Vorbemerkung
Er ist kein gebürtiger Erkelenzer – noch nicht einmal ein Rheinländer! Leopold Wiggers, ein Westfale, erlangt in 11 Jahren im Amt als Oberpfarrer in Erkelenz Hochachtung und große Beliebtheit.
Was macht sein Wirken, seine Amtszeit so herausragend, dass bei seiner Verabschiedung geradezu lobend in der Zeitung zu lesen ist, ihm gebühre „ein Ehrenplatz in der Erkelenzer Geschichte“?
Leben
Die Stationen seines Lebens lassen sich schnell benennen. Am 3. Januar 1895 wird er als 7. Kind des Postdirektors Ludwig Wiggers und seiner Ehefrau Klara in Paderborn geboren. Nach dem Abitur am Theodorianum in Paderborn absolviert er sein theologisches Studium in Köln und Bonn. Am 18. Februar 1923 empfängt er die Priesterweihe. Darauf folgen priesterliche Aufgaben in Mönchengladbach, Aachen, Lommersdorf (bei Blankenheim) und schließlich Kirchberg (bei Jülich). Danach kam er nach Erkelenz. Ab 1959 ist Wiggers Pastor in Blankenheim, der südlichsten Pfarre im Bistum Aachen. Nach dem Tod im März 1979 wird Leopold Wiggers auf dem Waldfriedhof in der Renn bei Blankenheim beigesetzt.
Aufbauarbeit in Erkelenz nach dem Krieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Leopold Wiggers Oberpfarrer an St. Lambertus Erkelenz. Der Titel Oberpfarrer entstand nach der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen 1794. In den linksrheinischen Gemeinden des Erzbistums Köln trugen seit dieser Zeit die Inhaber von Kantonalpfarreien die Bezeichnung Oberpfarrer, in seltenen Fällen auch heute noch verwendet.
Wiggers trat die Nachfolge von Otto Frings an, der von 1931 bis 1947 Pastor in Erkelenz war. Unter Frings war die Leitung der Pfarre geprägt von der Herrschaft der Nationalsozialisten, dem Druck der Partei auf die Kirche und ihre Repräsentanten, dem Krieg, der Zerstörung, der Evakuierung der Bevölkerung, der Rückkehr der Menschen, den Trümmer- und Aufbauarbeiten in den ersten beiden Jahren nach dem Krieg. Da fällt das Urteil über Otto Frings zu Recht so aus, dass er „während seiner Amtszeit maßgeblich am Wiederaufbau der Pfarrkirche Sankt Lambertus mitgewirkt“ hat.1 Doch waren bei Amtsübernahme durch Leopold Wiggers am 1. August 1947 die Arbeiten am Wahrzeichen der Stadt keineswegs beendet, sondern es standen harte Arbeiten, Planen, Organisieren, Überzeugen bevor; das waren alles in allem aufreibende kommende Jahre, bei denen zu Arbeitsbeginn der Erfolg erhofft, aber keineswegs garantiert war. „Leopold Wiggers übernahm die schwere Aufgabe, nicht nur die Gemeinde seelsorgerisch zu leiten und zu betreuen, sondern ihr auch das Gotteshaus zu bauen. Er erwies sich in dieser Aufgabe als glänzender Organisator, der sich auch nicht scheute, mit Kreuzhacke und Schaufel selbst Hand anzulegen.“2
3. Oktober 1948
Weihnachten 1948
1949
Weihnachten 1950
19. Dezember 1953
23. Dezember 1953
8. August 1954
Grundsteinlegung für das neue Kirchenschiff
erste Messe in der wieder aufgebauten Krypta
Einsatz der neuen Orgel von Seifert (Kevelaer) in der Krypta, sie ersetzt den Lambertussaal als „Notkirche“
Christmette im Hochchor
erstes Weihnachtsläuten nach dem Krieg vom wieder aufgebauten Lambertiturm
Die Erkelenzer Volkszeitung fasst mit der Überschrift Weihnachten 1953. Ein historisches Datum für die Geschichte der Stadt3 die Besonderheit der Leistung zusammen. Im Langhaus sind die Fenster von Will Völker eingebaut.
Weihe von Kirche und Altar durch Weihbischof Hünermann.
In den meisten zur Verfügung stehenden Artikeln wird mit fast ungläubiger Bewunderung berichtet, dass Oberpfarrer Wiggers viele Stunden Eigenleistung beim Aufbau der Kirche eingebracht hat. Insgesamt sind 20.000 Arbeitsstunden von Ehrenamtlern zusammen gekommen, resümierte er selbst bei seiner Verabschiedungsfeier. Es ist belegt, dass sich 24 Mitarbeiter der Firma Wirth zu ehrenamtlicher Wiederaufbauarbeit an der Kirche verpflichteten.4
Mit Stolz feierte man schließlich im September 1958 unter anderem mit einer Ausstellung das 500-jährige Turmjubiläum, mit dem Fest verbunden war die Inauguration des Turmes als Denkmal für die Gefallenen des Grenzlandes.
Während des Wiederaufbaus der Lambertikirche wurde auch die Kapelle St. Lucia Terheeg errichtet. Zwischen der Grundsteinlegung am 13. Dezember 1956, der 1. Messe am 23. Juni 1957 und der Altarweihe am 29. September 1957 war kein Jahr vergangen. Auch dies ist eine großartige Leistung.
Weiter engagierte sich Leopold Wiggers beim Wiederaufbau des Krankenhauses.
Mit Aufbauarbeiten ist das Wirken von Wiggers in Erkelenz nur teilweise beschrieben. Er war auch ein Vereinsmensch, dem das gesellige Zusammenleben für die „Gesamtgesundheit“ seiner Pfarrgemeinde sehr am Herzen lag.
Dabei ragte sein Engagement für den Erkelenzer Fußball weit über das Maß normaler Sportbegeisterung hinaus, was sich gerade im mehrjährigen Vorsitz beim SC 09 Erkelenz (1953 – 1959) zeigte. Nach der Sonntagsmesse war für viele Erkelenzer Väter und Söhne der Stadionbesuch Tradition. Die Messe wurde an solchen Spieltagen durchaus zügig gelesen, damit Kult und Sport sich nicht im Wege standen.
Selbstverständlich war ihm auch das Schützenleben wichtig. Hier im Bild ist er bei der Kirmes 1954 vor dem Postamt zu sehen.
Abschied aus Erkelenz
In der heutigen Zeit lassen sich unmöglich alle Einzelheiten aufführen, die zu der großen Achtung, die Wiggers entgegengebracht wurde, beigetragen haben. Sicher ist jedoch, er fühlte sich in Erkelenz wohl und wäre auch gerne geblieben, seiner Gesundheit war aber die Leitung einer kleinen Eifelpfarre zuträglicher.
Die Verabschiedung von Oberpfarrer Leopold Wiggers fand am Sonntag, dem 18. Januar 1959, in der Stadthalle statt. Die Bezeichnung „Feierstunde“ wirkt angesichts des opulenten Programms an Musikbeiträgen und Reden eher untertreibend.
Im Programm der Feierstunde wird das „Transeamus“ von J. I. Schnabel mit der Ergänzung H. Buyels aufgeführt. Diese Nennung wirft ein Schlaglicht auf die Tatsache, dass der Erkelenzer Musiker und Komponist Hans Buyel schon als junger Mann in Wiggers eine Unterstützung gefunden hatte. 1955 hatte Buyel von Oberpfarrer Wiggers bereits den Schlüssel für die Orgel erhalten, sodass er dort spielen und das ein oder andere Mal auch den hauptamtlichen Organisten Hans Sauer vertreten durfte.5
Bei der Verabschiedungsfeier für Leopold Wiggers lässt sich an den überreichten Geschenken und an den gewählten Worten die besondere Verbundenheit mit der Stadt und die ihm entgegengebrachte Wertschätzung ausgesprochen klar ablesen:
- ein Fotoalbum vom Aufbau der Stadt und der Pfarrkirche, überreicht vom Kirchenvorstand6,
- ein geschnitztes Stadtwappen, als Dank der Stadt überreicht durch den Bürgermeister,
- ein Messgewand, überreicht von der KAB und dem Kaplan Herrmann Josef Kaiser als Dank der kirchlichen Vereine,
- eine kunstvolle Darstellung des Lambertiturmes, als Dank der städtischen Vereine, überreicht durch den Heimatverein,
- eine Nachbildung des Sämanns, überreicht von Landrat Rick in Vertretung verschiedener Körperschaften,
- die goldene Ehrennadel des Westdeutschen Fußballverbandes.
Abschiedsworte an Oberpfarrer Wiggers kennzeichnen ihn als bisweilen „hitzig“. An anderer Stelle liest man: „Sie wussten, was nottat und was eine Stadt wie Erkelenz an Würde und Ansehen verlangte, wenn auch die Wege, die Sie einschlugen, und die Art, wie Sie handelten und für richtig erachteten, beileibe nicht immer den breiten und bequemen Autostraßen glichen, als vielmehr steile und raue Höhenpfade waren, die schwindelfreies Marschieren in Schützenlinie, ohne Ausschwärmen, voraussetzten.“7
Eine Zusammenstellung der in den Abschiedsreden genannten Charakterzüge und Eigenschaften dokumentiert auf weitere Art die Wertschätzung für Leopold Wiggers: Es sind der ansteckende Idealismus und Optimismus, der nicht alltägliche Gerechtigkeitssinn, die Sachkenntnis, seine Organisationsgabe und Energie, das verständnisvolle, zielstrebige und auf das Gesamtwohl gerichtete Wirken, seine Anstrengungen für das herzliche Einvernehmen zwischen der Kirche und der Zivilgemeinde. Die Stimmung in Erkelenz wird in der Presse wie folgt zusammengefasst: überall spürbar sei „das tiefe Bedauern, das sein Fortgang von Erkelenz in der Bevölkerung auslöst“.8
Leopold Wiggers wurde im Januar 1959 unter großer Anteilnahme der Erkelenzer Bevölkerung als Pastor in Blankenheim eingeführt und von der dortigen Gemeinde sehr herzlich empfangen.
Nicht selten besuchten Erkelenzerinnen und Erkelenzer die Sonntagsmesse in Blankenheim, bei der es bisweilen vorkam, dass Wiggers seine Predigt mit der Anrede „Liebe Erk- Blankenheimer Pfarrkinder“ begann.
Zum Schluss
Die kraftvoll markante Unterschrift von Leopold Wiggers wird sicher noch häufig auf privaten Dokumenten wie den Stammbüchern der Familien in Erkelenzer Schubladen zu finden sein.
2013 hat Jörg Pfennig, ein Großneffe, dem Archiv der Stadt Erkelenz Fotos und Dokumente aus dem Nachlass von Leopold Wiggers überreicht. Bei dieser Gelegenheit9 erinnerte sich der Ehrenvorsitzende des Heimatvereins Günther Merkens an seine Messdienerzeit unter Wiggers; es gibt also heute noch immer Gelegenheiten, sich eigene Erlebnisse mit Oberpfarrer Wiggers zu vergegenwärtigen.
Der Nachfolger von Leopold Wiggers im Amt – Hans Walter Bosch – wurde am 1. März 1959 (3. Fastensonntag) offiziell in Erkelenz eingeführt. Selbst in dieser Begrüßungsfeier wurden noch einmal „rückblickend die Verdienste von Oberpfarrer Wiggers“10 gewürdigt. So ist der 1. Pfarrbrief des neuen Pastors an die Gemeinde Dank für den Empfang und Appell zum aktiven kirchlichen Leben zugleich.11
- Willy Fischer, a. a. O., seite 50
- Josef Lennartz, a. a. O., Seite 100
- Erkelenzer Volkszeitung am 23. Dezember 1953, erwähnt auf der Seite des Archivs der Pfarre Christkönig Erkelenz, Vermeldungen Weihnachten 1953 in der neuen Kirche St. Lambertus
- Zeitungsartikel aus dem Januar 1959
- siehe Heino Knippertz, a. a. O., Seite 334
- Rückgabe mit anderen Dokumenten aus dem Nachlass an das Stadtarchiv, dazu Beitrag von Angelika Hahn in der RP vom 27.11.2013
- Abschiedsworte an Pfarrer Wiggers, Westdeutsche Zeitung vom 17. Januar 1959
- Dank an scheidenden Oberpfarrer, Zeitungsartikel aus dem Januar 1959 (Verfasser unbekannt)
- Angelika Hahn: Wiederaufbau der Kirche mitgeprägt, RP vom 27.11.2013
- Willkommen für den neuen Pastor, Heimatblick vom 2. März 1959 (Verfasser unbekannt)
- Text von Agnes Borgs 2023 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 23, 2009. Willy Fischer: Die Pfarrer der Pfarrgemeinde Erkelenz, Seite 39 bis 55 ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 23, 2009. (2) Josef Lennartz: Die Erkelenzer Pfarrkirche St. Lambertus. Ihre Geschichte seit der preußischen Zeit (1815 bis heute), Seite 75 bis 123 ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 20, 2006. Heino Knippertz: Hans Buyel, ein Erkelenzer Komponist und Kirchenmusiker, Seite 333 bis 343 ,
- Erkelenzer Volkszeitung. Erkelenz, vom 23.12. 1953 ,
- Erkelenzer Volkszeitung. Erkelenz, Januar 1959. Dank an den scheidenden Oberpfarrer ,
- Westdeutsche Zeitung. vom 17.01.1959 ,
- Rheinische Post. Düsseldorf, vom 27.11.2013. Angelika Hahn: Wiederaufbau der Kirche mitgeprägt ,
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