Lage
Die Evangelische Hofkirche hat ihren Standort an der Hauptstraße 87 im Stadtteil Lövenich, in der Stadt Erkelenz im Kreis Heinsberg. Geht man auf der Hauptstraße in Erkelenz-Lövenich in Richtung Ortsausgang Baal, so wird man auf der Höhe des Hauses Nr. 87 nichts Besonderes bemerken. Ein Straßenschild an der hier abzweigenden Nebenstraße mit der Aufschrift „An der Hofkirche“ weist auf eine Besonderheit hin. Das Eckhaus aus unterschiedlichem Ziegelsteinmauerwerk mit Fensterreihen in zwei Stockwerken und einem Torbogen in der Hauptfront zur Nebenstraße hebt sich kaum von den anderen Anwesen ab. Schreitet man jedoch durch die Hoftür und durch den vom ersten Stockwerk überbauten Gang, so gelangt man in einen kleinen, von Gebäudewänden umschlossenen Hof, dessen dem Eingang gegenüberliegendes Mauerwerk die Seitenfront einer kleinen Kirche ist: man steht vor der Lövenicher evangelisch-reformierten Hofkirche von 1683.1
Geschichte
Hofkirchen
Im Unterschied zu einer Kirche an einem fürstlichen Hof bedeutet Hofkirche: Kirche im Hof eines Anwesens, rückwärts gelegen, ohne unmittelbaren und offenen, das heißt öffentlichen Zugang von der Straße her. Dem Blick und der Aufmerksamkeit der Vorübergehenden war sie somit entzogen. Diese Art von Kirchenbau trat vornehmlich in Gebieten auf, wo die Protestanten ab dem 17. Jahrhundert zwar geduldet waren, aber kein Aufsehen erregen sollten und zum Selbstschutz auch nicht wollten. Deshalb errichtete man die Kirchen entweder so, dass sie in die Straßenfront eingebunden waren, wie z.B. in Linnich, daher auf den ersten Blick als ganz normales Wohnhaus wirkten oder verlegte die Kirche in den Hof des Gebäudekomplexes. Zur Straße hin befand sich dann ein Haus, das als Pfarrhaus und/oder Schule diente, während man durch das Hoftor zur Kirche gelangte. Da man die Kirchen nicht sehen sollte, sollten sie auch nicht gehört werden, so dass Hofkirchen anfangs in der Regel keinen Dachreiter und keine Glocken hatten.
Im Kreis Heinsberg gibt es eine protestantische Hofkirche noch in Wassenberg.
Bau der Hofkirche in Lövenich
Die Geschichte der Hofkirche in Lövenich ist eng mit der Geschichte der Evangelischen Gemeinde in Lövenich verbunden.
Die Anfänge der evangelischen Kirchengemeinde reichen zum Beginn des 17. Jahrhunderts zurück. Obwohl es schon vorher einzelne Nachweise gegeben hat, dass in Lövenich und Umgebung das Abendmahl in beiderlei Gestalt gefeiert wurde, sind erst um 1610 öffentliche protestantische Gottesdienste in Lövenich belegt.
Nachdem die Spanier das Jülicher Land erobert hatten, mussten diese Gottesdienste aber wieder aufgegeben werden. Erst nach dem 30-jährigen Krieg wurde ein Gemeindeleben wieder geduldet, allerdings blieben die Evangelischen zunächst von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und mussten ihre Gottesdienste in Privathäusern feiern.
Im Jahre 1667 wurde die Kirchengemeinde Lövenich dann offiziell anerkannt. Als Predigthaus diente zuerst ein altes Haus am „Nierhoverend“, das aber wegen Baufälligkeit wieder aufgegeben werden musste. Am Ortsrand konnte man aber ein Grundstück erwerben und im Jahre 1680 mit dem Bau einer eigenen Kirche beginnen, in der dann 1684 die ersten Gottesdienste gefeiert wurden. Sie war noch ohne Turm, Glocke, Orgel und Empore. Die Hofkirche wurde entsprechend der reformierten Tradition als „Predigthaus“ gebaut mit Platz für eine Gemeinde, mit einem „Predigtstuhl“ (der späteren Kanzel), einem Abendmahltisch, auf den bei Bedarf eine Taufschale gestellt werden konnte und dem „Armenstock“ an der Tür für Abgaben und Kollekten. Es fehlt bis heute ein Kreuz oder ein anderes Bild.
Das Pfarrhaus mit Stallungen und Nebengebäuden wurde erst einige Jahre später gebaut. Das Pfarrhaus ist zweigeschossig in sechs Achsen mit einem Walmdach; der kurze Schulflügel wurde im 19. Jahrhundert erneuert. Der Kirchbau und das Gemeindeleben wurden damals auch möglich durch großzügige Kollekten und Spenden aus niederländischen Gemeinden. Als weiterer Wohltäter wird in den Quellen auch Graf Reinhardt Vincenz von Hompesch (Schloss Rurich) genannt.
Die Gesamtanlage der evangelischen Kirche in Lövenich entspricht auch heute noch dem Grundriss aus der Zeit der Erbauung. Es handelt sich um einen Saalbau, in dem entsprechend der calvinistisch-reformierten Glaubenslehre die Verkündung des Wort Gottes im Vordergrund steht. Der Raum ist deshalb ein Predigtraum, der ganz auf die Kanzel und den Altar ausgerichtet ist.
Nach der Notinstandsetzung nach dem 2. Weltkrieg
Das Aussehen der gesamten Anlage blieb bis zum zweiten Welkrieg unverändert, im Jahr 1931 wurden größere Instandsetzungsarbeiten durchgeführt. Im 2. Weltkrieg wurde die Hofkirche schwer beschädigt, so war die Dachdeckung zerstört, der Dachstuhl beschädigt und es gab Schäden am Mauerwerk. In den 1950iger Jahren wurden die Kriegsschäden beseitigt, in den1960er Jahren erfolgten weitere Sanierungsmaßnahmen.2 Größere Sanierungsarbeiten erfolgten im Jahre 2017 im Innenraum und am Turm. Die Kanzel wurde stabilisiert, das Dach ausgebessert und Schalluken am Turm erneuert. In einem kleinen Vitrinenschrank neben der Eingangstür sind noch weitere Kostbarkeiten der Kirche eingestellt. Dazu gehören die bereits beschriebene Taufschale und die beiden Abendmahlsbecher.3
Posaunenengel
Die Kirche hatte ab 1688 eine Wetterfahne, im Jahre 1804 bekam die Kirche einen Dachreiter, in dem eine kleine Glocke untergebracht wurde. Die alte profane Wetterfahne von 1688 wurde durch einen vergoldeten Posaunenengel mit den Initialen MAS (gestiftet von Maria Agnes Schneiders) ersetzt, dieser wurde zum Wahrzeichen der Gemeinde. 1883 kam anlässlich des Lutherjahres ein neuer Geusen-Daniel mit der Posaune in der einen und der Bibel in der anderen Hand auf den Turm, nachdem der erste schon 1848 aufgrund von Protesten der katholischen Bevölkerung von Kückhoven entfernt werden musste, weil er von weitem sichtbar war.4 In der Fahne trägt der Engel das Wappen des Grafen zu Hompesch auf Schloss Rurich.5
Im Jahre 1900 wurde das stumpfe Glockentürmchen durch die heute noch vorhandene Spitze verlängert. Beide Engel werden heute im Innenhof aufbewahrt, auf dem Türmchen ist eine Kopie des Engels von 1883.6
Glocken
Die erste Glocke erhielt die Hofkirche im Jahre 1804. Diese kam aus dem säkularisierten Augustinerkloster in Aachen, wo sie bis dahin als Messglocke gedient hatte. Die Beschaffung der ersten Glocke 120 Jahre nach dem Bau erklärt sich daraus, dass den reformierten Gemeinden lange Zeit der Gebauch von Glocken untersagt war. Die erste Glocke wurde im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen.
Im Jahre 1840 erhielt die Kirche eine zweite Glocke, deren Herkunft nicht mehr festzustellen ist. Im Jahre 1924 wurde für die abgegebene Glocke aus dem Jahre 1804 eine neue Glocke geweiht.
Auch im Zweiten Welkrieg wurde wiederum eine Glocke eingeschmolzen, die dann im Jahr 1953 ersetzt wurde. 7
Die Innenausstattung
Die Kirche ist ein rechteckiger Backsteinbau, der durch eine Tür unter dem rechten Fenster betreten wird. An der östlichen Schmalseite hängt die Kanzel, darunter steht der Altartisch. Gegenüber an der Westseite nimmt eine schmale Holzempore, auf der sich die Orgel befindet, die gesamte Raumbreite ein. Unter der Empore steht ein fünfsitziger Kirchenstuhl.8
Bei der Kanzel handelt es sich um eine Barockkanzel in Weiß und Gold, die Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffen wurde. Im Jahre 1842 wurde sie von der ehemaligen reformierten Gemeinde in Köln-Mühlheim durch Caspar Simons erworben und der Lövenicher Kirchengemeinde geschenkt.
Unterhalb der Kanzel steht der Abendmahltisch/Altar, der im Jahre 1902 aus der Hauptkirche in Rheydt nach Lövenich kam. Zur Taufe wird die Taufschale auf den Altar gestellt. Diese stammt aus dem Jahre 1775 und ist eine Stiftung aus den Niederlanden. Desweiteren gehören zur Ausstattung zwei Abendmahlbecher (unbekanntes Alter) und ein Gefäß für das Abendmahlbrot aus dem Jahre 1781.
Eine schmale Empore wurde im Jahre 1811 an der Rückseite der Kirche eingebaut, um die Voraussetzungen zum Aufbau einer Orgel zu schaffen. Diese wurde im gleichen Jahr aufgestellt. Die Orgel kam aus einem aufgehobenen Kloster. Diese Schleifladenorgel wurde 1937 durch eine neue esetzt, diese ist aber im 2. Weltkrieg zerstört worden. Seit dem Jahre 1993 gibt es ein kleines Positiv der Firma Stahlhut, Aachen.9
Unterhalb der Empore war schon 1797 ein prachtvolles Gestühl eingebaut, dass von der Familie Strommenger, die der Hofkirche sehr verbunden war, gestiftet wurde. Ein alter Opferstock steht neben dem Eingang.
In einem kleinen Vitrinenschrank neben der Eingangstür sind noch weitere Kostbarkeiten der Kirche eingestellt. Dazu gehören die bereits beschriebene Taufschale und die beiden Abendmahlsbecher.10
Was an Kanzel, Altartisch, Kirchenstuhl und Emporengeländer nach Marmor aussieht, ist kunstvoll getrichenes Holz.11 Aufgrund der Entscheidung für einen Predigerraum gibt es in der Kirche keinen weiteren Schmuck, kein Kreuz, keine Kerzen, keine Bilder.
Die Pfarrer/Pfarrerinnen
Seit etwa 1610 war protestantisches Leben in Lövenich bekannt. Es gab aber keine eigene Gemeinde, die Gläubigen wurden u. a. von Predigern der Nachbargemeinden, z. B. Linnich, Hückelhoven oder Kirchherten betreut. Aber das kirchliche und auch private Leben der Protestanten in Lövenich war sehr eingeschränkt und manchen Repressalien unterworfen. Die Lövenicher Protestanten wehrten sich, aber erst im Jahre 1667 wurde die Gemeinde offiziell anerkannt. Anfangs gehörte die Gemeinde zu Hückelhoven, wurde 1669 mit Kirchherten „combinirt“, was bis 1684 Bestand hatte.
Mit Andreas Stephani, der in Otzenrath wohnte, kam dann im Jahre 1684 der erste Pfarrer nach Lövenich. Er blieb Pfarrer bis zum Jahre 1726.12
Danach folgten als Pfarrer/Pfarrerinnen:13
1727 – 1781 | Werner Strommenger |
1782 – 1838 | Arnold König |
1838 – 1850 | Johann Carl Abraham König |
1850 – 1899 | Ernst Keller |
1900 – 1932 | Hans Keller |
1932 – 1938 | Paul Krügers |
Pfarrsitz wird nach Erkelenz verlegt | |
1938 – 1941 | Walter Kastrup |
Nach der Einberufung von Pfarrer Kastrup wird die Gemeinde von Pfarrer August Wirtz aus Schwanenberg mitversorgt | |
1946 – 1956 | Johannes Dinger |
1956 – 1959 | Paul Pfeiffer |
Nach der Trennung der beiden Gemeinden 1959 bleibt Paul Pfeiffer bis 1981 Pfarrer in Erkelenz | |
1960 – 1975 | Kurt Beyer |
1975 – 2001 | Lutz Dittmar |
2002 – 2011 | Antje Lizier, geb. Saalmann |
2012 – 2016 | Sven Dreiser |
Seit 2017 ist Friederike Lambrich Pfarrerin in Lövenich.
Die Schule
Die reformierten Gemeinden haben von Anfang an eigene Schulen errichtet. Diese sollten u.a. gewährleisten, dass die Gemeindemitglieder die Bibel lesen und verstehen konnten. Aber auch Rechnen, Geschichte, Kathechismus und Singen gehörten zum Lehrstoff. In Lövenich gab es bereits einen evanglischen Lehrer bevor die Gemeinde einen eigenen Prediger (ab 1684) hatte.
Die Gemeinde hatte nacheinander verschiedene Räume für den Schulunterricht, zum Teil auch in der Lehrerwohnung. Im Jahre 1834 wurde auf Anordnung der preußischen Behörden in der Verlängerung des Kirchengebäudes ein eigenes Schulhaus errichtet. Im 2. Weltkrieg wurde dieses Schulgebäude so schwer beschädigt, dass es abgebrochen wurde, ein Wiederaufbau erfolgte nicht. 14
Nach dem 2. Weltkrieg wurde zunächst das Lehrerhaus auch als Schule genutzt, weil die alte Schule ja zerstört war. Die evangelische Schule wurde später im Neubau (1956) der Nysterbach Schule untergebracht bis sie in die Gemeinschaftgrundschule aufging. 15
Der Friedhof
Hinter der Kirche und dem Garten liegt der Friedhof der evangelischen Gemeinde. Er wurde Anfang des 17. Jahrhunderts (1624) angelegt. Einige alte barocke oder klassizistische Grabsteine aus dem 18./19. Jahrhundert sind noch vorhanden, z. T. in die Außenmauer eingelassen.16
- Enno Leonhardt, a.a.O.
- Lutz H. Meyer, a.a.O.
- Siehe Flyer „Evangelische Hofkirche Lövenich“
- Ekkehard Krumme, a.a.O.
- Hans Josef Broich – Günter Wild, a.a.O., Seite 283
- https://evki-loevenich.de/geschichte-der-gemeinde (Stand: 08.2021) und Enno Leonhardt, a.a.O
- Hans Hilberath, a.a.O.,Seite 87ff
- Hans Josef Broich – Günter Wild, a.a.O., Seite 81
- Hans Hilberath, a.a.O., Seite 146
- Siehe Flyer „Evangelische Hofkirche Lövenich“
- Hans Josef Broich – Günter Wild, a.a.O., Seite 282
- Hans Josef Broich – Günter Wild, a.a.O., Seite 72
- https://evki-loevenich.de/geschichte-der-gemeinde (Stand: 08.2021)
- Hans Josef Broich – Günter Wild, a.a.O., Seite 281
- Hinweis von Gerd Peerlings
- Text von Günther Merkens 2021 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz - eine Sammlung von Flyern. Heft 9; Enno Leonhardt ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 19, 2003; Hans-Josef Broich/Günter Wild: Evangelisch im Erkelenzer Land ,
- Heimatkalender der Erkelenzer Lande. Erkelenz, 1967, Ekkehard Krumme: Der Posaunenengel auf der evangelischen Kirche zu Lövenich; Seite 40 ff. ,
- Heimatkalender des Kreises Heinsberg. 1984, Lutz H. Meyer: Die 300jährige Hofkirche von Lövenich; Seite 54 ff. ,
- Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 7, 1984; Hans Hilberath: Glocken und Orgeln des Stadtgebietes Erkelenz ,
- https://evki-loevenich.de. https://evki-loevenich.de, (Stand: 07.2021) ,
- Evangelische Hofkirche Lövenich (Flyer). Erkelenz-Lövenich, (Stand: 08.2021) ,
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