Die Dorfkreuze
Vorläufer der Kapelle
Die Dorfkreuze in Oerath sind dier ältesten noch bestehenden Zeichen des religiösen Lebens in Oerath. Sie stehen unter Denkmalschutz. An diesen Kreuzen wurde beim Tod eines Dorfbewohners die Totenwache gehalten. Die Oerather zogen bei Wind und Wetter vor die Kreuze und beteten den Rosenkranz. Ebenso beteten hier die Kevelaerpilger.
Die Entstehung der Kapelle
von der Gründung des Kapellenvereins und dem Bau bis zur heutigen Zeit
Die Bewohner von Oerath hatten schon vor vielen Jahren die Absicht gehabt, eine Kapelle zu bauen. Jedoch kam dieser Plan nie zur Ausführung und geriet fast in Vergessenheit. Die Herren Josef Schrammen und Theodor Wilms griffen den Gedanken auf und suchten auf ihrem Rundgang am 29. Dezember 1926 die Oerather für den Bau einer Kapelle zu gewinnen. Bei der hier bestehenden alten Sitte, für den jeweils Verstorbenen an den drei Kreuzen im Dorfe den Rosenkranz zu beten, sind die Teilnehmer den Unbilden der Witterung ausgesetzt. Dieser alte Brauch sollte in die Kapelle verlegt werden und diese zu Ehren der im 1. Weltkrieg Gefallenen aus dem Ort Oerath errichtet werden.
Vereinsgründung
Am Sonntag, dem 9. Januar 1927, wurde die erste Versammlung in der Schule abgehalten. Am 23. Januar fand eine zweite Versammlung statt. Die Versammlung beschloss, eine Kapelle in einer Größe von ca. 6 mal 12 Meter zu bauen, deren Baukosten sollten ca. 6000 Reichsmark betragen; gleichzeitig einigte man sich auf die Gründung eines Kapellenbauvereins. Mitglied dieses Vereins sollte sein, wer wöchentlich einen Betrag nach seinen Möglichkeiten gab oder einen jährlichen Beitrag entrichtete. Das Dorf wurde daraufhin in drei Sammelbezirke eingeteilt, und so wurde wöchentlich eine Sammlung gehalten. Auf der Generalversammlung am 12.2.1928 wurde festgehalten, dass die Zahl der regelmäßig Beitrag zahlenden Familien von 36 auf 48 gestiegen sei. Durch Weihnachtsfeiern und Theaterspiele des Vereins in der Oerather Mühle bzw. im Kaisersaal und gemeinsamem Kohlen- und Brikettbezug in den Jahren 1928/29 und 30 wurde der Kassenbestand zusätzlich aufgestockt.
Der Kapellenverein Oerath wurde am 28. März 1927 in das Vereinsregister Nr. 20/2 des Amtsgerichtes Erkelenz eingetragen.
Am 01.02.1930 betrug der Vermögensstand 5300 RM, und man beschloss den Bau der Kapelle nun zu beginnen. Der Vorsitzende Martin von der Lohe besuchte daraufhin den Diözesan-Konservator Dr. Holtmeyer in Köln, welcher sofort einen Entwurf der Kapelle anfertigte. Nach diesem Entwurf sollte ein Backsteinbau mit rechteckigem Grindriss entstehen. Ein nach Osten gerichteter hexagonaler Abschluss war für den Altar gedacht. Das Eingangsportal nach Westen sollte vom Giebel überkragt werden. Für die Überkragungen waren ursprünglich zwei runde Säulen als Abstützung gedacht. (siehe „Postkarte zum Andenken an die Grundsteinlegung 1931“) Im endgültigen Plan waren jedoch vier Säulen vorgesehen. Auf dem Satteldach oberhalb des Portals wurde ein achteckiger Dachreiter geplant, der unter seinem Spitzdach eine Glocke aufnehmen sollte.
Baubeginn und Grundsteinlegung
Nach diesem Entwurf erklärte sich Herr Franz Vomberg (ein Oerather) bereit den Bauplan anzufertigen. Am 13.10.1930 wurden durch Herrn Matthias Jansen und Herrn Franz Vomberg die Baukosten der Kapelle auf 6261 RM errechnet. Nachdem der notarielle Akt zur Schenkung des Baugrundstücks mit Frl. Franziska Rüttgens unterzeichnet war, wurde am 03.11.1930 das Baugesuch an das Stadtbauamt Erkelenz eingereicht.
Auf der Generalversammlung am 13.01.1931 wurde beschlossen, nachdem die Baugenehmigung erteilt worden sei, nun mit dem Ausheben der Fundamente und der Anfuhr der erforderlichen 33000 Mauerziegel durch Oerather Pferdebesitzer zu beginnen.
Der erste Spatenstich war am 17. März 1931. Ältere Schüler der Oerather Schule hoben die Fundamente aus. Am 26. März wurde von dem 2 Jahre alten Sohn Joseph des Herrn Rothkranz der erste Stein gelegt.
Am 03. Mai 1931 war die feierliche Grundsteinlegung. Dieser Grundstein wurde durch vier Mädchen, Gertrud Bürgers, Hubertine Büschgens, Gertrud Laumen und Mathilde Bürgers, von vielen Dorfbewohnern und der Pfarrgeistlichkeit begleitet, durch das Fahnen geschmückte Dorf zur Kapelle getragen. Der Grundstein trägt die Aufschrift „Anno 1931“ und enthält im Inneren die Pergamenturkunde1.
>> Inhalt der Urkunde
Im Jahre des Heils Neunzehnhunderteinunddreißig wurde durch die Opferwilligkeit der Ortsbewohner diese Kapelle zu Ehren der heiligen Familie erbaut, als Pius der XI. Papst der heil. Katholischen Kirche, Dr. Joseph Vogt erster Bischof des neu errichteten Bistums Aachen, Heinrich Grosche, Pfarrer von Kückhoven, Dechant des Dekanates Erkelenz, Päpstlicher Ehrenkämmerer Hermann Joseph Kamp, Oberpfarrer von Erkelenz, Winand Welters und Hubertus Peters Kapläne an der Pfarrkirche zu Erkelenz, Paul Hindenburg Präsident des Deutschen Reiches, August Flesch Landrat des Kreises Erkelenz, Johann Spitzlei Bürgermeister von Erkelenz und Martin von der Lohe Lehrer von Oerath, Vorsitzender des Kapellenvereins waren.2
Es war ein schönes großes Fest. Die Maurer- und Betonarbeiten sind von der Baufirma Wilhelm Meißen, Erkelenz ausgeführt worden, die Zimmerarbeiten von der Firma Mathias Jansen und Peters aus Oerath, die Dacharbeiten von Josef Peltzer, Erkelenz, die Plister- und Stuckarbeiten von der Firma Anton Bertrams, Tenholt, die Klempnerarbeiten von der Firma Anton Krämer, Erkelenz. Die Dachziegel stammen von den Ziegelwerken Teeuwens Geilenkirchen. Die Fenster wurden von dem bekannten Künstler Anton Wendling aus Aachen entworfen und durch die Firma Oidtmann in Linnich gefertigt und eingebaut.
Schon am 10. Juli 1932 wurde die Kapelle durch den Hochwürdigen Herrn Oberpfarrer Dechant Frings eingeweiht. Und am folgenden Tag, am 11. Juli 1932, wurde das erste heilige Messopfer gefeiert. Herr Theodor Wilms hatte die Betreuung der Kapelle übernommen und bis ins hohe Alter treu und mustergültig ausgeführt.
Die Glocke
Die Kapellenglocke kommt aus Oberbruch. Die Glocke wurde im November 1931 von Pfarrer Sauer in Oberbruch an seinen Vetter, Herrn Martin von der Lohe, in Oerath verkauft. Herr von der Lohe war zu der Zeit Vorsitzender des Kapellenvereins. Die Oberbrucher Kirche hat als Pfarrpatron den heiligen Aloisius. Daher ist die Glockeninschrift auch auf den heiligen Aloisius bezogen. Die Glocke wurde, so lange die Oerather Schule existierte, mittags von den Schülern des achten Schuljahres zum Angelus geläutet. Bis heute wird noch beim Tod eines Oerathers und zu den Gottesdiensten geläutet. Die Inschrift der Glocke lautet wie folgt:
† ALOISIUS AEVI SONUS MONEO PERENNITER VOS HABITATORES
† HUIUS PAGI CUMETOS UT SITIS PII SENSUS CORDIS PURI
Für die nicht Lateiner hat Kuno Lucaschewski vor Jahren die Übersetzung geliefert. In Deutsch bedeutet sie:
† Ich, Aloisius, die Stimme der Zeit ermahne immerwährend Euch Bewohner dieses Dorfes insgesamt,
† daß ihr frommen Sinnes und reinen Herzens seid.
Im Jahre 1943 musste sie wie so viele Glocken Oerath verlassen und sollte zu Kriegszwecken eingeschmolzen werden. Doch ist es nicht so weit gekommen. Ende August 1949 wurden viele Glocken von Helmstedt wieder zurückgebracht, auch unsere Glocke war dabei und wurde irrtümlicherweise in Granterath abgesetzt, wo sie durch einen Zufall entdeckt wurde. Von dort wurde sie am 02. Oktober 1949 in feierlichem Zuge wieder nach Oerath zurückgeholt.3
Erweiterungsbau und neues Ehrenmal
Nach dem Kriegsende kamen neue Aufgaben auf den Kapellenverein zu. In Erkelenz waren die Kirchen völlig zerstört und unsere Kapelle wurde vom Bischof zur Notkirche erklärt, da sie von Kriegsschäden weitgehend verschont geblieben war. Jetzt war die Kapelle zu klein. Angeregt, gar fast bedrängt durch die Pfarrgeistlichkeit, sollte sie vergrößert werden. Nach langem Drängen, besonders durch den damaligen Kaplan Nabben, wurde bis 1949 ein Keller bis zur Decke fertiggestellt. Drei Jahre lang fand man nicht mehr die Kraft den Bau fortzusetzen.
1952 wurde unser heutiges Ehrenmal geplant und errichtet. Junge Oerather waren für Bau und Anschaffung verantwortlich. Diese jungen Leute lösten 1953 den alten Vorstand ab. Der alte Vorstand bestand im Wesentlichen noch aus den Gründern des Vereins, die man mit Dankbarkeit und Achtung von ihren Pflichten entbinden konnte. Das Alter und die Belastungen des Krieges waren sicher zu viel gewesen.
Die Jungen trieben den angefangenen Erweiterungsbau voran. Wie schon ihre Vorgänger, bezogen sie sehr geschickt den gesamten Ort in ihre Pläne ein. Es wurde so tatkräftig angepackt, dass schon im Januar 1956 die Kapelle in der heutigen Kreuzschiffform eingeweiht werden konnte.
1954, mitten in den Arbeiten am Erweiterungsbau, traf eine Hiobsbotschaft die Oerather. Die bischöfliche Behörde in Aachen wollte keine regelmäßigen Sonntagsmessen in der Kapelle mehr lesen lassen. Das haben die Oerather so nicht hingenommen. Es wurden verschiedene Priester aus der näheren Umgebung zu Sonntagsmessen geholt und heimgebracht. Gleichzeitig stimmte man sich mit der Pfarrgeistlichkeit ab und fuhr nach Aachen. Was im Einzelnen geschah, ist nicht bekannt, aber nach sieben bis acht Monaten war die bischöfliche Erlaubnis wieder da.
Auch hier sehen wir wieder, dass durch Willen und Hartnäckigkeit, gepaart mit diplomatischem Geschick, der Erfolg nicht ausblieb. Man kann sagen, wie immer schon in Oerath.
In den folgenden Jahren standen Erhaltung und Verbesserung der Kapelle im Vordergrund. Ca. 1962 erhielt durch Stiftung eines Oerathers (Aloys Thoenis) unsere Kapelle das Fenster mit Motiven der heiligen Familie, dem Patrozinium unserer Kapelle. Der Entwurf stammt von Josef Höttges, einem Schüler von Anton Wendling. Die Fa. Oidtmann aus Linnich fertigte das Fenster. Ein Jahr später gab es eine Umluftheizung. 1971 schlug der Blitz in den Turm, sodass dieser komplett erneuert werden musste.
1975 wurde es erforderlich, den Altarraum nach den Vorgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils umzugestalten. Der neue Altar, der Ambo, das Hängekreuz mit Bergkristall und etwas später der Tabernakel wurden modern und neu gestaltet. Auch hier half wieder eine großzügige Einzelspende von Friederich Schiffer, dem Müller aus Oerath, die Finanzierung zu ermöglichen.
In den folgenden Jahren waren die heftigsten Bewegungen nicht im und am Gebäude, sondern auf der religiösen, menschlichen Ebene. Durch stetig zunehmenden Priestermangel und stark schwindenden Gottesdienstbesuch kam es, dass seit Mai 1998 die Oerather selbst Sonntagsgottesdienste halten mussten. Einige Oerather Frauen (Ulla Rothkranz, Anna Hoffmann und Renate Brockers) haben seitdem diese Aufgabe übernommen. Heute finden mehr Wortgottesdienste als Heilige Messen in der Kapelle statt. Die Oerather Christen lassen sich wieder nicht unterkriegen. 1954 galt schon das gleiche Motto wie heute „Hilf dir selbst, so hilft dir Gott“ In diesem Bewusstsein werden die Oerather weitergehen in der Hoffnung, dass christliches Leben wieder breiteren Anklang findet.4
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