Bedeutung der Hausweberei im 17. – 19. Jahrhundert
Betrachtet man die Gewerbelandschaft in Keyenberg Mitte des 19. Jahrhunderts, so waren die drei größten Wirtschaftssektoren in dieser Zeit die Landwirtschaft, die Hausweberei und das Handwerk.1 Während Landwirtschaft und Handwerk uns heute noch ein Begriff sind, ist die Hausweberei bereits Ende des 19. Jahrhunderts flächendeckend von mechanischen Betrieben abgelöst worden. Grund genug, um diesen untergegangenen Wirtschaftszweig eingehender zu betrachten:
Die Region um Aachen, Köln, sowie kleinere linksrheinische Städte war bereits seit dem 12. Jahrhundert eine „Hochburg der deutschen Weberei“, spezialisiert auf Wollweberei.2 Auf dem Lande um dieses Zentrum herum war dagegen die Leinenweberei durch die hier vorherrschende Flachserzeugung verbreiteter.3 Im 17. Jahrhundert wurden dann viele Weber durch teure Lebensverhältnisse und der Verfolgung von Protestanten aus den großen Städten (hauptsächlich Köln und Aachen) in Kleinstädte wie zum Beispiel nach Heinsberg gedrängt, was die Entwicklung der sogenannten „Verlagssysteme“ beschleunigte.4
Der Beruf des Hauswebers und -spinners entstand jedoch erst im 18. Jahrhundert als Möglichkeit für einen Nebenverdienst von Kleinbauern. So hatten sie die Möglichkeit ihre eigenen Erzeugnisse (z.B. Flachs) weiterzuverarbeiten und für einen höheren Preis zu verkaufen. Dies erleichterte außerdem die Vererbung eines Hofes, da ein Sohn die Ackerwirtschaft und die übrigen die Weberei und Spinnerei übernahmen. Die Webstühlen gehörten in diesem Falle den Bauern.5
Hausweberei in Keyenberg
Im Jahr 1858 verzeichnete der Ort Keyenberg bereits 327 Handwebstühle, wobei 315 von ihnen in der Baum- und Halbbaumwolle tätig waren. 1880 lag die Anzahl an Webstühlen in Baum- und Halbbaumwolle nur noch bei 115, wohingegen 192 Webstühle in Sammetwaren zu finden waren. Es gab also verschiedene Trends und Bewegungen innerhalb des Gewerbes, die zu Schwankungen und Veränderungen führten. Die Zahl aller Webstühle in Keyenberg war bis 1880 auf 341 gestiegen. Setzt man diese Zahl in eine Relation zu den 550 Haushaltungen, die Keyenberg zu dieser Zeit verzeichnete, so wird deutlich welch enorme Bedeutung der Wirtschaftszweig für die Keyenberger hatte.
Produziert wurde für Verlagsgeschäfte und Manufakturen, die hauptsächlich in Rheydt und Möchengladbach angesiedelt waren. 1855 arbeiteten 5 Keyenberger Webstühle für Rheydter Baumwoll-Verlage und 26 für Gladbacher. Zwischen 1860 und 1890 wurde die Textilindustrie immer wieder von Krisen heimgesucht, was mit längeren Perioden der Arbeitslosigkeit für die Heimweber einherging, sodass sie letztlich Ende des 19. Jahrhunderts von mechanischen Handwebstühlen in Fabriken verdrängt wurden.6
Noch heute zeugen rund um den Keyenberger Sportplatz etliche Bodenvertiefungen von den ehemaligen Flachsrösten7, die hier existierten und die Vielzahl der Hauswebereien bezeugen.
8- vgl. Karl L. Mackes: Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet a. a. O., Seite 297
- Hans Michel: Die hausindustrielle Weberei Deutschlands, a. a. O., S. 10f.
- Hans Michel, a. a. O., S. 10f.
- Verlagssysteme: Ein Meister beschäftigte bis zu 40 Gesellen in deren Häusern und vermittelte deren Arbeit gegen bestimmten Anteil am Lohn.
- Hans Michel, a. a. O., S. 38.
- vgl. Karl L. Mackes, a. a. O., Seite 296 ff.
- Eine Flachsröste ist eine mit Wasser gefüllte Grube, in die die geernteten Flachshalme geworfen wurden. Sie blieben hier solange liegen, bis abgesehen von den spinnbaren Fasern alles verrottet war (rösten heißt rotten, verrotten). Da der Verrottungsprozess mit Gestank verbunden war, legte man die Kuhlen meist im Wald an.
- Text von Lea Schreck 2018 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
- Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. Mönchengladbach, ISBN: 3-87448-122-0, 1985, Seite 286 ff. ,
- Die hausindustrielle Weberei Deutschlands. Entwicklung, Lage und Zukunft, . Jena, 1921, Seite 10 ff. ,
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