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Braunkohlegebiet Garzweiler II

Kategorien: Landschaft
Stichworte: Braunkohleabbau
17. Jhrd. bis 2018

Lage

© unbekannt | Bezirksregierung Köln | Tagebaustand Garzweiler 2015

Das Abbaugebiet Garzweiler II gehört zu den Abbaugebieten des Rheinischen Braunkohlereviers Zwischen Köln, Aachen und Mönchengladbach1. Das gesamte Gebiet weist etwa die Größe des Saarlandes auf. Weite Bereiche des Gebietes wurden aber bereits ausgeschürft. Drei große Gebiete liefern heute nach Braunkohle: Hambach, Garzweiler und Inden.

Garzweiler II wird das Gebiet genannt, das sich am östlichen Rand der Stadt Erkelenz befindet. Es schließt unmittelbar an Garzweiler I an und erstreckt sich südwestlich der Ortschaft Jüchen über die Autobahn A 61 hinweg bis an den östlichen Rand des Stadtgebietes von Erkelenz.

Kurze Geschichte der rheinischen Braunkohle

© Opensource-Karte OpenStreetMap CC BY-SA 2.0 | Thomas Römer | Rheinisches Braunkohlerevier

Erste kommerzielle Nutzungen der Braunkohle, damals noch Torf oder Turff genannt, die man in manchen Teilen des rheinischen Reviers unmittelbar unter der Erdoberfläche schürfen konnte, erfolgten bereits im 17. Jahrhundert. Sie wurde als Grundstoff für die Farbherstellung der Kölnischen Umbra und für die Auslaugung von Alaun verwendet.

Mitte bis Ende des 17. Jahrhunderts ließen die jeweiligen Grundherren die torfähnliche Substanz, die über Tonschichten lagen und bei der Tongewinnung entsorgt wurden, sammeln und trocknen. Dies erfolgte in Töpfen und die Klumpen, die dadurch entstanden, nannte man Klütten. Dieser Begriff hat sich im Revier bis in die Neuzeit als Begriff für die Braunkohlebriketts gehalten. Als Brennstoff verwendete die ärmere Bevölkerung den Brennstoff, da er von niedrigem Brennwert war. Neben der Versorgung der Bevölkerung mit Heizstoff kam die Braunkohle auch zur Verfeuerung in Eisenbahnlokomotiven zum Einsatz. Die große Nachfrage ließen die Tagebaue im Villegebiet aus der Erde schießen. Kurfürst Maximilian Friedrich sah sich am Ende des 18. Jahrhunderts bereits gezwungen, die Besitzer der Gruben zu einer Rekultivierung zu zwingen. Da die Braunkohle nicht als Kohle verstanden wurde, unterlagen die Gruben nicht dem Bergrecht. Dies änderte sich erst in der Franzosenzeit 1812. Die Franzosen hatten erkannt, dass die Braunkohle steuerlich ertragreich war.  Das französische Bergrecht galt in den Rheingebieten nach dem Wiener Kongress auch für die Preußen weiter. Ende des 19. Jahrhunderts gelang es, die Braunkohle zu Briketts zu pressen. Sie fanden großen Absatz in den Rheinischen Eisenbahngesellschaften. In den Gruben wurden nun moderne Fahrzeuge wie Abräumbagger und Schrämbagger eingesetzt.

Durch die Konkurrenz mit der energetisch besseren Steinkohle und der Grubenbetreiber untereinander entstand bei vielen Firmen eine finanzielle Schieflage. 1899 schlossen sich zum ersten Mal 19 Gruben zu einem Verkaufssyndikat zusammen.

Im heutigen Gebiet um Garzweiler wurde 1907 zum ersten Male geschürft. Die Grube zwischen Neurath und Garzweiler hieß Rheingold.

Braunkohle wurde zur Elektrizitätsgewinnung erstmalig 1892 zur Versorgung der Stadt Frechen eingesetzt. Das erste Kraftwerk mit einer Kapazität von einem Megawatt entstand 1899. 1906 kauft RWE dieses Kraftwerk. Seitdem besteht die enge Verbindung zwischen RWE und der Braunkohlenförderung.

Im Laufe des späten 19. Jahrhunderts und vor allem des 20. Jahrhunderts ließ die rasante Entwicklung durch die Technisierung auch die Braunkohleförderung rasant steigern. Dabei nahm die Elektrizität einen immer größeren Anteil an der Braunkohleproduktion ein. Die Brikettförderung kam in den 1970iger und 1980iger Jahre zum Stillstand, da die Heizungssysteme auf Zentralheizungen umgestellt wurden. Einzelbeztriebe mussten sich zu größeren Verbünden zusammenschließen. Die Gruben wurden umfangreicher und tiefer. Die Braunkohle ging im Rheinland eine Kooperation mit RWE ein. Nach dem 2. Weltkrieg gab es hier eine enge Kooperation zwischen Rheinbraun und RWE. Schließlich übernahm RWE die Rheinischen Braunkohlebergwerke ganz und verwaltet sie mit ihrem Zweig RWE-Power.

Tagebau Garzweiler II2

Der Großtagebau Garzweiler entstand im Jahre 1983 durch den Zusammenschluss der Abbaufelder Frimmersdorf-Süd sowie Frimmersdorf-West. Die Fläche wurde allerdings deutlich erweitert. Die Genehmigung für Garzweiler I erfolgte 1983, für Garzweiler II 1995.

Garzweiler I betrifft ein 66 Quadratkilometer großes Gebiet östlich der ursprünglichen Trasse der Autobahn A 44, das Abbaugebiet Garzweiler II ein Gebiet direkt westlich von Garzweiler I einschließlich der ursprünglichen Autobahntrasse und ist ursprünglich 68 Quadratkilometer groß.

Die Genehmigung für den Tagebau Garzweiler II war seinerseits bereits durch heftige Proteste von Braunkohlegegnern begleitet. Auf Erkelenzer Gebiet bildetet sich das Bündnis der vereinten Initiativen gegen Rheinbraun, das mit zahlreichen Protesten, Mahnwachen, Lichterketten und Kundgebungen verbunden war. Bereits vor der Jahrtausendwende war den Umweltschützern klar, dass die Braunkohle zu den klimaschädlichsten Rohstoffen gehörte. Auch die Stadt Erkelenz stand dem Vorhaben aus gesellschaftlichen und umweltpolitischen Gründen von Anfang an sehr skeptisch gegenüber. Ein Prospekt der Stadt aus dem Jahre 1990 zeigt bereits die Sorgen um die Folgen des Abbaus auf, die auch noch 30 Jahre später bestehen, wie das folgende Dokument zeigt.

Copyright by Stadtverwaltung Erkelenz

Die Initiativen bewirkten keine Abschaffung des Tagebaues, aber eine Verkleinerung auf 48 Quadratkilometer. Die Dörfer Venrath, Kaulhausen, Wockerath und Kückhoven auf Erkelenzer Gebiet und der Mönchengladbacher Stadtteil Wanlo werden somit nicht abgebaggert.

Zwischen 2006 und 2045, so der geplante Abbauzeitraum, sollen die Braunkohlebagger im Gebiet von Garzweiler II Kohle fördern – zwischen 35 und 45 Millionen Tonnen pro Jahr. Dabei liegt das Verhältnis Abraum zu Kohle bei etwa 5 : 1. Die Kohle liegt in etwa 210 m Tiefe – Ab 2045 soll das von den Braunkohlebaggern ausgehobene Restloch mit Wasser aus dem Rhein geflutet werden, so dass ein bis zu 185 Meter tiefer See entsteht.

Für den Tagebau müssen die Ortschaften Otzenrath, Holz und Spenrath, Gemeinde Jüchen, und Immerath, Pesch, Lützerath, Borschemich, Holzweiler, Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath, Gemeinde Erkelenz, weichen. Das sind etwa 7600 Menschen, die umgesiedelt werden müssen.

2016 reduziert die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen im Landesentwicklungsplan3 das Abbaugebiet nochmals um die Gemeinde Holzweiler. Wahrscheinlich verringert sich dadurch auch der Abraumzeitraum.

© Land NRW | LAndtag NRW | Aussparung Holzweiler

Beunruhigende Zahlen zur Veränderung des Weltklimas haben 2015 – 2021 zahlreiche Aktivisten auf den Plan gerufen, die Tagebaue zu stoppen. Ob dies ohne Auswirkungen auf den Elektrizitätsbedarf in Deutschland funktioniert, ist in der Fachwelt umstritten. Die einen sagen, man kommt mit regenerativer Energie aus, die anderen bestreiten das. Alle legen natürlich Prognosen vor. Fakt ist zurzeit allerdings: 2020 wurde seitens der Landesregierung beschlossen, wegen des verstärkten Abbaus der Treibhausgase den Braunkohleausstieg bis 2038 zu gewährleisten. Die geplanten Ortschaften sollten nach wie vor abgebaut werden. Allerdings sollte 2026 die Landesregierung nochmals beraten, ob der Abbau wirklich notwendig ist. Im Koalitionspapier zwischen den neuen Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP in der Bundesrepublik Deutschland wurde 2021 festgelegt, dass der Kohleausstieg bereits 2030 beendet sein soll und die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath erhalten bleiben sollen. Ob Lützerath, um das viele Aktivisten kämpfen, erhalten bleibt, sollten die Gerichte entscheiden. Ende 2022 schließlich stand fest, dass Lützerath abgebaut werden soll und die übrigen Dörfer bestehen bleiben. Im Januar 2023 wurde Lützerath mit einem hohen Aufgebot an Polizisten geräumt. Im September 2023 entschied der Landtag in Nordrheinwestfalen über die neue Leitentscheidung, die die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Westrich und Berverath vor dem Abbau retten.

Fakt im Kohleabbaugebiet Garzweiler II ist, dass bereits 6 Ortschaften zerstört sind und in den übrigen die Umsiedlung im Gange ist, so dass sie 2021 nur noch zu einem Viertel bis zur Hälfte bewohnt werden.4

  1. Dirk Jansen (BUND Hrsg.): Braunkohle im Rheinland GARZWEILER II, 2017, Seite 4
  2. Zur Chronologie des Tagebaus und des Widerstands Garzweiler II siehe: https://www.bund-nrw.de/themen/mensch-umwelt/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlentagebaue/garzweiler/steckbriefchronologie-garzweiler/
  3. https://www.land.nrw/de/pressemitteilung/kabinett-beschliesst-neuen-landesentwicklungsplan-und-garzweiler-leitentscheidung
  4. Text von Wolfgang Lothmann  2019, zuletzt erweitert 2022, für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Dirk Jansen , Braunkohle im Rheinland GARZWEILER II. BUND NRW (Hrsg.), 2017, Seite 4
  2. unbekannter Autor, . https://www.bund-nrw.de, /themen/mensch-umwelt/braunkohle/hintergruende-und-publikationen/braunkohlentagebaue/garzweiler/steckbriefchronologie-garzweiler/
  3. unbekannter Autor, . http://www.rwe.com, /web/cms/de/1140420/umsiedlung/tagebau-rekultivierung/tagebaue-genehmigte-abbaufelder/tagebau-garzweiler/
  4. RP Digital GmbH (Hrsg.), Rheinische Post online. https://rp-online.de/, /thema/tagebau-garzweiler/
  5. Dirk Jansen , Braunkohle im Rheinland GARZWEILER II. BUND NRW (Hrsg.), 2017, Seite 36 ff.
  6. unbekannter Autor, . https://www.land.nrw, /de/pressemitteilung/kabinett-beschliesst-neuen-landesentwicklungsplan-und-garzweiler-leitentscheidung

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