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Reinhold Klügel

⁎ 25.09.1878 † 07.09.1965
1921 1961 Ratsherr

Ein Leben für Heimat, Gewerkschaften und Politik

Reinhold Klügel war deutscher Zentrumspolitiker, Arbeitersekretär der christlichen Gewerkschaften, Mitbegründer der CDU 1945 und des Heimatvereins der Erkelenzer Lande 1948.


Geburt und Jugend

Geboren wurde er am 25. September 1878 in Niederlangenau (Grafschaft Glatz) in Schlesien. Er entstammte einem katholischen Elternhaus. Sein Vater David war gelernter Müller und Mühlwerkbauer, trat dann in den Dienst der königlich-preußischen Eisenbahnverwaltung ein. Seine Mutter Anna war Hausfrau. Reinhold besuchte die Volksschule in Bösdorf, Kreis Neisse bis 1892 und begann danach eine Tischlerlehre in Ottmachau.

Bereits 1895 trat er in den katholischen Gesellenverein in Glatz, 1903 in die Zentrumspartei, 1906 in die katholische Arbeiterbewegung (KAB) ein.

© Dr. Rainer Klügel | 1908-08-10 Postkarte aus Glogau von Reinhold Klügel an seine Familie (Vorderseite)
Postkarte vom Katholischen Vereinshaus in Glogau (Niederschlesien Oder)

Wanderjahre

Nach der Gesellenprüfung war er 1896-1905 tätig als Tischlergeselle in Schlesien, Westfalen, im Rheinland, Süddeutschland, der Schweiz und Italien, teilweise als Handwerksgesellen-Wanderschaft. Seine letzte Arbeitsstelle war in Mülheim bei Köln, dann zog es ihn nach 3,5 Jahren Abwesenheit nach Giesmannsdorf, wo die Familie lebte, zurück und er arbeitete als Geselle in Neusse und Breslau.

© Dr. Rainer Klügel | 1901-12-23 Heimatschein Königreich Preußen
Der Heimatschein wurde benötigt, um bei längeren Auslandsaufenthalten die Heimat bzw. Staatsbürgerschaft auszuweisen.

Weiterbildung und soziales Engagement

1905 Nach einem 10wöchigen Lehrgang bei der Zentrale für den katholischen Volksverein in Mönchengladbach wurde er zu Werbe-, Organisations- und Vortragsarbeit zu verschiedenen Orten wie Neustadt O/S oder Kattowitz u.a. entsandt.. Dort lernte er die vielseitigen Probleme der Arbeiter, ihre wirtschaftliche Not und ihren Kampf für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen vor Ort kennen und eignete durch unermüdliches Selbststudium großes und umfassendes Wisen an. Ab 1909 war er Arbeitersekretär der christlichen Gewerkschaften und der KAB in Schlesien und Magdeburg.

© Dr. Rainer Klügel | Adolf Welzel | 1906-07-01 Postkarte aus Wartha in Schlesien von Reinhold Klügel an Martha Hein in Neustadt, Oberschlesien (Vorderseite)
1906 Postkarte aus Wartha in Schlesien von Reinhold Klügel an Martha Hein in Neustadt, Oberschlesien (Vorderseite).

Heirat und Familie

1908 heiratete er Martha Hein aus Neustadt O/S., das Paar hatte vier Söhne und vier Töchter.

© Dr. Rainer Klügel | 1908-08-10 Reinhold und Martha Klügel - Hochzeit (3)
10. August 1908 Hochzeitsfoto von Reinhold Klügel und Martha, geb. Hein
© Dr. Rainer Klügel | 1938 Reinhold und Martha Klügel mit allen Kindern 2
1938 Reinhold und Martha Klügel mit allen Kindern

Gewerkschafter und Militärdienst

1912 erhielt er eine Anstellung als Arbeitersekretär des Volksvereins für den Bezirk Mönchengladbach und betreute rund 7777 Mitglieder in 34 Vereinen, hielt 117 Vorträge und nahm an zahlreichen Konferenzen und Tagungen teil.

1915 wurde er zum Heeresdienst im 1. Weltkrieg einberufen und als Landsturmmann eingeteilt zu Bahnschutz und Grenzwache am Niederrhein, dann arbeitete er zunächst in Frankreich in Heereswerkstätten, bevor seine Vorgesetzten sein Rednertalent entdeckten. Ab Winter 16/17 hielt er dann erfolgreich ca. 130 sozial- und staatspolitische Vorträge vor Soldaten und Offizieren.

© Dr. Rainer Klügel | 1917 Reinhold Klügel im Grabenkrieg, Argonnen (Mitte links am Maschinengewehr) (1)
1917 Reinhold Klügel im Grabenkrieg, Argonnen (Mitte links am Maschinengewehr)

Triebfeder in der Arbeiterbewegung

Nach dem 1. Weltkrieg kehrte er 1918 nach Mönchengladbach zurück, um Mithilfe am Wiederaufbau der kath. Arbeiterbewegung in wirtschaftlicher Notzeit, Inflation, politischen Unruhen, Ringen um Demokratie und Republik zu leisten. Das Gehalt war klein und die Sorgen um die Familie, inzwischen 6 Kinder, groß.

1919 wurde ein eigener Bezirksverband des Volksvereins für die Kreise Erkelenz, Geilenkirchen und Heinsberg gegründet verbunden mit dem Umzug der Familie nach Erkelenz 1920, was zur 2. Heimat wurde. Klügel war der erste Bezirkssekretär. Fahrten zu Vorträgen, Versammlungen, Besprechungen erfolgten meist mit dem Fahrrad „durch Wind und Wetter“. Klügel hatte kein Büro, kein Telefon oder eine Schreibhilfe; seine Aufgabe war Rechtsberatung der Arbeiter in allen Fragen der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung, ferner in Schul-, Steuer- und Militärdingen.

Auch mit den niederländischen Arbeitersekretären wusste er sehr gut zusammen zu arbeiten. Es erfolgte 1921 eine große Begegnung niederländischer und deutscher Arbeiter und Gewerkschafter in Dalheim, Klügel hielt Vorträge in Roermond, Sittard und Maastricht. Man gab sich gegenseitig Rechtshilfe im Sozial-Arbeitsbereich, besonders wichtig für die „Grenzgänger“- Arbeiter.

Um die Interessen der Arbeiter zu vertreten, übernahm Klügel viele Ehrenämter. Er war Mitglied des Kreisparteivorstandes der Zentrumspartei, 1922 bis 1933 Stadtverordneter im Rat der Stadt Erkelenz, Mitglied im Verwaltungsausschuss des Arbeitsamtes Erkelenz, Mitglied des Spruchausschusses des Landesarbeitsamts Köln, Beisitzer im Oberversicherungsamt Aachen, Schöffe, um nur einige zu nennen. Laut eigener Notizen hielt er „Tausend Vorträge im Land“ und lieferte Beiträge für die Presse oder war als Berichterstatter tätig.


Wahlredner und NS Verfolgter

Um 1929/30 erstarkte die NSdAP; die kath. Arbeiterbewegung sprach sich gegen Radikalismus von rechts und links aus, lehnte entschieden den Antisemitismus der NS ab wie den Klassenkampf der Kommunisten. Klügel hielt in den Jahren 1930 bis 1933 zahlreiche Wahlreden für die Zentrumspartei. Die Reden wurden oftmals gestört durch NS-Schlägertrupps, die durch Sprechchöre oder Zwischenrufe den Redner niederzubrüllen suchten. Körperliche Gewalt wurde angedroht und Klügel selbst entging einem geplanten brutalen Zusammenschlagen nur knapp.

Mit der sog. Machtergreifung der NSdAP kam im April 1933 das Ende von Klügels hauptamtlichen und ehrenamtlichen Tätigkeiten. Die Existenzsorgen für die große Familie wurden drückend. Klügel versuchte mit einer Tätigkeit als Versicherungsagent, dem Schreiben von Zeitungsartikeln heimatkundlichen und naturkundlichen Inhalts, die Familie über Wasser zu halten unter ständiger Beobachtung und Bespitzelung durch die NS-Partei.

Am 01. Juli 1933 wurden die Geschäftsstellen des Volksvereins (Sitz in Mönchengladbach) von den Nazis durchsucht und das Vermögen beschlagnahmt, am 21. Juli 1933 kam es zur Auflösung des Volksvereins, die Abrechnung des NS-Regimes mit den Verantwortlichen des Volksvereins wegen „Korruption“ scheiterte aber in den Volksvereinsprozessen 1933-35. Auch die Wohnung von Reinhold Klügel wurde am 01.07. durchsucht und Druckschriften beschlagnahmt.

Reinhold Klügel war von Februar 1940 bis April beschäftigt als Hilfsangestellter beim Steueramt in Erkelenz, wurde auf Betreiben der Nazis entlassen und kriegsdienstverpflichtet als Arbeiter mit einem Stundenlohn von 0,80 RM bei der Maschinenfabrik Clasen in Erkelenz.

© Dr. Rainer Klügel | Blatt 62
Denunziation von Reinhold Klügel durch den Ortsgruppenführer Eggerath

Verhaftung und Evakuierung

Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 kam es zur Hausdurchsuchung bei Reinhold Klügel und seiner Verhaftung wegen Verdachts auf Mitwisserschaft. Er wurde von der Polizei in Erkelenz verhört und zur Übergabe an die Gestapo in Aachen zum Bahnhof nach Erkelenz geführt, allerdings nach einem Anruf, angeblich von der Gestapo Aachen, wieder frei gelassen.

Anfang Oktober 1944 erfolgte die Evakuierung der Familie nach Soltau/Niedersachen, erneut wurde Klügel kriegsdienstverpflichtet in der Heeresmunitionsanstalt Munsterlager.

© Dr. Rainer Klügel | 1944 Reinhold und Martha Klügel in Soltau
1944 Reinhold und Martha Klügel während der Evakuierung in Soltau

Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg

Nach Ende des 2. Weltkrieges kehrte die Familie nach Erkelenz zurück, die Wohnung war behelfsmäßig bewohnbar, die Einrichtung teilweise gestohlen oder beschädigt, Heiz- und Kochmöglichkeiten sowie Wasser-, Gas- und Lichtanschluss fehlten noch längere Zeit. Obwohl die Altersgrenze bereits überschritten war, wollte Klügel aktiv am Aufbau nach dem Krieg teilnehmen. Er wurde von Januar 1946 bis April 1949 Angestellter bei der Kreisverwaltung in Erkelenz, u.a. als Geschäftsführer des Entnazifizierungsausschusses, als Schriftleiter des Amtlichen Mitteilungsblattes und als Betriebsratvorsitzender.

Nebenberuflich bemühte er sich um den Aufbau der KAB, um Mitgliederwerbung für die CDU, wurde Mitbegründer der Orts- und Kreispartei der CDU und war von 49 bis 51 Kreisvorsitzender, danach Ehrenvorsitzender, Ratsherr der CDU-Fraktion in Erkelenz, lange Jahre in den Sozialausschüssen tätig.

1948 war er Mitbegründer des Heimatvereins der Erkelenzer Lande.

Bis 1963 arbeitete er als Dozent an der Volkshochschule des Kreises Heinsberg, zuletzt geführt mit 6 Doppelstunden „Das Zeitgeschehen“ und war Mitarbeiter an den jährlichen Heimatkalendern der Erkelenzer und der Heinsberger Lande.

Orden und Ehrungen

Das päpstliche Ehrenzeichen „Pro Ecclesia et Pontifice“ wurde ihm am Heiligabend 1953 für seine vielfältigen Verdienste im öffentlichen Leben von Oberpfarrer Leopold Wiggers in seiner Wohnung überreicht. Am 28. April 1954 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande als 1. im Kreis Erkelenz.

© Dr. Rainer Klügel | 1961-03-09 Reinhold Klügel und Bürgermeister Jansen bei Ernennung zum Ehrenratsherrn 2
9. März 1961 Reinhold Klügel und Bürgermeister Jansen bei der Ernennung zum Ehrenratsherrn

Im Januar 1956 verlieh ihm Bundeskanzler Adenauer als Ehrenvorsitzender der CDU des Kreises Erkelenz die Adenauer-Medaille als „Dank für treue Mitarbeit“. 1961 wurde er nach einstimmigem Ratsbeschluss Ehrenratsherr der Stadt Erkelenz .

© Dr. Rainer Klügel | Ehrenurkunde zur Verleihung der Ehrenbezeichnung 'Ehrenratsherr der Stadt Erkelenz' (1961)
Urkunde zur Ernennung als Ehrenratsherr der Stadt Erkelenz

Am 07. September 1965 verstarb er im Alter von fast 87 Jahren. Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde er zu Grabe getragen. In Erkelenz ist die Straße Reinhold-Klügel-Hof nach ihm benannt.1 2 3

© Dr. Rainer Klügel | 1965-09-07 Totenzettel Reinhold Klügel (Seite 2)
Totenzettel Reinhold Klügel
1965-09-10-Beerdigung_Klügel
10. September 1965 Beerdigungszug Reinhold Klügels, er wird unter großer Anteilnahme zu Grabe getragen.

Verwandtschaft

  1. Ursula Klügel (Tochter Reinhold Klügels und Bildhauerin, 1922- 2006): Sein Leben in Stichworten
  2. Schriften des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V., Band 13, S. 70ff, Schriftsteller im Erkelenzer Land, Reinhold Klügel, von Andreas Amberg
  3. Text Rita: Hündgen, Layout: Bernd Finken

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