Spatzen

Vom Ungeziefer zum Naturschutz

So ändern sich die Zeiten!

Sperlinge – im Rheinland sagt man Spatzen – müssen in den Dörfern des Erkelenzer Landes vor der intensiv betriebenen Landwirtschaft eine Plage gewesen sein. Johann Corsten, ehemaliger Bürgermeister in Immerath, berichtet in einem kurzen Artikel der Erkelenzer Blätter davon, dass sie im 19. Jahrhundert gar als Ungeziefer bezeichnet und vernichtet wurden. Lassen wir ihn in dieser kleinen Anekdote selbst zu Wort kommen:

Ein kleiner Beitrag aus dem Immerather Ländchen aus der guten alten Zeit
Von J. Corsten, Gemeindeobersekretär, Immerath

© Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. | Wolfgang Lothmann | Johann Corsten: Ein kleiner Beitrag aus dem Immerather Ländchen aus der guten alten Zeit

Daß vor 100 Jahren der biedere Ackersmann auch geplagt war, läßt eine Bekanntmachung des Bürgermeisters Kemmerling aus Pesch vom 17. August 1827 erkennen, welche an zweien nacheinanderfolgenden Sonntagen an den Kirchtüren zu Immerath und Holzweiler angeheftet wurde, wonach die Spatzen sich so vermehrt hatten und großen Schaden anrichteten. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, soll jeder Eigentümer oder Pächter eines von ihm bewohnten Hauses oder Hofes gehalten seyn, von jedem Schornstein vier Spatzenköpfe zu liefern mittels Einfangung. Weiter verordnet der Bürgermeister, daß er mit der Empfangnahme und nachheriger Verbrennung der Spatzenköpfe beauftragt worden sey und jene, welche dieser Verordnung keine Folge geleistet, dem Polizeigericht zur Bestrafung anzuzeigen. Aus einem vorliegenden Verzeichnisse, enthaltend die Namen der Bewohner, geht hervor, daß von 455 Schornsteinen bis zum 3. X. 1827 1628 Spatzenköpfe abgeliefert und 192 noch rückständig blieben. Jene 48 Feuerstellen, von welchen noch keine Spatzenköpfe eingeliefert, waren teils von ganz armen Leuten bewohnt, teils unbewohnt. Der Bürgermeister drückt dann weiter aus, daß er mit dem guten Willen der Einwohner, was die Vertilgung dieses Ungeziefers betrifft, alle Ursache habe, zufrieden zu seyn, um so mehr, als kein einziger sich widerspänstig gezeigt habe, der Aufforderung Folge zu leisten.1

Da der Spatz in erster Linie als Bedrohung für die Aussaat verstanden wurde, galt er als Schädling. Seine Bedeutung als Schädlingsbekämpfer und Insektenvertilger war nur wenig bekannt.

 

Zeitzeugen aus Keyenberg und Berverath berichten, dass selbst nach dem Zweiten Weltkrieg auf Spatzen noch ein Kopfgeld ausgesetzt war, das vom Bürgermeister ausgezahlt wurde. Es wird gemunkelt, dass das Geld für einen Vogel öfter bezahlt wurde, da die Dorfjugend dem Bürgermeister bereits bezahlte Vögel wieder stibitzten und ihm erneut anboten.

Mit zunehmender Intensivierung der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg und die zunehmender Zersiedlung der Ortschaften nahmen auch die Sperlingskolonien ab. Die stichprobenartige Zählungen der Gartenvögel, die der Naturschutzbund Deutschlands in jedem Jahr durchführt, zeigt zwar, dass der Haussperling noch immer der meistverbreiteteste Vogel ist (im Kreis Heinsberg wurden 2018 in 95 Gärten noch 631 Vögel gezählt2), es dürfte aber auch klar sein, dass diese Zahlen lange nicht an die der Vergangenheit heranreichen.

So wurde aus einem Plagegeist in unseren Ortschaften in nicht einmal 50 Jahren eine Seltenheit.

Text von Wolfgang Lothmann

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  1. Erkelenzer Geschichts- und Altertumsverein (Hrsg.), Heimatblätter Monatsschrift für Heimatkunde. Heft 8, 1925, Seite 64: Johann Corsten: Ein kleiner Beitrag aus dem Immerather Ländchen aus der guten alten Zeit
  2. Naturschutzbund Deutschland, https://www.nabu.de. /tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/ergebnisse/15767.html?formchange=1&jahr=2018&bundesland=Nordrhein-Westfalen&vogelart=Haussperling&ort=053700000000
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