktion der Mosaik-Platten- und Thonwaaren-Fabrik von F. Frings & Co. in Sinzig anlaufen. 1871 waren bereits 159 Arbeiter in der Fabrik beschäftigt. Drei Jahre nach der Gründung erfolgte die Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft. Das Unternehmen firmierte von 1873 bis 1910 als Sinziger Mosaikplatten- & Thonwaaren-Fabrik, Act.-Ges. Sinzig a/ Rhein. Im Frühjahr 1910 übernahm ein Hamburger Konsortium die Aktiengesellschaft.

Unter https://www.geschichte-der-fliese.de/sinzig1.html kann die Geschichte nachgelesen werden, außerdem sind zahlreiche Muster der Sinziger Kirchenfliesen abgebildet.

Sinziger Fliesen sind u. a. in Remagen in der Apollinariskirche verlegt.

Aus dem Musterbuch hier zwei Beispiele:

Im Erkelenzer Land

Bau neugotischer/neuromanischer Kirchen im 19. Jahrhundert

Neben gesellschaftspolitischen Gründen begünstigte ein weiterer Punkt die Forcierung von Kirchenneubauten: Die Bevölkerung entwickelte sich im 18. und 19. Jahrhundert rasant. In vielen Chroniken der ehemaligen Pfarreien des Erkelenzer Landes ist zu lesen, dass die Raumverhältnisse in den Kirchen der Anzahl der Gläubigen nicht mehr gewachsen waren. Statt die alten, teilweise baufälligen Kirchen zu renovieren, beantragte man vielerorts den Bau von neuen Kirchen, die dann auch vom Erzbistum Köln genehmigt wurden. Vielfach wurden diese Kirche von Kölner Architekten gebaut, die dem Erzbistum nahe standen. Zu diesen Architekten gehörten u. a. Friedrich Schmidt/ Heinrich Renard (Heilig Kreuz in Keyenberg), Heinrich Renard (Sankt Martinus Borschemich), Heinrich Nagelschmidt, (Sankt Christophorus in Gerderath, Maria Empfängnis in Katzem), und Vinzenz Statz (Sankt Cosmas und Damian in Holzweiler), Erasmus Schüller (Sankt Lambertus Immerath). Gerade die Kölner Architekten standen wohl Villeroy & Boch nahe, so dass sie häufig Mettlacher Kirchenfliesen als Bodenbelag verlegten.

Nachgewiesen ist heute, dass in der abgebrochenen Kirche Sankt Lambertus in Immerath, in der ebenfalls abgebrochenen Kapelle des Klosters Haus Nazareth in Immerath, in der Kirche Heilig Kreuz in Keyenberg, in Sankt Rochus Rath-Anhoven und Sankt Valentin in Venrath Mettlacher Kirchenfliesen verlegt wurden.

Ob auch Sinziger Fliesen im Erkelenzer Land verlegt wurden, ist nicht bekannt. Das Lieferverzeichnis dieser Firma ist im 2. Weltkrieg verloren gegangen.2

Sankt Lambertus Immerath (alt)

Aus der Baugeschichte (1888 bis1899) der Immerather Kirche ist bekannt, dass hier nach dem Vorbild von Sankt Jakob in Aachen Mettlacher Fliesen als Bodenbelag verlegt wurden.3 In Immerath sind ornamentale Fliesen verlegt worden.

Ein eindeutiger Beweis, dass es sich um Mettlacher Kirchenfliesen handelt, ist die Referenzliste der Mosaik-Fabrik Villeroy & Boch aus dem Jahre 1894:

© https://www.geschichte-der-fliese.de/stpeter.html | Verzeichnis Mettlacher Fliesen

Der Hinweis auf 450 qm zeigt, dass die Fliesen in Immerath großflächig verlegt wurden.

Mit dem Abriss des sog. „Immerather Domes“ im Jahre 2018 sind sämtliche Fliesen zerstört worden. Die folgenden Fotos rufen uns die Mettlacher Fliesen in Erinnerung:

Interessant ist, dass zumindest einige Fliesen in Immerath und Keyenberg das gleiche Muster zeigen, obwohl zwischen den Verlegungen etwa 20 Jahre liegen. Im Musterbuch der Firma Villeroy & Boch von 1886 ist diese Fliese ebenfalls enthalten.

Kapelle des Klosters „Haus Nazareth“ in Immerath (alt)

Im Jahre 1901 baute die Kongregation der Töchter vom Heiligen Kreuz eine Anstalt für weibliche epileptische Kranke. Damit verbunden war ein Kloster, für welches im Jahre 1902 eine Kapelle eingeweiht wurde.

Da in der Immerather Kirche bereits Mettlacher Kirchenfliesen verlegt waren, lag es wohl nahe, diese auch in der Kapelle des Kloster zu verlegen.

Wie der „Immerather Dom“ wurde auch das Kloster „Haus Nazareth“ im Jahre 2015 abgerissen. Aber anders als in der Kirche entgingen diese Mettlacher Fliesen der Vernichtung.

Zu verdanken ist dies dem Kölner Gastronomen Wilhelm H. Wichert vom Haxenhaus zum Rheingarten in Köln. Nach dem Abbruch des Klosters im Jahre 2015 hat er die Bodenfliesen (sie stammen aus dem Jahre 1890) aus der Kapelle des Kloster Haus Nazareth erworben. Dazu wurden die Fliesen in mühevoller Kleinarbeit vom Boden gelöst und vom alten Mörtel befreit. Nach der Lösung verschiedener Probleme wurden die Fliesen dann im Jahre 2021 in den Gastraum eingebaut, insgesamt 150 Quadratmeter. Chantal Wichert überwachte die Verlegung und sorgte dafür, das die ornamentreichen Fliesen richtig zugeordnet wurden. 4

© Archiv Heimatverein | Michael Franke | UrkundeHaxenhaus

Bei der „Einweihung“ dankte der Erkelenzer Bürgermeister Stephan Muckel dem Gastronomen Wilhelm Wichert und erklärte, dass dieser einen Teil der Erkelenzer Geschichte bewahrt habe.5

Hier einige der Fliesen aus der Kapelle, die jetzt im Haxenhaus verlegt sind:

Heilig Kreuz in Keyenberg

Vermutlich ab 1851 wurden erste Überlegungen zu einer Veränderung des Kirchenbaues von Heilig Kreuz angestellt. Die Einkünfte der Pfarrei ließen Veränderungen am Baukörper zu, aber sie reichten nicht für einen Neubau. Die Pläne des Kreisbaumeisters Franz Lange aus Mönchengladbach zwischen 1860 und 1862 fanden seitens des Regierungs- und Baurates Krafft von der königlichen Regierung in Aachen keinen großen Anklang und mussten revidiert werden. Aus dieser Zeit gibt es erste Entwürfe des Wiener Professors Friedrich Schmidt. Im Jahr 1866 wurde der Ostteil der alten Kirche abgerissen und durch eine neue Choranlage im Baustil der Neugotik nach Plänen von Friedrich von Schmidt ersetzt. Die Bauarbeiten nach diesen Plänen begannen 1866 und endeten 1867. Die feierliche Einweihung erfolgte am 1. September 1868.

Im Rahmen dieser Baumaßnahmen wurden im Chorbereich und vor den beiden Seitenaltären Mettlacher Kirchenfliesen verlegt. Dies muss etwa im Jahre 1868 gewesen sein. Ein Beweis dafür ist, dass eine der Fliesen mit ornamentalem Muster im Musterbuch von Villeroy & Boch von 1886 unter der Nummer 275 abgebildet ist (siehe auch unter Lambertus Immerath). Ein weiterer Beweis ergibt sich daraus, dass die Kirche in Venrath zeitlich mit Keyenberg gebaut wurde, übrigens von dem selben Baumeister. 6 Aus der Baugeschichte von Venrath ist nach einem Besprechungsprotokoll des Kirchenvorstandes aus dem Jahre 1869 bekannt, dass man sich schon bei vorherigen Beratungen für die Verlegung von Mettlacher Mosaikplatten im Chorraum der Kirche entschieden hatte. 7

In Keyenberg sind im Chorbereich wie auch vor den beiden Seitenaltären ornamentale und figürliche Fliesenmotive verlegt.

Hier einige Beispiele der verlegten Mettlacher Kirchenfliesen in Heilig Kreuz in Keyenberg:

© https://geschichte-der-fliese.de/mmh.html | unbekannt | Haltern am See; figürliches Motiv

Die figürlichen Motive aus Keyenberg sind im Mettlacher Musterbuch nicht enthalten. In der Sankt-Anna-Kapelle Haltern am See u. a. ist eine Fliese verlegt, die fast das gleiche Motiv wie in Keyenberg zeigt. Für Haltern ist der Ursprung aus Mettlach nachgewiesen.8

© https://www.geschichte-der-fliese.de/sinzig1.html | unbekannt | Sinziger Fliesen

Interessant ist auch, dass ähnliche figürliche Motive wie in Keyenberg im Musterkatalog der Mosaikfabrik Sinzig aus den Jahren 1896 – 1897 enthalten sind.

Die Motive der Mettlacher bzw. Sinziger Fliesen sind vielfach ähnlich, so dass eine Zuordnung schwierig ist. Der Transport von Sinzig ins Erkelenzer Land war weniger aufwändig als aus dem Saarland. Das spricht für Sinziger Fliesen im Erkelenzer Land.

Die genaue Herkunft lässt sich oft nur auf der Rückseite der Fliese feststellen.9

Da der Zustand der alten Bauteile nicht besser wurde, ergriff Pfarrer Johann Albert Roemer 1900 die Initiative zum Weiterbau der Kirche. Bereits 1866 war ein vollständiger Neubau geplant, der jedoch erst zu späterer Zeit vollendet werden sollte. So musste in den Jahren 1912 bis 1913 schließlich auch der Westteil der alten Kirche einer dreischiffigen, neugotischen Hallenkirche weichen. Grundlage waren die Schmidtschen Pläne von 1869, die durch Heinrich Renard ausgeführt wurden. 1914 waren die Baumaßnahmen beendet.

© BDA, PfA Keyenberg Heilig Kreuz, A 354. | unbekannt | Fliesen Keyenberg

Bekannt ist, dass der Boden im Langhaus (vielleicht nur der Mittelgang) mit Fiesen der Vereinigte Servais-Werke Witterschlick belegt wurde. 10 11

Sankt Rochus in Rath-Anhoven

Beim Umbau des Altares in den 1980er Jahren stieß man zur allgemeinen Überraschung unter einem fest verklebten Teppich auf Mosaike aus Mettlacher Fliesen. Diese zeigen das Wappen des Papstes Leo XIII. und das Motiv „St. Georg im Kampf mit dem Drachen“. Soweit bekannt ist, sind die Fliesen in dieser Kombination, neben Rath-Anhoven und Dortmund (bis 2009 Pfarrkirche, nun ein Kolumbarium) noch in der Rheder Pfarrkirche St. Gudula (neue Kirche von 1898-1901 erbaut) und in der St. Anna-Kapelle in Haltern am See (seit 1674 Wallfahrtskapelle) zu sehen. Zusätzlich in den Niederlanden in den Kirchen: Kreuzerhöhung-Basilika von Raalte, der St. Michael Kirche in Schalkwijk, St. Antonius von Padua in Kortenhoef und St. Petrus und Paulus in Hengevelde.12

© https://geschichte-der-fliese.de/raalte.html | unbekannt | Musterblatt Mettlacher Kirchenfliesen

Die beiden Fliesen von Rath-Anhoven sind im Mettlacher Musterbuch von 1886 genannt. Entworfen wurden sie von Philipp Baum (*1849 – +1886), er war ein deutscher Architekt mit Schwerpunkt auf kunstgewerblichen Arbeiten.13

Sankt Valentin in Venrath

Auch beim Neubau der Kirche Sankt Valentin in Venrath sind ebenfalls Mettlacher Kirchenfliesen verlegt worden. Diese Annahme begründet sich darauf, dass beide Entwürfe von Friedrich Schmidt stammen. Zudem wurde zeitgleich der Chorbereich in Keyenberg und die Kirche in Venrath vom gleichen Bauunternehmer errichtet. In Venrath haben sich die Fliesen beim Umbau 1955 nicht erhalten, dafür aber die Rechnung über die Fliesen mit Beschreibung der einzelnen Motive. Darauf sind u. a. Hahn und Löwe genannt. Diese tauchen ja ebenfalls in Keyenberg auf. Auf der Venrather Fliesenrechnung steht eindeutig der Hinweis auf Mettlach. In der alten katholischen Kirche von Otzenrath (infolge des Braunkohleabbaues abgerissen) waren ebenfalls Mettlacher Fliesen verlegt.14 15

.

  1. siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Mettlacher_Platten
  2. Mitteilung von Josef Erhardt vom Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf e. V.
  3. Band 6 der Schriftenreihe des Heimatvereins, Seite 90
  4. Historische Fliesen finden im Haxenhaus eine neue Heimat
  5. Rheinische Post vom 18.11.2021
  6. Mitteilung von Rainer Merkens, Venrath
  7. Mitteilung Pfarrarchiv Christ König, Erkelenz
  8. https://geschichte-der-fliese.de/mmh.html
  9. Mitteilung von Josef Erhardt vom Heimat- und Bürgerverein Bad Bodendorf e.V. und Wilhelm Joliet –Geschichte der Fliese
  10. Mitteilung BDA, PfA Keyenberg Heilig Kreuz, A 354.
  11. siehe auch https://www.geschichte-der-fliese.de/servais.html
  12. Mitteilung von Dietmar Schmitz, Historischer Verein Weberg
  13. Das Blatt ist Teil einer Mappe mit 184 Musterblättern, die in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart unter 32/80213-1886 liegt.
  14. Mitteilung von Rainer Merkens, Venrath
  15. Text von Günther Merkens 2024 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.

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