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Hexen in Erkelenz

sonstiger Name: Hexenprozess gegen Oerather Frauen
Stichworte: Frühe Neuzeit
1502 bis 1598

Hexenverfolgung

Gerade in der Frühen Neuzeit setzten in Europa verstärkt Hexenverfolgungen ein. Dabei werden als Hexen Männer und Frauen verstanden, die Zauberei, vor allem Schadzauber, praktizierten und dabei mit dem Teufel im Bunde standen. Neuere Forschungen gehen davon aus, dass etwa zwischen 1430 und 1782 circa 60.000 Menschen wegen Hexerei zu Tode gekommen seien. Darunter lag der Anteil der Frauen und Mädchen bei 75 bis 80 %, der Anteil der Männer und Jungen bei 20 bis 25 %.1 Von den 60.000 Toten sollen etwa 20.000 in Deutschland hingerichtet worden sein. Für viele Angeklagte endete der Hexenprozess mit einem Freispruch oder einer Ausweisung oder Verbannung. Da die Angeklagten aber häufig gefoltert wurden, überlebten viele die Torturen nicht oder wurden trotz des Freispruchs stigmatisiert oder diskriminiert.

Wieso wurden gerade in diesem Zeitraum Menschen wegen angeblicher Hexerei so massiv verfolgt? Die Forschung nennt hier vor allem soziale, pandemische, religiöse und wirtschaftliche Schwierigkeiten in dieser Zeit, die dazu führten, dass verstärkt Sündenböcke für die Missstände gesucht wurden. Die Forschung nennt häufig folgende Faktoren, die zu einer verstärkten Verunsicherung und Zukunftsangst der Bevölkerung führten:

  • Die so genannte kleine Eiszeit im 15. Jahrhundert und die damit verbundenen Missernten, Hungersnöte und wirtschaftlichen Probleme,
  • die Reformation und Verunsicherungen im christlichen Glauben allgemein. In dieser Zeit erwarteten die Priester verstärkt das Eintreffen des jüngsten Gerichtes, waren in höchstem Maße sensibilisiert, wenn es um Glaubensabweichungen ging,
  • Pandemien bzw. Epedemien wie die Pest und Kriege.

Die Kirche, insbesondere die Inquisition, spielte sicherlich eine gewichtige Rolle bei der Schürung der Ängste in der Bevölkerung. Die Aufgabe der Inquisition war aber nicht, Hexen zu verfolgen und zu verbrennen, sondern die Menschen wieder auf den Pfad der wahren Religion zu führen. Die meisten Hexen wurden von weltlichen Gerichten verurteilt.

Das Resultat aller Faktoren war, dass es im Volk zu einer Hexenverfolgungshysterie kam und Menschen aus den geringsten Anlässen heraus denunziert und anschließend gerichtet wurden. Oft ging es den Denunzianten um die Verfolgung eigener Interessen durch die Anzeige.2

Man handelte nach dem Motto: Wer unbequem ist, wir denunziert.

© Public domain, via Wikimedia Commons | Hexenprozess in Salem
Hexenprozess in Salem

Hexenverfolgung in Erkelenz

Aus dem Raum Erkelenz gibt es vier Hinweise auf Hexenverfolgung. Bereits 1502 soll es in Erkelenz einen Hexenprozess gegeben haben. Nähere Einzelheiten liegen uns dazu nicht vor.3 Auch wird von einer Frau aus Bellinghoven berichtet, der im Jahre 1572 der Hexenprozess gemacht wurde. Entgegen der Auffassung von Hetty Kemmerich, dass auch hier weder über den Namen, die Anklage oder das Urteil Näheres berichtet wird4, befindet sich in den Gerichtsprotokollen des Roermonder Hauptgerichtes die Beschreibung einer Verleumdungsklage, die uns den Namen und den Vorwurf nennen.5 Genau beschrieben wird auch ein Hexenprozess gegen zwei Oerather Frauen im Jahre 1598 im Erkelenzer Stadtarchiv.6. Auf beide beschriebenen Verfahren wird im Folgenden eingegangen.

Hexe von Bellinghoven

Eine Bellinghovener Frau, Frens von Bellinghoven, verklagte im Jahre 1572 Jengen Arnoldts, sie als Hexe bezeichnet zu haben. Eine Befragung ergab, dass die Nachbarschaft vor sechs Jahren den Vogt aufgefordert habe, Frens wegen Hexerei aus der Nachbarschaft auszuschließen und Jengen sie deshalb als Hexe bezeichnet habe. Die Schöffen legten dem Gericht eine Kopie der Verhandlungen damals vor, woraufhin die Schöffen beschlossen, die Frage, ob Frens wirklich eine Hexe wäre, durch ein zweimaliges peinliches Verhör (Folter) zu entschieden. Nach deren Durchführung beharrte Frens allerdings weiter darauf, weder Mensch noch Vieh verzaubert zu haben. Das Ergebnis der Verhöre wurde Jengen und der Nachbarschaft mitgeteilt, die daraufhin keine Hexenanklage gegen Frens erhoben. Danach wird Jengen am 18. März 1572 dazu verurteilt, die Gerichtskosten zu zahlen und einen Schadenersatz an Frens zu leisten. Wie hoch der ausfiel, sollte das Erkelenzer Gericht festlegen. Da es keine Ausführungen dazu gibt, ist die Höhe der Zahlung unbekannt.7 Das Ergebnis der Verhandlungen gegen Frens im Jahre 1566 liegt uns heute nicht mehr vor.

Hexen von Oerath

Styna Knoicken und ihre Tochter Mercken (Maria) wurden am 2. August 1598 inhaftiert. Nachbarn klagten sie wegen Schadenzauber an einem Kind und an Tieren an. Die Verhandlung unter dem Gerichtsvorsitzenden Karl Goickels, Vogt in Erkelenz, begann am 11. August, die Zeugenvernehmungen am 17. August. Teilweise bestehen die Zeugenaussagen nur aus Allgemeinplätzen oder unbegründeten Anschuldigungen.

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Erkelenzer Eidestafel 16. Jh
Erkelenzer Eidestafel aus dem 16. Jahrhundert

Die Zeugenaussagen werden hier aus Josef Gaspers‘ „Hexenglaube und Hexenwahn in Erkelenz“ zitiert, der die Aussagen des Stadtarchives direkt oder indirekt wiedergibt.

„Die drei ersten Zeugen: Zillien (= Caecilia) von Oerath, Stoffer (= Christoph) von Oerath und Tringen (= Katharina) Kirschen wissen nur zu berichten, daß Styna Knoicken und ihre Tochter Mergen schon seit mehr als 30 Jahren im Rufe gestanden haben, ‚daß sie zaubersche seien‘, die erstgenannte weiß auch, daß man ihnen die Schuld an der Krankheit unter dem Viehbestande des Jan Muyser und des Theis Schlömers nachgesagt habe. Aber ob sie dieselben wirklich verschuldet hätten, weiß auch sie nicht.
Die folgende Zeugin, Beel (= Sibilla) Pisters, tritt mit einem bestimmten Ereignis belastend für die Schuld der Angeklagten, besonders der Mutter Styna, auf. Sie habe, so erzählt sie, vor drei Jahren bei der Krankheit ihres Kindes den Wahrsager aus Golkrath kommen lassen und um Rat gefragt. Der habe das Kind als ‚verhext‘ erklärt, und da sie in ihn gedrungen sei, ihr nun auch zu offenbaren, wer dem Kinde den Zauber angetan habe, da habe er geantwortet, die Frau, die demnächst zu allererst das Haus beträte, sei die Zauberin. Kurz darauf sei Styne Knoicken ins Haus gekommen, angeblich um ein Paar Holzschuhe zu kaufen. Sie sei zweimal abgewiesen worden, und als sie zum drittenmale wiedergekommen sei, habe ihr der noch anwesende Wahrsager gesagt: ‚Frau, es ist Euch nicht um die Holzschuhe zu tun!‘ Darauf sei Styna erschrocken und stillschweigend, offenbar im Gefühle ihrer Schuld, davongegangen und habe das Haus nie mehr betreten.
Christoph von Mecheln, der vor 45 Jahren auf Juffer Anna Rodens Hof als ‚Hoffjunge‘ diente, sagt aus, daß damals auch Styna Knoicken auf dem Hofe in Dienst gewesen sei und schon damals im Rufe der Zauberei gestanden habe. Es sei Unglück unter die Pferde gekommen, und man habe ihr die Schuld daran schon damals zugeschrieben, weshalb sie auch gleich aus dem Dienst verjagt worden sei. Tuell Büschkens und Trin (= Katharina) Nießen berichten von einem Vorkommnis mit Mergen Knoicken im Oerather Feld. Sie hätten dort gemeinschaftlich zu dreien die Dorfkühe gehütet. Plötzlich sei Mergen wie toll aufgesprungen, sei ein paar mal umhergelaufen, habe sich dann auf den Boden gelegt und die Beine in die Luft gestrecket. […]

© https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ | Albrecht Dürer | Hexe reitet auf der Ziege, ca. 1500
A. Dürer: Hexe reitet auf der Ziege, ca. 1500


Der nächste Zeuge ist Johann Esser: Vor drei Jahren […] habe er plötzlich Styna Knoicken in einem naheliegenden Haferstück gesehen, ganz nackt, die Haare wild um den Kopf hängend. Ein Hase, der nur ein Ohr gehabt (!), habe sich um sie herumgetummelt. Sie selbst sei mehrmals aus dem Haferstück herausgelaufen und wieder hinein und habe dabei ein jämmerliches Geschrei ausgestoßen. […]
Auch Stynas eigener Sohn Heinrich muss zugestehen, dass er selbst durch seine Rede zu erkennen gegeben, als habe er seine Mutter und Schwester als Zauberinnen angesehen. So habe er einmal, als es sich darum handelte, Mergen an einen gewissen Daniel von Isengraben zu verheiraten, gesagt: ‚Wenn Daniels Modter zu Isengraben und mein Modter und Süster zu Oerae anfangen (= sich zusammentun), dann wird ein getümmel daraus, daß sich die koehe (= Kühe) toedt tantzen.‘ Heinrich Knoicken gibt zu, so oder ähnlich gesprochen zu haben; er habe das aber in der Absicht getan, um zu erforschen, was man darauf sage, und um dann einmal einen fassen zu können, der seine Mutter und Schwester der Zauberei beschuldigte.[…]
Sie brachten auch Zeugen bei, die ihren guten Leumund und unbescholtenen Lebenswandel dartun sollten. So bezeugte besonders der Halfmann Welter von Oerath, daß er seiner Zeit die beiden Angeklagten, als sie ohne Wohnung gewesen seien, um Gotteslohn auf seinen Hof genommen habe. Sie hätten ihm damals treue Dienste geleistet, sein Vieh gehütet usw. Er wisse gar nichts Nachteiliges von ihnen zu sagen. In ähnlichem Sinne sagte seine Hausfrau Mergen aus. Auch Hein (= Heinrich) Schiefers, Peter Halfen zum Busch, Trina (=Katharina) Lemmen, Peter Schuhmacher und Peter Rebolt geben zwar zu, daß man Styna und Mergen Knoicken stets ‚Zaubersche‘ gescholten habe, sie hätten aber nie etwas erfahren, wodurch ihre Schuld zu erweisen sei.“8

© Wikipedia Common | helmut | Hexenfolterstuhl in Neuss
Hexenfolterstuhl in Neuss

Die Angeklagten wiesen jede Schuld von sich. Ihr Anwalt Peter Berck konnte zwar die Aussagen der Zeugen widerlegen, verhinderte allerdings nicht, dass das Gericht eine „peinliche Befragung“9 anordnete. So begann am 6. Oktober 1598 die Befragung unter Folter, die allerdings keinen Sinneswandel bei den Angeklagten ergab. Selbst nachdem Styna eine Viertelstunde aufgehängt und ausgepeitscht worden war, änderte sie ihre Aussage nicht. Der Gerichtsvorsitzende wollte daraufhin ein Geständnis durch stärkere Foltermittel erzwingen. Er wurde aber von den sieben Schöffen überstimmt.

Da die Unschuld nicht bewiesen werden konnte, übergab das Gericht die Angelegenheit an das Obergericht in Roermond. Die Angeklagten wurden bis zur endgültigen Urteilsverkündung freigelassen. Das Appellationsgericht in Roermond ließ sich mit der Verhandlung bis zum Jahre 1607 Zeit. Am 5. Februar 1607 erging das Urteil, dass die Angeklagten des Landes verwiesen werden. Ob beide Frauen zu dem Zeitpunkt noch lebten, ist nicht bekannt. Die Länge des Prozesses zeigt allerdings, dass diesem Hexenprozess keine hohe Bedeutung beigemessen wurde.10

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Titelseite der Broschüre "Stina und Mergen"
  1. siehe Hetty Kemmerich, a. a. O., Seite 5
  2. siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenverfolgung (Stand: 12:2023)
  3. siehe Hetty Kemmerich, a. a. O., Seite 105
  4. siehe Hetty Kemmerich, a. a. O., Seite 115
  5. siehe Schriftenreihe der Stadt Erkelenz, Band 1, a. a. O., Seite 177 f. Beide Fälle sind im Rijksarchief in Limburg, archief van het hoofdgerecht Roermond, Mappe 205 nachzulesen.
  6. siehe Josef Gaspers, a. a. O., Seite 6
  7. siehe Schriftenreihe der Stadt Erkelenz, Band 1, a. a. O., Seite 178
  8. Josef Gaspers, a. a. O., Seite 7 ff.
  9. Befragung unter Folter
  10. Text von Wolfgang Lothmann 2023 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Wikipedia, Wikipedia Deutsch. https://de.m.wikipedia.org/, Hexenverfolgung (Stand: 12.2023)
  2. Hetty Kemmerich, Hexenprozesse am Niederrhein. Für das Internet bearbeitete Ausgabe. ISBN: Dortmund, http://anton-praetorius.de/downloads/ Kemmerich_Hexenprozesse_Rheinland_Chronik_Einzelschicksale.pdf , 2018
  3. Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.), Schriftenreihe des Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Grüne Hefte). Heft 3, 1921. Josef Gaspers: Hexenglaube und Hexenwahn in Erkelenz
  4. Stadt Erkelenz (Hrsg.), Schriftenreihe der Stadt Erkelenz. Band 1, Studien zur Geschichte der Stadt Erkelenz vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit. Köln 1976
  5. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 20, 2006. Darin: Maria Meurer: Die weibliche Seite der Heimatgeschichte, Seite 72 bis 85

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