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Franzosenzeit in Keyenberg

Kategorien: Keyenberg
Stichworte: Franzosenzeit
1794 bis 1815

Einleitung

„Eine eiserne Zeit, von der noch unsere Großväter mit leisem Schauer und verhaltener Ehrfurcht zu erzählen pflegten“1, so beschreibt Leo Sels die Zeit der französischen Besatzung im linksrheinischen Gebiet. Anfang Oktober 1794 besetzten französische Truppen die linksrheinischen Gebiete. Ein in Wanlo verteiltes Flugblatt begrüßte die Bürger und verdeutlichte die neuen Grundsätze der Besatzung: „Den eroberten Ländern zwischen Rhein und Maas Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Tod den Tyrannen, Heil den Hütten, Krieg den Palästen. Wir geben dir die Freiheit, glückliches Land“2. Bis Keyenberg 1815 ein Teil Preußens wurde, gehörte es zur Verwaltungseinheit Mairie Kuckum im Kanton Erkelenz, Arrondissment Crefeld, Département de la Roer. Die Situation in Keyenberg stellte sich in dieser Zeit wie folgt dar: Die Einwohnerzahl in Keyenberg wurde in der französischen Bevölkerungsliste des Roer Departements 1799 mit 295 Personen angegeben.3

In der gesamten Mairie Kuckum wurden in einer Landeserhebung aus dem Jahr 1807 2490 Einwohner verzeichnet, die in 434 Häusern und Wohnungen lebten.4 Seit 1754 erlitt die Region einen wirtschaftlichen Niedergang, der sich auch während der französischen Besatzungszeit nicht maßgeblich verbesserte.5

Allgemeine Dienstpflicht und Militär

© https://de.wikipedia.org/wiki/Franzosenzeit#/media/File:Aus_der_Franzosenzeit_(Henseler).jpg | Ernst Henseler | Ernst Henseler: Aus der Franzosenzeit, 1894

Napoleon Bonaparte führte während seiner Herrschaft eine große Anzahl an Kriegen wie zum Beispiel gegen Preußen (1806/7) oder gegen Russland (1812). Dafür benötigte er eine große Anzahl an Soldaten für seine „Grande Armée“, die er durch Einführung und rigorose Durchsetzung einer Allgemeinen Wehrpflicht verpflichtete. Diese Wehrpflicht wurde auch auf die neu besetzten Gebiete wie der linksrheinischen Region und somit auch auf Keyenberg ausgeweitet. Für die Durchführung der Dienstpflicht brauchte es konkrete Einwohnerdaten zu den dienstpflichtigen Jahrgängen (1779 bis 1794), welche zum einen den beschlagnahmten Kirchenbüchern entnommen, zum anderen in eigenen Erhebungen untersucht wurden.6 Für die Mairie Kuckum, zu der Keyenberg gehörte, verzeichnete die Erhebung aus dem Jahr 1804, dass jährlich ca. 20 Rekruten gemeldet werden könnten.7 Ab 1799 wurden in Sittard die ersten Einwohner eingezogen, es kann also davon ausgegangen werden, dass auch im nicht weit entfernten Keyenberg ungefähr ab dieser Zeit Einwohner zur Armee abgeordnet wurden.

Dass der Militärdienst keine freiwillige Entscheidung war, stellen drastische Strafen unter Beweis. Wer sich zum Beispiel der direkten französischen Kontrolle entzog, indem er in das linksrheinische Gebiet emigrierte, der wurde mit Beschlagnahmung des eigenen Vermögens, sowie mit Repressalien gegen Eltern und Paten bestraft.8 Ab 1811 wurden außerdem großangelegte Razzien im gesamten Roer-Departement durchgeführt, um Deserteure zu finden und zu bestrafen.9

Neben der Dienstpflicht interessierten sich die Franzosen jedoch auch für andere militärische Faktoren in den besetzten Gebieten. So geht aus einer Landeserhebung zum Kanton Erkelenz hervor, dass der Kanton einfach zu verteidigen und ein gutes Schlachtfeld darstellen würde. Auch Informationen über die mögliche Anzahl an unterzubringenden Soldaten (ca. 4000 – 5000) und Pferden (etwa 1200) wurden zusammengestellt.10

Das Kirchenwesen

Kaum ein Bereich des gesellschaftlichen Lebens unterlag während der französischen Herrschaft mehr größeren Veränderungen. Die katholische Kirche wurde territorial komplett neu geordnet. So wurden Diözesen aufgelöst und neue Pfarrbezirke aufgebaut. Bischöfe und Pfarrer wurden ausgewechselt oder im Amt bestätigt. Inhaber höherer Ämter mussten außerdem einen Treueid auf den französischen Staat ablegen. In Erkelenz und Keyenberg änderte sich jedoch auf territorialer Ebene kaum etwas. Der gesamte Kanton Erkelenz unterstand der Kantoralpfarre (curé) und war in Succursal-Pfarreien (desservans succusales) aufgeteilt. Diese entsprachen weitestgehend den Mairen, also den Bürgermeistereien. Speziell in der Mairie Kuckum gab es jedoch drei Succursal-Pfarreien, sodass Keyenberg seine eigene Pfarrei behielt.11 Von 1792 bis 1811, also fast während der gesamten französischen Herrschaftszeit hatte Johann Peter Joseph Schmitz das Amt des Keyenberger Pfarrers inne. Er stammte aus dem Ort Oberdrees (geboren 1767) und empfing 1792 die heilige Priesterweihe.12 Auch außerhalb der Kirche gab es Veränderungen. So mussten jegliche christlichen Symbole aus dem öffentlichen Stadtbild entfernt werden, stattdessen wurden in den Mairien Bäume gepflanzt, geschmückt und als „Freiheitsbäume“ in feierlichen Versammlungen verehrt.13

Das Schulwesen

In Keyenberg fand sich eine der drei Primärschulen in der Mairie Kuckum. Die Anzahl an Schülern war im stark landwirtschaftlich geprägten Keyenberg abhängig von der Jahreszeit. Im Sommer waren etwa 40 Kinder in der Keyenberger Schule, im Winter mehr als doppelt so viele (ca. 90). Dafür wurde die Keyenberger Schule im Gegensatz zu den anderen beiden Schulen in der Mairie Kuckum nicht während der Erntezeit für einen Monat unterbrochen.  Geht man in der gesamten Mairie Kuckum von 430 schulpflichtigen Kindern aus, so gehörte die Schule in Keyenberg im Vergleich jedoch eher zu den kleineren Schulen. Mit 81 Reichstalern im Jahr an Schulgeld war die Keyenberger Schule jedoch die einträglichste in der Mairie Kuckum.14

15
  1. Ruricher Chronik des Bürgermeisters Peter Christ. Mertens a. a. O
  2. Mackes, Karl a. a. O., S. 55 – 57
  3. Bevölkerungslisten Kanton Erkelenz, 1799
  4. Paul Blaesen und Theo Görtz, a. a. O., S. 95
  5. Düwell, Kurt, Erkelenz und der Kreis Heinsberg zwischen Maas und Börde. Politische, soziale und wirtschaftliche Veränderungen westlich von Niers und Erft in der rheinischen Geschichte vom 18. Bis zum 20. Jahrhundert, S. 98
  6. Vgl. Heinrichs, Georg, a. a. O., S. 61. Sowie Paul Blaesen und Theo Görtz, a. a. O., S. 60
  7. Paul Blaesen und Theo Görtz, a. a. O., S. 60
  8. Vgl. Heimatkalender 1989
  9. Vgl. Heinrichs, Georg, a. a. O., S. 61
  10. Vgl. Paul Blaesen und Theo Görtz, a. a. O., S. 107
  11. Vgl. Helmut Karg, Anton Everts – Pfarrer unter Napoleon. Wer war Anton Everts? In: Schriftenreihe des Heimatvereins Erkelenz, Band 31, 2018, Seite 58 f.
  12. Vgl. Schmitz a. a. O., S. 22
  13. Vgl. Mackes, Karl a. a. O., S. 55 – 57
  14. Richter, a. a. O.
  15. Text von Lea Schreck 2018 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.), Heimatblätter. Monatsschrift für Heimatkunde. Heft 7, 1930: Ruricher Chronik des Bürgermeisters Peter Christ. Mertens, herausgegeben und eingeleitet von Leo Sels,
  2. Karl L. Mackes, Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. Mönchengladbach, ISBN: 3-87448-122-0, 1985, Seite 55 - 57
  3. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 9, 1989: Paul Blaesen und Theo Görtz: Das Erkelenzer Land in französischer Zeit. Eine Erhebung aus dem Jahr 1807
  4. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. bis 2002: Heinrichs, Georg: Heimische Opfer aus Napoleons Armee. Nachrichten über den großen Rußlandfeldzug von 1812/13
  5. Kreis Heinsberg (Hrsg.), Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1989
  6. Helmut Karg, Anton Everts – Pfarrer unter Napoleon. Seite 58 f.
  7. Josef Schmitz, Keyenberg - "Die alte Herrlichkeit" - Ein geschichtlicher Rückblick.. Erkelenz, Seite 22
  8. Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.), Heimatblätter Monatsschrift für Heimatkunde. Nr. 2, 1929: Richter: Das Schulwesen des Kantons Erkelenz am Ende der französischen Herrschaft (1840),
  9. Land Nordrhein-Westfalen (Hrsg.), Landesarchiv Nordrhein-Westfalen. Roerdepartement 1738I, Bevölkerungslisten Kanton Erkelenz, 1799
  10. Heimatverein der Erkelenzer Lande e.V. (Hrsg.), Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 31, 2018, Helmut Karg, Anton Everts – Pfarrer unter Napoleon. Wer war Anton Everts?

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