Sie sind hier: Startseite» Borschemich (alt)» Archäologisches Objekt » Priesterin eines geheimen Kultes aus Borschemich

Priesterin eines geheimen Kultes aus Borschemich

Im Tod unsterblich – Eine Priesterin eines geheimen Kultes aus Borschemich

Von Hermann-Josef Heinen

Der Jahresrückblick des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland „Archäologie im Rheinland“ widmet sich in diesem Jahr Gräbern von der Jungsteinzeit bis in die Neuzeit. In der gemeinsamen Ausstellung mit LVR-LandesMuseum Bonn unter dem Titel „Im Tod unsterblich“ wird den Besuchern ein breites Spektrum von archäologischen Höhenpunkten angeboten.

© Hermann-Josef Heinen | Pressekonferenz
Teilnehmer der Pressekonferenz (von rechts): Prof. Dr. Thorsten Valk, Direktor des LVR-LandesMuseums Bonn, Dr. Erich Claßen, Landesarchäologe und Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland, Gregor Wagner, M.A., Wissenschaftlicher Referent des Römisch-Germanischen Museums der Stadt Köln, Ingo Martell, M.A., Referent für Öffentlichkeitsarbeit des LVR-Archäologischen Parks Xanten. Foto: Hermann-Josef Heinen
Hermann-Josef Heinen | AiR-02-P1340305-c16x9-vb30
Digitale Rekonstruktion: Mikko Kriek; Grafik: LVR-LandesMuseum Bonn.

Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland: „Anhand von Neufunden, aber auch weiteren ausgewählten Grabfunden mit teils spektakulärer Ausstattung beleuchtet die Ausstellung, wie menschliche Gemeinschaften mit ihren Verstorbenen umgingen und welche Rückschlüsse Archäologinnen und Archäologen daraus ziehen.“

© Hermann-Josef Heinen | Lebensbild "Jungsteinzeit"
Dr. Erich Claßen vor dem Lebensbild „Jungsteinzeit“ von Samson Götze, Foto: Hermann-Josef Heinen

So erlauben Gräber sowohl durch ihre Art der Beisetzung im Besonderen als auch durch die Beigaben Aussagen zur materiellen und geistigen Kultur, zu Glaubensvorstellungen, Riten und sozialer Stellung. Weitere Informationen liefern zudem die menschlichen Überreste, die Auskunft über Geschlecht, Alter, Krankheiten, Verletzungen und Mangelerscheinungen und damit auch zu Umwelt- und Lebensbedingungen geben können.

In der Ausstellung werden beispielhaft auch einzelne Personen vorgestellt – und so „im Tod unsterblich“: einen Bogenschützen aus Rheinbach, eine Amazone aus Weeze, einen Geköpften aus Kuchenheim, eine Schöne aus Zülpich und einen Krieger aus Bonn-Beuel.

Das Grab einer Priesterin

Auch das Grab einer „Priesterin aus Borschemich“ wird präsentiert, die mit nur 32 Jahren auf dem Areal ihrer villa rustica bei Borschemich zu Grabe getragen wurde. Das Grab aus der Römischen Kaiserzeit des frühen 2. Jahrhunderts n. Chr. zählt zu den außergewöhnlichsten Brandbestattungen in der römischen Provinz Niedergermanien.

© Hermann-Josef Heinen | Grabbeigaben
Dr. Erich Claßen, Leiter des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege stellt die außergewöhnlichen Beigaben aus dem Grab einer Priesterin aus Borschemich vor.
© Hermann-Josef Heinen | Vitrine mit Grabbeigaben
Ein Blick in die Vitrine mit teils spektakulären Beigaben aus dem Grab der Priesterin aus Borschemich

Da religiöse Glaubensvorstellungen im Leben der Verstorbenen eine wichtige Rolle spielten, hatten die Angehörigen einen besonderen Bestattungsort ausgewählt: ein Landheiligtum auf dem Areal ihrer villa rustica. Die Tote wurde hier mit Gold durchwirkten Gewändern und einem goldbesetzten Haarnetz (2) auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Über ihrem Grab errichtete man einen hölzernen, tempelartigen Grabbau. Zuvor legten ihr die Familie oder nahestehende Personen teils einzigartige Beigaben mit ins Grab, darunter einen goldenen Fingerring (2) und einen eisernen Faltstuhl.

Als Waschservice wurden ihr ein bronzenes Becken mit Deckel (3) und ein Doppelhenkelkrug (4) mitgegeben. Drei Glasgefäße (Balsamarien, 5) dienten als Behältnis für Duftstoffe und Salböle, eine Talglampe aus Ton (6) zur Beleuchtung.

Ihr Wirken als Priesterin zeigen uns die Kultgefäße an, darunter eine schliffverzierte Schale aus dem Halbedelstein Chalzedon (7) für Trankopfer mit dem Motiv Ewigen Lebens, eine Griffschale aus Bernstein für Räucherwerk (8).

© Hermann-Josef Heinen | Götterkästchen
Das „Götterkästchen“ (9) mit halbkugeligem Glasbesatz (10) und acht Götterdarstellungen als Zierappliken aus Schildpatt (11 a-h)

Das „Götterkästchen“

Bei diesem Holzkästchen, hier in Rekonstruktion, handelt es sich um eine Acerra, ein Behältnis zur Aufbewahrung von Weihrauch. Das Kästchen (9) war mit halbkugeligen Glaskügelchen (10) sowie mit Zierstreifen und acht figürlichen Zierappliken aus Schildpatt (11), also Hornschuppen des Rückenpanzers einer Schildkröte, besetzt: Sie zeigen die römischen Götter Mars, Apollo, Diana, Minerva, Juno und Sol, aber auch die ägyptisch, griechisch-römische Mischgottheit Hermanubis und den ägyptischen Gott Serapis.

© Jürgen Vogel | Jürgen Vogel, LVR-LMB | 8 Gottheiten
Die acht Gottheiten als Zierappliken aus Schildpatt auf dem „Götterkästchen“
Fotos: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn
© Jürgen Vogel | Jürgen Vogel, LVR-LMB | Serapis

Serapis ist durch das Sonnensymbol auf seiner Kopfbedeckung (Modius, abgeleitet von einem Getreidescheffel) kenntlich. Er tritt hier an die Stelle des höchsten römischen Gottes Jupiter und wird im Rahmen eines Mysterienkultes verehrt. Die hier im frühen 2. Jahrhundert beigesetzte Frau sollte auch über den Tod hinaus als Priesterin dieses stark jenseitsbezogenen Kultus erkennbar sein. Die im Geheimen ausgeübten Kulte erfreuten sich im Römischen Reich großer Beliebtheit. Anders als die römische Staatsreligion versprachen sie eine besondere Nähe zur verehrten Gottheit, in der sich verschiedene Gottheiten zu Glaubensvorstellungen vereinten, und auch die Verheißung von Erneuerung, Wiedergeburt und Ewigem Leben.

Foto: Jürgen Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn

Der mobile Thron

Die besondere Stellung der Priesterin von Borschemich und die exquisite Ausstattung ihres Grabes werden durch den eisernen Faltstuhl, der zusammengefaltet beigegeben war, unterstrichen. Faltstühle gelten als Ausstattungsmerkmal von Gräbern der römischen Oberschicht. Das hier gefundene Exemplar ist jedoch als Unikat ausgeführt.

Der Faltstuhl weicht durch die vorhandene Rückenlehne, die Armlehnen und die Konstruktion von allen bekannten Beispielen ab. Statt der üblichen X-förmig gekreuzten Stuhlbeine, die sich über ein Mittelscharnier einfach auf- und zusammenfalten lassen, verfügt der Stuhl über einen Laufscharniermechanismus. Dieser ist von faltbaren Tischgestellen bekannt, nicht aber von Faltstühlen.

Dieses Fundstück aus dem Grab der Priesterin ist nicht nur ein mobiles Sitzmöbel, sondern auch Zeichen von Amt und Status der Verstorbenen. Ihrer Stellung gemäß konnte sie auf diesem Stuhl thronen.

Hermann-Josef Heinen | AiR-13-P1340369-cbd-vb50
Exquisite Ausstattung des Grabes: ein eiserner Faltstuhl, der zusammengefaltet beigegeben war und als Nachbau

Information

Die Ausstellung „Archäologie im Rheinland“ im LVR-LandesMuseum Bonn ist noch bis zum 20.08.2023 zu sehen. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei.
Mehr über die Ausstellung erfahren Sie auf der Website des Historischen Vereins Wegberg unter: https://www.historischer-verein-wegberg.de/news-and-views-2023-03-01-archaeologie-im-rheinland-2022.php1


  1. Text von Hermann-Josef Heinen vom Historischen Verein Wegberg 2023.

Wenn Sie uns Feedback zu diesem Artikel senden möchten, nutzen Sie bitte dieses Kontaktformular:

    * Pflichtfeld

    VIRTUELLES MUSEUM © 2024
    Datenschutz Impressum Kontakt