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Keyenberg

sonstiger Name: Erkelenz-Keyenberg
Kategorien: Keyenberg
Stichworte: Ortschaften
893

Lage

Keyenberg ist ein Erkelenzer Ortsteil, der am östlichen Rande der Stadt liegt. Unmittelbar östlich des Dorfes verlief bis 2018 die A 61. Im Jahr 2017 wohnten noch 830 Menschen in dem Ort. Obwohl die ursprüngliche Bebauung des Ortes sich an zwei Ausfallstraßen orientiert, hat es durch einen zentralen Marktplatz, um den die abknickende Hauptstraße nach Erkelenz verläuft, und die angrenzende Kirche den Charakter eines Runddorfes. Hinter der Kirche im Norden des Ortes befindet sich der ehemalige Herrensitz Keyenberg.

Erleben Sie Keyenberg von oben mit diesem spektakulären Drohnen-Überflug im Jahre 2018.

Die ursprünglichen Straßen, in denen sich die alte Bebauung des Ortes aus dem 18. und 19. Jahrhundert befindet, sind die Straßen „Borschemicher Straße“ und „Holzweilerstraße“. Alle sich daran anschließenden Wohngebiete wurden in der späteren Zeit, zum großen Teil nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut.

Das Video zeigt Keyenberg im Jahre 1989.

1989 ließ die Stadt Erkelenz einen Film über die Abbauorte unter dem Titel „Wunderbare Welt – bedrohte Ortschaften drehen. Dieses Video zeigt den Ausschnitt über Keyenberg. (Copyright by Stadtarchiv Erkelenz F5/43)

Bis etwa 2010 war Keyenberg noch verhältnismäßig autark. Es besaß zwei Lebensmittelgeschäfte, einen Metzger und Bäcker, eine Dorfgaststätte, Kindergarten und Grundschule, Kleingewerbe und ein intaktes Vereinsleben. Seit die Braunkohlegrube dem Ort immer näher kommt und die Orte Borschemich und Immerath bereits umgesiedelt wurden, haben auch in Keyenberg Geschäfte geschlossen. So gibt es 2016 die beiden Lebensmittelgeschäfte nicht mehr, Gewerbetreibende bangen um ihre Existenz.

Geschichte

Legende

© Markus Zander | Grabplatte Pfarrer Claeßen

Pfarrer Mattias Claeßen schrieb um 1720 die Legende der Hl. Plektrudis in das Lagerbuch der Pfarre zu Keyenberg.

Danach begab sich die Witwe Pippins II. von Herstal, Plektrudis, 714 nach Köln. Hier gründete sie ein freiweltliches Stift, Maria im Kapitol, dem sie unter anderem Keyenborgh schenkte, wo sie angeblich noch zu Lebzeiten ihres Mannes eine Kirche erbauen hatte lassen, der sie eine Reliquie des Heiligen Kreuzes geschenkt habe. 716 soll diese Kirche zur Pfarrkirche erhöht worden sein.

Leider lässt sich diese Geschichte historisch nicht nachvollziehen, da zum Zeitpunkt der Prümer Grundherrschaft das Stift Maria im Kapitol noch keine Besitztümer in dieser Gegend besaß.

Was veranlasste den Pfarrer zu einer solchen Geschichtsfälschung?

Es ging wie so oft um Einfluss und Macht. Der Pastor und das Stift Maria im Kapitol lagen im Streit mit den Einwohnern von Borschemich um das Kollations- und Investiturrecht. In diesem Streit kam diese Geschichte angesichts fehlender Urkunden gerade recht.

Gründung

Im Jahr nach dem letzten Normannen-Überfall 893 verfasste ein Mönch das Güterverzeichnis der Abtei Prüm. Darin wird auch der Gutsbezirk Keyenberg erwähnt.

Er bestand aus 10 Hofstellen grundherrlich abhängiger Bauern. Sie dienten dem Herrenhaus Keyenberg, einer Wasserburg, die höchstwahrscheinlich schon an der Stelle des heutigen Haus Keyenberg stand.

Es gab 93 Joch Herrenland, Wiesen für 10 Heuwagen und Gemeindewald für 1000 Schweine. 93 Joch bebaubares Land dürften etwa 357 Morgen gewesen sein.

Das Jahr der ersten schriftlichen Erwähnung wird auch als Gründungsjahr des Ortes bezeichnet, obwohl die Ansiedlung sehr viel früher existiert hat, wie die Funde aus römischer Zeit beweisen.

Römerzeit

Villa rustica© © Michael Finken | Lage der Villa rustica

Südwestlich von Haus Keyenberg stecken Fundamente einer „villa rustica“ im Boden. Auf dem Südhang der Köhm, einem kleinen Bach hinter Haus Keyenberg, kamen vor Jahrzehnten römische Urnengräber zu Tage.

Bis zum 2. Weltkrieg wurden im Turm der Keyenberger Kirche römische Funde aufbewahrt: Ziegel, ein Säulenstumpf, ein Weihestein mit Inschrift und Glas- und Tongefäße.

Auch ein Altarstein aus dem 2. bis 3. Jahrhundert blieb fragmentarisch erhalten. Dort wird ein Mann namens Trofimus benannt, der mithin ältester bezeugter Keyenberger Bürger ist.

Namensgebung

Eindeutig lässt sich die Namensgebung nicht erklären. Es gibt 2 Theorien:

Woher der erste Teil des Namens, „Keyen“, stammt, ist nicht ganz geklärt. Ursprünglich hieß der Ort „cheyenburhc“, er wurde ab 1168 als „Kyenburch“ bezeichnet. Ab 1381 setzt sich der Name „Keyenberch“ durch, auf den der heutige Name zurückgeht.
Für den Namen „keyen-“ gibt es zwei Erklärungen:
Der Verfasser der Plektrudisdichtung deutet den Begriff als „Stein“ (germanisch Kagi und Kaje)
Wahrscheinlich ist aber die Ableitung vom römischen Namen „Gaio“. Im 8. und 9. Jh. ist der Name als „Keio“ oder „Keyo“ mehrfach bekundet.

Wichtige Geschichtsdaten

Seit dem 14. Jahrhundert gehörte Keyenberg zum Herzogtum Jülich. Von 1398 bis 1554 bildete der Dingstuhl Keyenberg mit Berverath und Westrich ein eigenes Gericht, dann wurde es dem Gericht Wanlo zugeschlagen. Wanlo wiederum lag im jülischen Amt Kaster.

Im Achtzigjährigen Krieg hatte das Dorf in den Jahren 1585 und 1586 unter dem Einfall spanischer Truppen zu leiden. Im März des Jahres 1642 zerstörten hessische Truppen im Dreißigjährigen Krieg mehrere Häuser, darunter den Rittersitz Patteren.

Unter der französischen Herrschaft von 1794 bis 1814 gehörte Keyenberg zur Mairie Kuckum im Kanton Erkelenz.

1815 gelangte Keyenberg zu Preußen. Die ehemalige Mairie Kuckum wurde zur Bürgermeisterei Keyenberg im Landkreis Erkelenz, aber ohne den Ort Kuckum, das zur Bürgermeisterei Wanlo kam. Die neue Bürgermeisterei Keyenberg bestand aus den Orten Berverath, Borschemich, Kaulhausen, Keyenberg, Venrath und Westrich.

1848 wurde die Bürgermeisterei in die drei Spezialgemeinden Keyenberg, Borschemich und Venrath aufgeteilt. Zu Keyenberg gehörten Berverath und Westrich, zu Venrath Kaulhausen. Die Bürgermeisterei blieb aber weiterhin bestehen.

Am 27. Februar 1945 nahmen während der Operation Grenade amerikanische Soldaten des 175. Regiments der 29. US-Infanterie Division das Dorf ein.

1938 wurden die Bürgermeistereien Keyenberg und Immerath zum neuen Amt Holzweiler zusammengelegt. Am 1. Januar 1972 wurde das Amt im Rahmen der kommunalen Neugliederung aufgelöst und seine Gemeinden Teil der Stadt Erkelenz1.

Im Jahre 1993 feierte die Bevölkerung Keyenbergs das elfhundertjährige Bestehen des Ortes mit einem großen Fest in der Turnhalle und einem historischen Umzug.

Seit Dezember 2016 besitzt der Ort den Umsiedlerstatus. Das heißt, dass der Ort dem nahenden Braunkohleabbau Garzweiler II weichen muss. Die Dörfer Keyenberg, Westrich, Berverath und Kuckum werden gemeinsam umgesiedelt. Das neue Wohngebiet liegt zwischen Rath-Anhoven und Borschemich (neu) an der B 57. Die bergbauliche Inanspruchnahme soll im Zeitraum von 2023 bis 2038 erfolgen.

Bevölkerung

Struktur

2017 hatte Keyenberg 813 Einwohner, wobei der prozentuale Anteil männlich zu weiblich bei 52 % zu 48 % lag.

Wie in den Nachbardörfern auch war die Haupterwerbsquelle bis ins 19. Jahrhundert hinein der Ackerbau und die Viehzucht. 1799/1801 gab es 19 bäuerliche Familien. 1858 / 1861 lebten 168 Bauern mit 461 Angehörigen, 80 Knechten, 83 Mägden und 38 Tagelöhnern von der Landwirtschaft als Haupt- und Nebengewerbe in der Bürgermeisterei, die aus den Ortschaften Keyenberg, Westrich und Berverath bestand. Sogar 1970 waren noch 36 Einwohner in der Landwirtschaft beschäftigt. Im Jahre 2018 arbeiteten nur noch 2 Bauern nebenberuflich.2

Das angesiedelte Handwerk im Ort bezog sich meist auf die Grundbedürfnisse der Einwohner. Die Gewerbetabelle von Keyenberg weist 10 Gewerbetreibende für 1696 aus, darunter 4 Schneider. In der Mitte des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl erheblich an. Wir verzeichnen 130 Meister in Keyenberg, wobei nicht verzeichnet ist, ob sie alle einen Betrieb hatten3. Nach dem 2. Weltkrieg existierten immerhin noch 42 Handwerks- und Gewebebetriebe, die teilweise noch bis in die 80er Jahre fortgeführt wurden4. Die zunehmende Konzentrierung der Gewerbe auf Zentren in den Städten und das Alter der Besitzer ließen den Bestand an Gewerbebetrieben im Jahre 2018 auf 7 sinken.

Religion

Die etwas mehr als 830 Einwohner5 Keyenbergs im Jahre 2017 sind größtenteils katholisch. Erst mit dem Bau der Neubaugebiete nach dem 2. Weltkrieg erhöhte sich der Anteil der evangelischen Bevölkerung etwas. Diese gehören zur evangelischen Gemeinde Wickrathberg.

Im Jahre 2014 feierten die Keyenberger Bürger das 1300-jährige Bestehen ihrer Pfarrkirche Heilig Kreuz. Demnach sei die Kirche bereits 714 oder 716, gespendet durch die Heilige Plektrudis, gebaut worden, was aber ein geschichtlicher Irrtum ist. Wahrscheinlich existiert eine Kirche in Keyenberg seit der spätkarolingischen Periode im 9. Jahrhundert. Von einem einfachen, kleinen Saalbau entwickelte sich die Kirche zu einem neugotischen Bau. Die heutige äußere Gestalt bekam die Kirche 1866-67 und 1912-14. Diese Kirche wurde im Innenraum bei nachfolgenden Renovierungen weiß gestaltet. Bei der Renovierung 1979 erhielt sie wieder die prunkvolle Bemalung des Baus von 1914.

Ein letzter Rundgang durch Keyenberg

Das folgende Bild wurde aufgenommen als Keyenberg noch vollständig bewohnt und intakt war. Hier können sie einen kleinen Rundgang durch das unzerstörte Keyenberg starten.

© © Michael Finken 2017 | Claessen- oder Schmitzhof
Keyenberg vor Beginn der Umsiedlung

Umsiedlung

© Wolfgang Lothmann | Fronleichnam Keyenberg 2018

Durch den Umsiedlungsstatus seit Ende 2016 ändert sich das Bild des Ortes im Jahre 2018 fast täglich. Die Bautätigkeit Keyenberg (neu) setzte im Jahre 2017 vehement ein. Bis Mai 2018 zogen bereits 5 Familien in das Neubaugebiet. Viele Familien haben in anderen Orten Eigentum erworben und ziehen nicht mit nach Keyenberg (neu).





© Manfred Kurth | Versorgungsleitungen werden abgeklemmt

Im alten Ort sieht man im Sommer 2018 fast an jeder Ecke Abfallcontainer stehen , die darauf hindeuten, dass wieder ein Haus geräumt wurde. Ende August 2018 gehen die Arbeiter von RWE-Power bereits dazu über in den Straßen die Anschlüsse für einzelne Häuser abzuklemmen. Im Jahre 2019 werden die rückwärtigen Fenster der leer stehenden Häuser zugemauert; damit möchte man dem Vandalismus vorbeugen. In diesen Jahren formiert sich aber auch bei einigen der Widerstand gegen den Braunkohleabbau. Man wendet sich vehement gegen den Abbau der Dörfer und die Zerstörung der Kulturgüter. Im Jahre 2021 schreibt eine neue Regierungskoalition der Bundesregierung Deutschland zwischen SPD, Grünen und der FDP in ihrem Koalitionsvertrag fest, dass der Ausstieg aus der Braunkohle bis zum Jahre 2030 erfolgen soll und dadurch die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath erhalten bleiben. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen beschloss im Oktober 2022, den Vorschlag der Bundesregierung aufzunehmen und den Braunkohleplan entsprechend zu ändern. Trotz der weit vorangeschrittenen Umsiedlung Keyenbergs ist die Erhaltung des alten Ortes damit gesichert.6

  1. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Keyenberg
  2. Mackes: Seite 285 ff.
  3. Mackes: Seite 296 ff.
  4. Angaben durch Zeitzeugen zusammengestellt
  5. https://www.erkelenz.de/pdf/Tourismus/Stadtportrait/Gliederung_der_Stadt/2017-Bevoelkerungstand-am-31_03_2017.pdf
  6. Text von Wolfgang Lothmann  2018, zuletzt erweitert 2023, für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Karl L. Mackes, Erkelenzer Börde und Niersquellengebiet. Mönchengladbach, ISBN: 3-87448-122-0, 1985, Seite 143 ff., Seite 285 ff.
  2. Rainer Merkens, Hans-Josef Pisters, Pfarrkirche und Gemeinde Heilig-Kreuz in Keyenberg von 714 bis 2014. Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e. V. Band 28, Neustadt an der Aisch, ISBN: 978-3-9815182-5-2, 2014, Seite 155

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