Vorbemerkung
Nach dem 1. Weltkrieg, in den „Golden Twenties“, den goldenen 20er Jahren, wurden die Einschränkungen des Versailler Vertrages (Produktionsverbote und Reparationszahlungen) teilweise aufgehoben bzw. hat es sich auf das Kleinunternehmertum nicht so stark ausgewirkt. Der steigende Bedarf an Mobilität und Motorisierung bediente in der Zeit zwischen den Kriegen eine Unzahl von Fahrzeugschmieden aller Größenordnungen.
Auf heutigen Oldtimertreffen sieht man Embleme und Firmennamen, die längst in Vergessenheit geraten sind.
Ein solches Kleinunternehmen, das die Zeichen der Zeit erkannt hatte, war die Firma „Jean Fuchs“ in Erkelenz. In Zeitungsanzeigen der 1920er Jahre pries Jean Fuchs seine Dienste als Fahrzeugbauer, Reparaturwerkstätte, Fahrschule und Kraftstofflieferant an1.
Familie
Geboren wurde Jean Fuchs am 1. Mai 1885 in Aachen als Kind von Heinrich und Helene Fuchs, geb. Mertens. Er war katholisch.2 Nach der Schulzeit machte er eine Lehre als Mechaniker, heiratete am 24. Juni 1907 in Radevormwalde Margarethe Schoenen, geb. am 18. Mai 1886, gestorben am 2. August 19803. Aus der Ehe stammt eine Tochter, Johanna Fuchs, geb. am 3. Dezember 1904 in Köln4.
Firmengründung in Erkelenz
Am 25. Februar 1922 gründete Jean Fuchs mit dem Kaufmann Bruno Tilmes aus Düsseldorf/Oberkassel die Firma „Jean Fuchs & Co., Kommanditgesellschaft5 für den Verkauf von Fahrzeugen und Kraftstoffen, Oel, Bereifung, Zubehörteile, Reparaturwerkstätte, Einbau von Motoren und Ausbildung von Kraftfahrzeugführern.
Bau von Leichtkrafträdern
Hier in der Hindenburgstrasse baute er auch seine Motorräder.
Es gab damals die sogenannten Konfektionäre, die Einzelteile aufkauften und daraus ein Motorrad zusammenstellten. Das Gestell seiner Leichtkrafträder stammte von Fahrrädern, die Motoren waren englische Villier-Motoren8.
Auch wenn sich die bescheidenen Leistungsangaben nur bedingt auf die heutige genormte Umrechnung von 1PS = 0,735 Kilowatt übertragen lassen, entsprach die Motorleistung der Rennmaschine in den 1920er Jahren in etwa lediglich denen heutiger Mofas.
Der Verkauf seiner Leichtkraftradmaschinen wurde auch durch die Generalvertretung für den Niederrhein und den Vetrieb für den Düsseldorfer Bereich gut organisiert9.
Erste Rennen
Bei dem Niederrheinischen Motorrad-Derby in Dülken am 9. August 1922 nahm Jean Fuchs auf einer seiner Maschinen beim Rennen für Motoren von 1 bis 2 PS teil und erhielt trotz Sturz den 1. Preis, außerdem den Ehrenpreis für das schnellste Tempo, 48,5 km in 43 Minuten. Herr Schouven aus Dülken, auch auf einer Fuchs-Maschine, belegte den 5. Platz10. Die Rennstrecke betrug 48,5 Kilometer und ging vom Castellchen bei Dülken (Start) über Waldniel, Niederkrüchten, Bracht, Brüggen, Kaldenkirchen, Boisheim, Dülken wieder zurück zum Castellchen.
Bei diesem Rennen fuhr auch Paul Rüttchen mit seiner Harley-Davidson in der Klasse 6 der schweren Maschinen mit (3. Platz)11.
Nach diesem Erfolg wurden seine Leichtkrafträder nur noch von externen Fahrern gefahren.
Regionale Rennen
Nun begann der Einstieg in die Rennen auf regionalen Rennbahnen.
Beim Kleinen Preis von Aachen am 23. August 1922 erreichte Schellens aus Düsseldorf auf Fuchs den 1. Platz, genauso wie beim Kleinen Preis der Ortsgruppe Kohlscheid12.
Auf der Rad-Rennbahn in Wassenberg am 23. September 1922 wurden in der Ankündigung des Rennens u. a. Paul Rüttchen, Willy Karsch, Spannkebel, Pongs und auch Fuchs genannt13. Bei diesem Rennen erreichte Schellens auf einer Fuchs-Maschine (beim Rennen für Hilfsmotoren) den 1. Platz. Beim Rennen der schweren Maschinen erreichte Paul Rüttchen den 1. und Willy Karsch den 2. Platz14.
Bei dem Eröffnungsrennen des Radvereins „Erka“ auf der Rad-und Motorradbahn in Erkelenz am 29. April 1923 fuhr ein anderer Fahrer, und zwar Königshausen aus Erkelenz, auf Fuchs-Motor den 2. Platz ein15. Im Oktober 1923 liefen zwei Maschinen bei den leichten Rennen auf der Radrennbahn in Erkelenz mit. Jüngerkes aus Viersen erreichte mit einer Fuchs-Maschine den 2. Platz und Heinrichs aus Baal den 3. Platz16.
Abwechselnd fuhren seine Fuchs-Maschinen auf verschiedenen Rennstrecken mit mehreren Fahrern. Seine Leichtkrafträder waren immer auf den ersten Plätzen, ob mit Jüngerkers, Viersen, Koenigshausen, Erkelenz17, Heinrichs, Baal oder Schroeder, Aachen.
Auch Willi Karsch aus Grambusch fuhr in Aachen beim Rennen bis 175 ccm im Stadion Krummersick mit Fuchs-Maschinen. Im Vorlauf platzierte er sich auf dem 2. Platz, im Endlauf auf dem 1. Platz18.
Wirtschaftlicher Einbruch
Ab 1925-26 wurden die Maschinen mit höheren ccm beliebter bei den Zuschauern. Durch das Auflösen der Rennbahnen brach der Höhenflug der kleineren Rennmaschinen ein. Das letzte Rennen auf der Wassenberger Rennbahn wurde am 19. September 1926 durchgeführt19. Die „Erka“ Erkelenzer Rad-Motorrad Rennbahn wurde vermutlich 1928 geschlossen20.
Auch ausschlaggebend war, dass die Motorräder mit Riemenantrieb schnell aus der Mode kamen. Motorräder mit stabilem Aufbau, Kettenantrieb, mehr PS und guter Bereifung, waren bei den damaligen Straßenverhältnissen besser zu handhaben als die leichten Fahrräder mit Hilfsmotoren. Die Folge: viele Herstellerfirmen gingen pleite. Auch Jean Fuchs & Co. scheint dieses Schicksal widerfahren zu sein21. Er hatte schon immer alles ausgeschöpft, um seine Firma rentabel zu machen. So machte er schon damals für die ersten Feuerlöschapparate von Minimax Werbung22.
Nach dem Einbruch im Fahrzeugbau, konzentrierte sich Jean Fuchs mehr auf die Reparaturwerkstätte, Tankstelle, Verkauf von Ersatzteilen und seine Fahrschule.
So zeigt sich auch seine Werbung bei der 600-Jahrfeier der Stadt Erkelenz am Flugtag, 8. August 1926, die damals auf den Hansen`schen Wiesen in Buscherhof stattfanden23
Die Aufnahme zeigt die Stadt Erkelenz vermutlich am Flugtag am 8. August 1926. Auf dem Marktplatz neben dem Rathaus wurde ein Flugzeug ausgestellt.
Zweiter Weltkrieg
1933 trat er in die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) und NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps) ein und war aus sportlichen Gründen als Fahrlehrer in der SA (Sturmabteilung)24 tätig25. In der Gaststätte neben seiner Firma im „Erkelenzer Hof“, Inhaber Loges Fritz und Luise, Hindenburgstraße 28, war in den 30er/40er Jahren das Vereinslokal der NSDAP.
Seine Firma war nachweislich bis zum 12. Oktober 1939 vorhanden. In diesem Jahr mussten Autoreifen für das Wirtschaftsamt abgeliefert werden. Anmeldung und Ablieferung der Reifen waren bei Jean Fuchs, Hindenburgstraße und Josef Rüttchen, Oerather Straße, angegeben26. Vermutlich wurde das vordere Gebäude in der Hindenburgstrasse 30 durch den Bombenangriff am 23. Februar 1945 zerstört, wogegen das hintere Gebäude mit der Werkstatt noch einigermaßen intakt gewesen sein könnte, da nach 1945 der Friseur Hans Lennartz in dem Hintergebäude, bis er sein Haus in der Kölner Straße 46 wieder aufgebaut hatte, seinen Friseurladen betrieb27.
Umzug
Jean Fuchs zog am 25. August 1941 mit seiner Familie nach Elmpt 61a28.
Nach dem Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg war er noch als Fahrlehrer tätig.
Am 21. Januar 1958 verstarb Jean Fuchs in Elmpt29.
Nachtrag
1996 kaufte der Erkelenzer Heimatverein das einzig noch erhaltenden Leichtkraftrad der Firma „Jean Fuchs und Co.“ von Jost Bonnie.
Der damalige Geschäftsführer Theo Görtz und der Heimatvereinsvorsitzende Günther Merkens freuten sich über den Erhalt des Motorrades30.
Das Motorrad wurde während des Erkelenzer Oldtimer-Festivals 1996 im alten Rathaus ausgestellt31.
Jost Bonje restaurierte sein entdecktes Fuchs Leichtkraftmotorrad.
Nun steht es in den Austellungsräumen des Rheinischen Feuerwehrmuseums in Erkelenz-Lövenich32.
- Schriften des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V. Nr. 24 Seite 300/1 „Nach 90 Jahren zurück nach Erkelenz – ein Zeitdokument auf zwei Rädern“ von Willi Wortmann
- Geburtseintrag 1165/1885
- Standesamt Nr. 37/1907
- Meldebogen der Stadt Erkelenz/Stadtarchiv
- Handelsregister A Nr. 134, Amtsgericht Erkelenz, Kölnische Zeitung 2. März 1922
- Aufzeichnung Friedrich Viehausen
- Meldebogen der Stadt Erkelenz/Stadtarchiv
- Erkelenzer Tagesblatt vom 11. September 1996
- Der Mittag vom 3. August 1922
- Erkelenzer Kreisblatt vom 8. August 1922
- Viersener Zeitung vom 9.8.1922
- Echo der Gegenwart vom 23.8.1922
- Anzeige Westdeutsche Landeszeitung vom 23. September 1922
- Echo der Gegenwart vom 23.8.1922
- Erkelenzer Kreisblatt vom 30. April 1923
- Westdeutsche Landeszeitung vom 2.10.1923
- Gebr. Fr. W. Königshausen Huf- und Wagenschmiede
- Echo der Gegenwart vom 12. Oktober 1925 und Aachener Anzeige vom 12. 10. 1925
- Heinsberger Kalender, 2006, Seite 163ff. Susanne Hindelang und Anja Mülders: Das Goldene Rad von Wassenberg
- Dr. M. Kieser, LVR Wissenschaftlicher Referent
- Unter dickem Rost, Motorrad made in Erkelenz, Erkelenzer Tageblatt com 11. September 1969
- Kölnische Zeitung vom 30. Juli 1922
- Erkelenzer Kreisblatt 27. Juli 1926
- 1920 gegründete, seit November 1921 offiziell unter dem Namen Sturmabteilung („SA“ bzw. „S. A.“) firmierende, uniformierte Organisation der NSDAP mit paramilitärischer Ausrichtung, zuständig u. a. für Ordnungs- und Wachtdienste und Propagandaveranstaltungen (Aufmärsche)
- Entnazifizierungsprotokoll Jean Fuchs Landesarchiv NRW Abteilung ‚Rheinland
- Erkelenzer Kreisblatt vom 7. Oktober 1939
- Aufzeichnung Friedrich Viehausen
- Meldebogen der Stadt Erkelenz/Stadtarchiv
- Totenzettel Jean Fuchs
- Erkelenzer Kreislatt vom11.September 1996
- Erkelenzer Kreislatt vom 11. September 1996
- Autor Rudolf Recker-Proprenter, 2025. Ich danke Hubert Rütten und Horst-Dieter Jansen, DO-UT-DES-TEAM Wegberg, für die Hilfe bei den Recherchen
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Nr. 24 Seiten 300-301 ,
- Zeitungsarchiv NRW. https://zeitpunkt.nrw ,
- Stadtarchiv. ,
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