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Haus Pesch

Geschichte

Erstmalig wird der Rittersitz „Werencenrode“, später als Haus Pesch bekannt, 1265 urkundlich erwähnt und liegt im gleichnamigen Dorf, dem östlichsten Ortsteil des ehemaligen Kreises Erkelenz, des heutigen Kreises Heinsberg. In einer Urkunde bestätigen die Ritter Weltherus und Aladrus von Werencenrode den Verkauf von Land an das Kloster Duissern. Der Name „Werencenrode“ deutet auf die Rodung des Landstrichs hin.
Die Chronik von Immerath weist Reinhard Hoen von dem Pesch bis 1361 als Eigentümer Werencenrodes aus. Die Herkunft seiner Vorfahren ist nicht genau geklärt. Möglicherweise lebte das Rittergeschlecht Hoen von dem Pesch, die der Jülich’schen Ritterschaft angehörten, schon länger da. Wahrscheinlich hatten sie aber als Grundherren der Pfarre von Immerath auch ihren Sitz dort, den sie allerdings aus unbekannten Gründen verließen. Das Gut Werencenrode, für das sich in dieser Zeit der Name Haus Pesch einbürgerte, war über fünf Generationen hinweg bis ins 16. Jahrhundert hinein Sitz der Familie Hoen von dem Pesch. In dieser Zeit hatte sie auch das Patronatsrecht Immeraths inne und war verpflichtet, der Gemeinde einen Priester zu stellen.
Ein Nachfahre Reinhards, Ritter Heinrich Hoen von dem Pesch, heiratete 1470 Metza von Melich und wurde dadurch auch „Herr zu Tüschenbroich“. Ebenfalls durch Heirat ging der Hof im 16. Jahrhundert an die Familie der Freiherren von Schönrath. Der Hausherr Johann von Schönrath starb jedoch früh und hinterließ Haus Pesch seiner Witwe Maria von Reifferscheidt, die in zweiter Ehe Gottfried von Bocholz heiratete. Diese Eheschließungen brachten mit sich, dass in den folgenden Generationen ein fast 100-jähriger Erbfolgestreit derer von Schönrath mit unter anderem denen von Bocholz und von Palant ausbrach, die alle Erben früherer Herren zu Pesch waren und das Haus Pesch zu ihrem Besitz zählen wollten.
Mittlerweile war Haus Pesch auch zum Ausgangsort der Siedlung „Werretsrath“ geworden, die sich nach dem alten Namen des Gutes benannt hatte. Die ersten Häuser des Dorfes, das sich zwischen Haus Pesch im Westen und zwei größeren Gütern im Osten zog, gehörten wahrscheinlich den Bediensteten der Güter. Die Bezeichnung Pesch konnte sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts für den gesamten Ort durchsetzen.

© Dirk Decker | Haus-Pesch 17. Jh
Ansicht von Haus Pesch um 1690

Den langen Erbstreit beendete ein Urteil, in dem Haus Pesch den Gebrüdern von Bongart, die Erben der von Schönraths waren, zugesprochen wurde. Die einzelnen Familienzweige der von Bongarts konnten sich aber nicht über ihre jeweiligen Anteile einigen, so dass sie familienintern ebenfalls um Haus Pesch stritten. Neue Prozesse begannen, vorerst gab es allerdings kein endgültiges Urteil. Auch in den folgenden Generationen konnte der Streit um Haus Pesch nicht beigelegt werden. Das wurde in dieser Zeit von einem Rentmeister verwaltet.

© Historisches Archiv der Stadt Köln | Historisches Archiv der Stadt K | Haus Pesch, Codes Welser (Historisches Archiv Köln, Best. 7101
Haus Pesch um 1723 aus dem Codex Welser

Ein Urteil aus dem Jahre 1729 setzte dem Streit dann ein Ende. Das Haus gehörte von nun an den Freiherren von Bongart, die es mit seinen inzwischen 418 Morgen Land für den landwirtschaftlichen Betrieb verpachteten. 1847 brannten das gesamte Dorf und die zwei Höfe komplett nieder. Nur Haus Pesch blieb erhalten. Die letzte Besitzerin aus der Familie, Freifräulein Odilia Karolina von dem Bongart, starb 1879 kinderlos und vermachte das Anwesen ihrer Schwester, die es wiederum ihrem Neffen Reichfreiherr von Loe zu Bergerhausen vererbte. Im Jahre 1898 wurde der Hof zum Verkauf angeboten und vom Rittmeister Josef Decker aus Düsseldorf erworben. Nach seinem Tod im Jahre 1914 wurde das Rittergut von einer Erbengemeinschaft verwaltet, bis es 1947 schließlich von Dr. Hermann Josef Decker erworben wurde. Haus Pesch blieb bis zum Jahre 2009 im Besitz der Familie Decker, die das Gut bewirtschaftete und bewohnte.
Mit näher rückendem Braunkohletagebau wechselte dann zum letzten Mal der Eigentümer. RWE Power erwarb das gesamte Areal mit den Gebäuden und den landwirtschaftlichen Flächen. Vor Abriss von Haus Pesch im Jahre 2010 wurden erhaltenwerte Teile von der Familie Decker ausgebaut und mit an den neuen Standort nach Ramrath im Rhein-Kreis Neuss genommen.

Haus Pesch 1989

Haus Pesch im Jahre 1989. Auszug aus dem Film „Wunderbare Welt – Bedrohte Ortschaften“ der Stadt Erkelenz von 1989 (Copyright Stadtarchiv F5/43)

Ansichten von Haus Pesch

Bauwerk

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Haus Pesch by Lothmann on Sketchfab

Modell von Haus Pesch im Jahre 2010, erstellt von Dr. Christoph Meixner

Die Grabenanlage, die einst das gesamte Gut umgab und das Herrenhaus durch einen zweiten Wassergraben von den Wirtschaftsgebäuden abtrennte, war zuletzt nicht mehr im ursprünglichen Zustand erhalten. Es existierten nur noch die tiefen Wassergräben der äußeren Nord- und Ostseite. Das Herrenhaus bestand aus zwei Flügeln, die im rechten Winkel zueinander standen und einen zweiten kleinen Innenhof vom Vorhof mit seinen Wirtschaftsgebäuden abtrennten. Dieser Innenhof war auf der Westseite durch eine Mauer abgegrenzt, die einen Wehrgang besaß und mit zahlreichen Schießscharten versehen war. Man betrat den Vorhof von Haus Pesch durch den zur Straße hin gelegenen kleinen Torturm aus dem 19. Jahrhundert, dessen Torkeilstein (Sandstein aus Liedberg) das imposante Wappen des Hauses Pesch trägt. Der große, rechteckige Vorhof war umrahmt vom Südflügel des Herrenhauses, in mittelalterlichen Dokumenten auch „das Burghs“ genannt, und einigen Wirtschaftsgebäuden aus dem 19. Jahrhundert. An ihrer Stelle standen auch schon in den vorigen Jahrhunderten Ställe. Das Herrenhaus, das durch ein angebautes Wirtschaftsgebäude zugänglich war, lag an der Stirnseite des Hofes dem Eingangstor gegenüber. Auffällig war der zweigeschossige Turm mit Pyramidendach, der auf der Seite des Vorhofes am Zusammentreffen der beiden Gebäudeflügel wie ihr Ursprung erschien. Das Türmchen zierte eine Wetterfahne mit dem von Bongart´schen Wappen und der Jahreszahl 1766.
Erbaut wurde das dreigeschossige Wohngebäude hauptsächlich im 17. Jahrhundert, was Eisenanker am Südflügel „1663“ und die ehemaligen Kapellenfenster untermauerten. Auf ihnen war die Jahreszahl 1616 zu erkennen. Der ursprüngliche, St. Georg geweihte Kapellenanbau am Ostflügel wurde 1898 abgerissen. Der Ziegelbau war wie die umliegenden Gebäudeabschnitte durch gelb-schwarz gestrichene Fensterläden und Holztore in Szene gesetzt. Das oberste Geschoss des „Burghs“ hatte früher eine Fachwerkfassade, die aber dann hinter einer Ziegelsteinverkleidung verschwand. Die schlichten Stichbogenfenster hatten die Kreuzsprossenfenster vergangener Tage verdrängt und auch die Reste der offenen Holzgalerie auf der Seite zum kleinen Innenhof waren nur noch schwer erkennbar. Als Ersatz für die 1898 abgerissene Kapelle richteten Rittmeister Josef Decker und seine Frau Maria unmittelbar nach dem Erwerb von Haus Pesch eine neue Kapelle im Nordende des Ostflügels ein. Ihre Position war von außen an einem kleinen offenen Dachreiter zu erkennen.

© Dirk Decker | Kapelle Haus Pesch

Früher wurde nur das untere Stockwerk bewohnt. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein dienten die oberen Geschosse als Speicher. Die Einrichtung des Herrenhauses wurde schon im 19. Jahrhundert als schmucklos beschrieben. Der wohl wichtigste Einrichtungsgegenstand war der in der neuen Kapelle untergebrachte kleine Barockaltar. Er trägt das Ehewappen von Johann Hugo von dem Bongart und Maria Josina von Hochsteden, die im 18. Jahrhundert Haus Pesch besaßen. Der Altar ist heute fester Bestandteil der Lambertuskapelle in Ramrath, dem wohl ältesten Gebäude des Rhein-Kreises Neuss.1

Ausgrabungsergebnisse

Vorgängerburg

Während und nach dem Abriss des Hauses Pesch untersuchten Archäologen des Landschaftsverbandes Rheinland das Gebäude und dessen Umgebung.

Beim Abriss stellte man anhand von Balkenuntersuchungen fest, dass im Bau aus dem 17. Jahrhundert Balken von 1481 verbaut wurden. Es hat an dieser Stelle also einen Vorgängerbau gegeben.

In der Tat fand man im Innenhof Kellermauern, die auf einen darüber liegenden, mehrstöckigen Wohnturm als Kernbau der gesamten Anlage schließen ließen.2 Anhand der Bauweise sich anschließender Kellerwände vermuten die Archäologen, dass diese Kellerräume später unter eine Holzanlage gebaut wurden. Diese Anlage muss kurz nach 1583 zerstört und aufgegeben worden sein, was aus Funden der Brandschutzlagen ersichtlich ist.3 Vermutlich erfolgte die Zerstörung während des Truchsässischen Krieges von 1583 bis 1588.

Aus den Befunden lässt sich der Bau vor dem Truchsessischen Krieg gut rekonstruieren. Der Neuaufbau im 17. Jahrhundert zeigt einen deutlich geänderten Grundriss. Die folgenden Abbildungen zeigen den Grundriss und ein Modell dieser alten Anlage.

Lebensstandard in alter Zeit

Die Funde zum baulichen Zustand des Herrenhauses und der Einrichtungsgegenstände aus der Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts zeigen, dass auf der Burg Menschen mit einem gehobenen Lebensstandard wohnten. So besaß die Burg neben der offenen Ofenstelle auch Kachelöfen, deren Kacheln Bildmotive aus Kölner Werkstätten des 16. Jahrhunderts aufweisen.4. Hufeisen, Steigbügel und Radsporen, aber auch Keramikgegenstände und Schuhe zeigen die adlige Kultur, die hier geherrscht haben muss.5

  1. Text von Dirk Decker 2018 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  2. siehe: Dr. Alfred Schuler: Rittersitz Haus Pesch „auf den Grund gegangen“, a. a. O., Seite 22
  3. siehe: Dr. Alfred Schuler: Rittersitz Haus Pesch „auf den Grund gegangen“, a. a. O., Seite 22
  4. siehe: Dr. Alfred Schuler: Rittersitz Haus Pesch „auf den Grund gegangen“, a. a. O., Seite 24 – 25
  5. Text zu den Ausgrabungsergebnissen von Wolfgang Lothmann 2020 und 2022 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. (Hrsg.), Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz - eine Sammlung von Flyern. Band 18
  2. unbekannter Autor, Münchener Hof- und Staatsbibliothek. Slg. Bedinghoven XIX, Bl. 57
  3. unbekannter Autor, Archiv der Stadt Erkelenz. Codex Welser, 1723
  4. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (Hrsg.), Archäologie in Deutschland. Darmstadt, Band 2, 2016. Dr. Alfred Schuler: Rittersitz Haus Pesch "auf den Grund gegangen", Seite 22 bis 25

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