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Das Grabkreuz an Sankt Lambertus

sonstiger Name: Geschichte der Familie Eßer
1826 bis 2024

Vorbemerkung

Vom Johannismarkt kommend, steht an der nordöstlichen Außenwand der Pfarrkirche St. Lambertus ein steinernes Grabkreuz mit barocken Merkmalen aus dem Jahr 1826/1827. Diesen Platz hat das Kreuz seit 1989, als es vom alten Friedhof an der Brückstraße weggenommen und an der heutigen Stelle in Erinnerung an den Vorläuferkirchhof, der um die Pfarrkirche herum lag, aufgestellt wurde.

Die Standorte des Kreuzes

© Paul Borgs | Grabkreuz von 1826/1827
Das Grabkreuz an St. Lambertus, Aufnahme vom Juli 2024

Dieses Kreuz hat einen mehrfachen Umzug erlebt. Die unterschiedlichen Standorte des Kreuzes sind weitgehend klar: Das kleine Grabdenkmal habe zunächst auf dem Kirchhof um St. Lambertus gestanden, bevor es dann auf den Friedhof an der Brückstraße verbracht wurde, so lautet eine Vermutung.1 Sicher ist jedoch, dass dieses Kreuz zusammen mit drei weiteren Kreuzen ähnlicher Entstehungszeit 1930 an die Pfarrkirche zurückgeholt wurde. Bei der Bombardierung im 2. Weltkrieg ist nur das heutige Kreuz erhalten geblieben und zunächst wieder auf dem Friedhof an der Brückstraße aufgestellt worden. Dort hatte es seinen Standort im älteren Teil unmittelbar in der Nähe des Hochkreuzes (1827) an der linken Seite der Wegekreuzung, bis es 1989 seinen heutigen Platz an der Pfarrkirche erhielt.

Die Gestaltung des Kreuzes

Mit der Materialwahl spricht das fast 200-jährige Kreuz die Sprache dieser Region. Es ist aus Namurer Blaustein gefertigt, dabei handelt es sich um einen harten Kalkstein, der entsprechend seiner Herkunft aus der Maasregion um Lüttich und Namur benannt wird. In unserer Region wurde Blaustein vielseitig eingesetzt. Neben Grabkreuzen und Grabplatten wurde er häufig für Stufen, Türumrandungen oder auch zur Gliederung von großen Fassaden verwendet. Der Eingang zum Alten Rathaus in Erkelenz ist nur ein Beispiel für die Verwendung des Materials außerhalb der Grabgestaltung.

Das äußere Erscheinungsbild des Kreuzes ist rasch beschrieben:
„Höhe 1,15 m; Breite 1,05 m; Blaustein. Abgerundete Nasen an den Balkenenden, Winkelstützen in der Vierung und eine Menschengruppe (Eltern mit Kind) als Relief sind besondere Merkmale dieses (…) Kreuzes.“2 Unterhalb des Reliefs steht eine Inschrift in Großbuchstaben.

Jahrzehnte dem Wetter ausgesetzt, verblassen jedoch die Schrift und die Darstellung auf dem Kreuz zusehends. Die Überlieferung der Inschrift und die damit erhaltene namentliche Zuordnung zu Personen ist daher von großem Wert und führt ohne Umschweife zu der Frage, welche Details sich heute noch über die in der Inschrift genannten Personen herausfinden lassen und welcher Bezug zur Erkelenzer Geschichte sich daraus ergibt.

Die in der Inschrift genannten Eheleute ESSER

Die Reliefdarstellung – Eltern, die ihr Kind in die Mitte genommen haben –  entspricht offenbar genau der in der Inschrift erkennbaren Familiensituation.

Johann Joseph Eßer wurde am 5. April 1785 in Beeck (Rath- Anhoven) als Sohn der Eheleute Hermann Eßer und seiner Ehefrau Maria Sibilla Ohoven geboren. 1825 heiratete er Maria Helena Kemmerling aus Spiel (heute Gemeinde Titz); sie wurde am 16. Juli 1785 als Kind der Eheleute Conrad Kemmerling und Agnes Dahmen geboren. Das erhaltene Grabkreuz gibt an, dass im Jahr nach der Hochzeit sowohl Johann Joseph Eßer (+ 12. Dezember 1826) als auch zwei Tage später die Tochter Maria Josepha (+14. Dezember 1826) verstorben sind. Die Tochter hatte das erste Lebensjahr noch nicht vollendet. Im Sterberegister der Stadt Erkelenz sind die beiden Todesfälle in unmittelbarer Folge verzeichnet.

Seit wann die Familie in Erkelenz (Oerather Straße) ansässig war, ist nicht sicher.  Der Name Johann Joseph Eßer findet sich dann aber im Zusammenhang mit Grundstücksverkauf und Grundstücksübertragung aus dem säkularisierten Franziskanerkloster, das nach einer Übergangszeit, in der es von der französischen Amortisationskasse verwaltet worden war, im Jahr 1812 öffentlich verkauft wurde.  Die beiden Ankäufer waren der Notar Johann Adam Gormanns und der Wirt Gerhard Gerards, die ihrerseits einen Teil verkauften. „Der Rest wurde am 25. Oktober 1820 zwischen Gormanns und Gerards aufgeteilt. Gormanns übertrug dann einen Teil seines Anteils an Johann Wilhelm Josef Ehser (dem u. a. 1823 die Oerather und die Bellinghover Mühle gehörte).“3

Für die Oerather Mühle ist bekannt, dass sie 1813 auf Anweisung der französischen Verwaltung enteignet und zum Auffüllen der napoleonischen Kriegskasse öffentlich versteigert wurde. Die Schreibvariante des Namens Eßer/Esser/Ehser (an anderer Stelle auch Esher) mag zunächst verwundern, die Vornamen und Daten lassen jedoch an der Identität kaum Zweifel aufkommen: das Grabkreuz von 1826/1827 erinnert an den Mühlenbesitzer Johann Joseph Eßer und seine kleine Tochter.

Die Witwe Maria Helena (Helene) Eßer, geb. Kemmerling, deren Mutter möglicherweise aus der Müllerfamilie Dahmen von der Mühle aus Spiel stammt, wird noch bis zu ihrem Tod Jahrzehnte in Erkelenz leben. Mit einer zweckgebundenen Schenkung wird sie für die Errichtung einer höheren Schule in der Stadt bedeutend.

Lange fehlte der Stadt für die gewünschte Errichtung einer höheren Bürgerschule der geeignete Baugrund, auch verfügte sie offenbar über kein geeignetes Gebäude. Das säkularisierte Franziskanerkloster erschien durchaus als geeignetes Areal, war aber nach dem Verkauf nicht im Besitz der Stadt. Eine Privatentscheidung erwies sich dann für die Stadt als glücklicher Umstand.  Nach dem Tod ihres Mannes und ihrer einzigen leiblichen Tochter schenkte nämlich die Witwe Eßer gemeinsam mit ihrer Schwägerin Magdalena Hänfling, geb. Eßer, am 20. Juni 1828 ihre Teilparzelle des ehemaligen Klosters (im Kataster mit P 374 registriert) der Stadt Erkelenz; dieser Schenkungsakt war jedoch mit dem Verwendungszweck der Errichtung einer höheren Schule verbunden.

Franziskanerkloster-1830
Bild und Skizze aus: Lennartz, Zur Vor- und Frühgeschichte des Erkelenzer Gymnasiums, S. 1314

Die Schenkung wurde am 1. März 1829 von der Gemeinde angenommen. Die Nachbarparzelle konnte die Stadt allerdings erst nach einjähriger Verhandlung von der Witwe Gormanns und ihrem Sohn Hermann Josef Gormanns für 800 Taler erwerben. Aus der an die Familie Gormanns gezahlte Summe lässt sich auch auf den offenbar nicht unerheblichen Wert der Schenkung der Witwe Joseph Eßer zurückschließen.

In der von dem Gymnasiallehrer H. J. Steckler 1865 verfassten Monographie Das Progymnasium zu Erkelenz liest man dann exakt zu diesem Vorgang wieder die Personennamen in der auf dem Grabkreuz verwendeten Schreibweise: „Der größere Theil des jetzigen Schulgebäudes und der Wohnung des zeitlichen Rectors [Heinrich Körfer] der Kirche und Schule […] wurde von der Witwe Joseph Esser und Frau Magdalena Hänfling, geb. Esser, geschenkt […].“5

Maria Helena Esser, geb. Kemmerling, heiratete am 15. August 1830 in zweiter Ehe in Erkelenz Johann Aegidius Printzen; es ist eben jener Aegidius Printzen, dem im Jahr 1830 die Oerather Windmühle gehörte, die 1820 noch unter dem Besitz von H. Ehser/Eßer, geb. Kemmerling geführt wurde.6 Maria Helena Kemmerling selbst starb – erneut verwitwet – am 18. Februar 1878.

So tradiert das in der Denkmalliste der Stadt Erkelenz geführte Grabkreuz die Namen eines Ehepaares, das zu seinen Lebzeiten an der Entwicklung innerhalb der Stadt erkennbar Anteil hatte.7

  1. Blaesen, P., a. a. O., S.73
  2. Ebd. Auch die Beschreibung des Kreuzes und die Inschrift
  3. Lennartz, J., a. a. O., S.130
  4. Lennartz, J., a. a. O., S. 131
  5. Steckler, H. J., a. a. O., S. 10
  6. Staatz, P., a. a. O., Seite 96
  7. Text: Agnes Borgs für den Heimatverein Erkelenz im Juli 2024, ein Dank geht an Dietmar Schmitz für die Stammdaten der Familie Eßer
  1. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 17, 1998. Paul Blaesen: Zeichen am Wege, Seite 73/74
  2. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 12, 1992. Josef Lennartz: Die Vor- und Frühgeschichte des Erkelenzer Gymnasiums, Seite 123 - 138
  3. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. Heinsberg, 2015. Darin: Peter Staatz, Die Mühlen im Kreis Erkelenz in den Jahren 1820 und 1830, S. 86 ff.
  4. H. J. Steckler, Das Progymnasium zu Erkelenz. In: Zu der öffentlichen Prüfung der Schüler des Progymnasiums zu Erkelenz, welche am Dienstag den 29. August 1865 im Rathaus-Saale gehalten wird, Erkelenz, Seite 3 bis 11

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