Vorbemerkung
Willi Karsch nahm in den Anfängen des Rad- und Motorradsportes von 1904 bis 1907 überwiegend als Schrittmacher bei Radrennen und ab 1907 bis 1926 an Motorradrennen teil. Durch seine besondere Fahrtechnik wurde er ein regionaler Spitzenfahrer. Viele spannende Rennen wurden zwischen ihm und Paul Rüttchen ausgefochten.
Vita
Willhelm Karsch wurde am 7. Mai 1884 in Grambusch geboren1, er machte eine Lehre als Schlosser2.
Wie er zum Motorradrennsport kam, ist nicht bekannt.
Anfänge
In den Anfängen des Radsports fuhr er als Schrittmacher bei den Radrennen mit. Ob er später die ersten Motorradrennen mit den Schrittmacher-Maschinen oder mit normalen Motorrädern fuhr, ist nicht bekannt.
Erstmals erwähnt wurde er am 25. Juli 1904 bei dem internationalen Rad- und Motorradrennen auf Haus Sittard in Rheindahlen3. Es fanden sechs Rennen statt. Als Erstfahrer ging Wilhelm Karsch ins Rennen und gewann das 1000 Meter Rennen in 43 Sekunden.
Am 29. August 1904 beim Flieger Derby um Haus Sittard in Rheindahlen erreichte er den dritten Platz4.
Am 26. August 1906 war Willi Karsch aus Grambusch beim 2. großen Radrennen in Wassenberg der Schrittmacher des dunkelhäutigen Woody Headspeth oder Hedspath5. Dieser errang im Radfahren den 1. Augustpreis (100 Mark) und den 1. Preis im Hauptfahren (40 Mark), sowie den „Großen Preis von Wassenberg“, ein 40 km Rennen (600 Mark). Bei dem folgenden Motorradrennen errang Willi Karsch den Hauptpreis6.
Zweiter Radfahrer von links ist Waodn Hedspath-Indianopolis, dritter Pongs und der letzte rechts Rippelmeyer. Willi Karsch ist leider nicht auf dem Foto.
1906 Eröffnete Wilhelm Karsch ein Fahrrad- und Motor-Geschäft mit Reparaturwerkstatt.
Am 9. September 1907 war er im Zoologischen Garten in Aachen der Schrittmacher des Radfahrers Pongs. Karsch kam der Einfriedung zu nahe und stürzte. Er schied mit dem Radfahrer Pongs aus7.
Motorradrennen, regionale Erfolge
Die Wassenberger Rennbahn wurde seine Stammbahn bis zu ihrer Schließung 1926.
Am 24. September 1913 fand auf dem Wassenberger Sportplatz eine hochinteressante Prärie-Wildwestvorführung statt. Der verwegene Wildwest-Mann Texas-Tex als gewandter Reiter forderte Willi Karsch zum Rennen „Pferd gegen Motorrad“ über 10 Kilometer heraus8.
Texas-Tex wechselte bei jeder Runde fliegend das Pferd. Willi Karsch verlor das Rennen9.
Der Erste Weltkrieg bricht aus – Mobilmachung in Deutschland
Zeitungsanzeige vom 1. August 1914
Von 1914 bis 1918 fanden während des ersten Weltkrieges keine Rennen statt.
Danach fanden die ersten Rennen in Wassenberg wieder 1921 statt. In einer erste Voranzeige am 3. Juli 1921 wird auf das Rennen zur „diesjährige[n] Bundesmeisterschaft von Deutschland“ aufmerksam gemacht.10
Unter den Gemeldeten befindet sich Willi Karsch aus Erkelenz.
Das Ergebnis ist leider nicht bekannt.
Die Wassenberger Rennbahn 1906 bis 1926
Am 25. Mai 1906 hatte man mit dem Bau der ersten Rad-und Motorradbahn in Wassenberg begonnen. Die 500 Meter lange und acht bis zehn Meter breite Erdbahn wurde am 29. Juli 1906 durch den Birgelener Radfahrer-Verein mit einem Rennen eröffnet. Um das Projekt zu unterstützen, stellte die Stadt das gegenüber der Firma Krahen & Gobbers liegende Gelände zur Verfügung. Da bei jedem Rennen zur Unterhaltung der Besucher auch Konzerte abgehalten wurden, stellte man eine Musikhalle, Erfrischungshallen und Tribünen für die Zuschauer auf. Zur Steigerung der Attraktivität wurde je ein Fahrrad verlost (das goldene Rad von Wassenberg).
Die Veranstaltungen erwiesen sich bei gutem Wetter als voller Erfolg. Zwischen 4.000 und 10.000 Zuschauer kamen zu jedem Rennen. Am 19. September 1926 fand das letzte Rennen statt11.
Ab 1922 begannen die regionalen Rennen zwischen den Lokalmatadoren Paul Rüttchen und Willi Karsch auf ihren schweren Maschinen. Karsch fuhr meistens auf Allright Motorrädern (hergestellt wurden sie in den Köln-Lindenthal Metallwerken), er war mit 38 Jahren gegenüber Rüttchen (25) schon ein alter, erfahrener Rennfahrer. Hier traf Erfahrung auf jugendlichen Leichtsinn und Übermut.
1922 erreichte Karsch den zweiten Platz bei dem Großen Preis des Bezirkes Aachen für schwere Maschinen. Hier ist ein Rüttgers aus Würselen auf Harley-Davidson erwähnt (das könnte Paul Rüttchen gewesen sein). Beim Großen Preis der Ortsgruppe Kohlscheid (auf der Radrennbahn Wassenberg) erreichte Karsch den zweiten Platz12.
1923 hatten sich am 29. April auf der neu gebauten Radrennbahn „Erka“ in Erkelenz trotz ungünstiger Witterung 5000 – 6000 Zuschauer eingefunden. Bei den Rennen mit Hilfsmotoren (Dito mit 5 PS) und mittleren Motoren erreichte Willi Karsch jeweils den ersten Platz. Rüttchen erreichte nur den vierten Platz, weil er gestürzt war. Es fuhren noch andere Rennfahrer aus Erkelenz mit; beim Rennen mit Hilfsmotoren u. a. Königshausen und Brunen13.
Beim Wielrennen im Limburger Stadion in Roermond 1923 verlor Karsch gegen Rüttchen. Den ersten Platz errang „Fritz Rüttgen – Erkelenz“ (vermutlich Paul Rüttchen), Karsch aus Erkelenz wurde Zweiter. Der Sieger bekam „tweo million Mark“. Im Rennen mit mittleren Motoren wurde Willi Karsch Sieger, Rüttchen Zweiter. Bei diesem Rennen flog Rüttchen mit seiner Maschine in den Zaun zwischen die Zuschauer. Keiner der Zuschauer wurde verletzt, aber Rüttchen wurde ein Finger abgetrennt und er verletzte sich schwer am rechten Bein14.
Auch auf den Motorradrennbahnen in Wassenberg, Erkelenz, Köln und Dülken lieferten sich die Lokalmatadore erbitterte Kämpfe. Willi Karsch hatte drei Allright Maschinen in unterschiedlichen Stärken. Bei Rennen mit Hilfsmotoren bis 175 ccm auf den lokalen Rennstrecken waren auch immer leichte Maschinen (1,5 PS) von Jean Fuchs, Erkelenz dabei.
Sein größter Erfolg
Willi Karschs bestes Rennen war in Wassenberg am 30. Juli 1924, das Rennen wurde in einem Artikel in der Westdeutschen Landeszeitung ausführlich beschrieben:
„Unsere Lokalmatadore Rüttchen und Karsch trafen erst kurz vor dem Rennen ein. Das Publikum, das sich bei dem unsicheren Wetter dennoch recht zahlreich einfand, war gespannt ob der Kämpfe, die insbesondere zwischen Soenius, Rüttchen und Karsch ausgefahren werden sollten. Rüttchen und Karsch trainierten nur einige Runden. Dann läutete die Glocke zum ersten Start. Etwa 4000 Zuschauer waren Zeugen der schönen Kämpfe. Es war nur zu bedauern, dass sich eine Reihe gemeldeter Fahrer – wahrscheinlich des unsicheren Wetters wegen – nicht einfanden. In allen Klassen wurden spannende Kämpfe geliefert. Karsch hatte einen guten Tag. Er startete mit 3 neuen Allright Maschinen und konnte den Sieg in der Klasse 1. bis 150 ccm, Klasse 2. 200 bis 250 ccm, Klasse 3. 250 bis 350 ccm und Klasse 4. 350 bis 500 ccm, erringen.
Dann rüstete man zu dem Rennen Nr. 5 – offen für alle Klassen über 500 bis 750 ccm. Die Maschinen werden noch einmal anprobiert und der Start geht los, Karsch die Spitze nehmend. Rüttchens Maschine springt schlecht an und bleibt gleich ¼ Runde zurück. Er holt aber stark auf und geht an Soenius vorbei.
Schon in der 4. Runde kann er unter Hurra der Zuschauer an Karsch vorbei ziehen und die Spitze übernehmen. Es werden scharfe Tempos gefahren, die bisherigen Geschwindigkeiten weit überholend. Rüttchen reißt immer mehr aus. Schon knöpft er Soenius eine Runde ab. Er nähert sich Karsch, den er bereits ¾ Runde überholt hat, er ist nicht mehr zu schlagen. Vorletzte Runde Rüttchen stoppt – Maschinendefekt – schade. Wenn der Defekt auch im Augenblick behoben war, so genügte derselbe doch, die Spitze zu verlieren. Lediglich diesem Umstande ist es zuzuschreiben, dass Karsch auch in diesem Rennen als Erster das Ziel passieren konnte. Rüttchen blieb aber dennoch Zweiter. Karsch erblickte auch in Rüttchen wohl den Sieger, er fuhr mit Rüttchen beide auf dessen Maschine sitzend, die Ehrenrunde, Rüttchen den Kranz tragend. Unsere Lokalmatadore haben sich wacker geschlagen und konnten gegen auswärtige erstklassige Konkurrenz das Feld ehrenvoll behaupten.15
An diesem Tag in Wassenberg hatte Willi Karsch alle Rennen als Sieger eingefahren.
Die beiden Motorräder rechts sind Allright KLM Motorräder mit J.A.P.- Motor später nach 1926 wurden D.K.W. Motoren verbaut16.
Alle beide Rennfahrer in einer Fotomontage.
Karsch Will wurde bei jedem Sieg an der Kreuzung Erkelenz, Wegberger Straße – Rheinweg, mit Musik abgeholt. Alles was Beine hatte begleitete ihn zum Gasthaus Quack. Im hinteren Saal, auch „Hölle“ genannt, wurden dann ausgiebig seine Siege gefeiert17.
Internationale Rennen
Bei den internationalen Rennen war die Konkurrenz stärker und gegen professionelle Rennmaschinen konnte Karschs Fahrstil und sein besonderes Fahrtalent diesen Nachteil nicht ausgleichen, da er im Gegensatz zu den meisten Teilnehmern keine Rennmaschinen, sondern gewöhnliche Straßenmotorräder fuhr. Über sein besonderes Fahrtalent schreibt schon 1906 die Erkelenzer Zeitung: „Beim Motorrennen muß man die Leistung des Lokalmatadors Karsch besonders hoch schätzen, da er irrtümlich der Meinung war, das Rennen sei zu Ende, abstieg. 1 1/2 Runden verlor, jedoch dann wieder weiter fuhr und trotz der starken Konkurrenz gewann.“18 1924 erreichte er beim Eifelrennen nur den vierten Platz19, in Hannover im Oktober den dritten Platz20.
Im Rennen in Breslau am 7. August 1925 wurde Willi Karsch nur Dritter, trotz Lenkerbruch durchfuhr er das Rennen21. Paul Rüttchen durchfuhr diese Strecke in 19 Minuten und 5 Sekunden und stellte den neuen Bahnrekord mit 102,6 km/h auf und wurde auf seiner Harley Davidson Deutscher Kraftradmeister22.
1926 fuhr Willi Karsch noch im März im Aachener Stadion Krummerük. Beim ersten Rennen erreichte er auf einem Fuchs-Motorrad mit Hilfsmotor den 3. Platz, beim dritten Rennen mit der 350 ccm Maschine zweimal den 1. Platz23. Am 2. Mai 1926 auf Homborns wurde mal Paul Rüttchen, mal Willi Karsch Sieger mit ihren schweren Maschinen ab 350 ccm24.
Rückzug vom Rennsport
Es ist nicht bekannt wann Karsch den Motorsport aufgegeben hat. Die letzte Anzeige erfolgte am 7. Juli 1926 in Riehl. Auf der Zementbahn fand das 200 km Mannschaftsrennen statt. Sechs Mannschaften hatten sich mit beliebigen Maschinenstärken (175/ 250/ 350 ccm) gemeldet. In der fünften Mannschaft ist auch Willi Karsch auf einer 350 ccm Allright gemeldet. das Ergebnis ist nicht bekannt25.
Gefahrene Motorräder
Fuchs, Dito, Blackbourn und überwiegend Allright in verschiedenen Stärken.
Familie
Sein Vater, Gottfried Karsch, war Bauer in Grambusch. Wilhelm hatte zwei Brüder, Franz und Gottfried. Wilhelm und Franz eröffneten jeweils ein Fahrradgeschäft in Grambusch. In Grambusch 5 verkaufte Wilhelm nur Fahrräder der Marke „Rabeneick“. Franz hatte das Fahrradgeschäft in Grambusch 8a.
Gerd Karsch (Neffe des Wilhelms) führte die Reparaturwerkstätte noch bis 200926.
Am 11.12.1912 heiratete Wilhelm Karsch, Henriette Weitemeyer27, nach dem Tod Henriettes heiratete er am 26. Oktober 1946 Johanna (Hanny) Richards. Beide Ehen blieben kinderlos.28.
Nach einem Verkehrsunfall kam Willi Karsch in das Wegbergs Krankenhaus, wo er am 9. Juni 1960 verstarb. Er wurde auf dem Friedhof in Schwanenberg beerdigt29.
Autor Rudolf Recker-Proprenter30.
- Standesamtliche Eintragung Schwanenberg
- mündliche Erzählungen der Familie Karsch
- Westdeutsche Landeszeitung vom 25. August.1904
- Westdeutsche Landeszeitung vom 29. August 1904
- https://de.m.wikipedia.org/wiki/Woody_Headspeth
- Westdeutsche Landeszeitung vom 27. 8. 1906
- Aachener Anzeige vom 10. 9.1907
- Westdeutsche Landeszeitung vom 25.9.1913
- Westdeutsche Landeszeitung vom 30.9.1913
- Westdeutsche Landeszeitung vom 1.7.1921
- Heinsberger Kalender 2006, Seite 163ff. Susanne Hindelang und Anja Mülders: Das Goldene Rad von Wassenberg
- Echo der Gegenwart vom 23.8.1922
- Westdeutsche Landeszeitung vom 30. April 1923
- Limburger koerier vom 3. Juli und 24. Juli 1923
- Westdeutsche Landeszeitung vom 30. Juli 1924
- https://de.wikipedia.org/wiki/Allright (Stand: 04.2024)
- Mündliche Erzählungen der Familie Karsch und Hans-Gerd Theissen
- Westdeutsche Landeszeitung vom 30. Juli 1924
- Kölnische Zeitung vom 21. Juli 1924
- Dortmunder Zeitung vom 20. Oktober 1924
- Essener Tageszeitung vom 8. August 1925
- Virtuelles Museum „Paul Rüttchen“
- Aachener Anzeiger vom 29. März 1926
- Duisburger General Anzeiger vom 2. Mai 1926
- Rheinische Volkswacht vom 7. Juli 1926
- Mündliche Erzählungen der Familie Karsch und Herrn Hans-Gerd Theissen
- Aachener Anzeige vom 11. Dezember 1912
- Mündliche Erzählungen der Familie Karsch, Heiratsurkunde 33/1946, schriftliche Informationen Herrn Werner Richartz
- Standesamtliche Eintragung Schwanenberg/Wegberg, Sterbeurkunde Landkreis Erkelenz 68/1960, schriftliche Informationen Herrn Werner Richartz
- Ein besonderer Dank gilt der Familie Karsch, Herrn Hans-Gerd Theissen und Herrn Werner Richards für ihre Informationen
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