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Archäologische Spurensuche an der Ostpromenade

sonstiger Name: Archäologie am Reifferscheidtsgässchen
2023 bis 2024

Vorbemerkung

2023 und 2024 erforderten der Abriss des Parkdecks an der Ostpromenade und die Erneuerung des Kanals westlich davon archäologische Untersuchungen, die zahlreiche Strukturen der neuzeitlichen und der mittelalterlichen Stadt zutage brachten. Wo heute wieder der Verkehr rollt und bis vor Kurzem noch großflächig Autos geparkt wurden, standen im Mittelalter und vor allem im 19. und 20. Jahrhundert Häuser.

Dabei zeigt schon der Blick auf die historischen Karten, z. B. auf die Tranchot-Karte aus dem frühen 19. Jahrhundert (Abb. 1) oder den Plan von Jacob von Deventer aus dem mittleren 16. Jahrhundert (Abb. 2), dass sich das Areal gerade noch innerhalb des mittelalterlich-frühneuzeitlichen Mauerrings, ganz an dessen östlichem Rand befindet. Mit Resten von Bebauung war demnach zu rechnen. Die Ergebnisse der von der Fachfirma Archaeonet GbR durchgeführten Untersuchungen führen auch in die Zeit weit vor dem 19. Jahrhundert zurück.

Das Reifferscheidtsgäßchen und seine angrenzende Bebauung des 19. – 20. Jh.

Bevor 1982 das erste, 2024 durch einen Neubau ersetzte Parkhaus an der Ostpromenade errichtet wurde, erstreckte sich das heute weiter westlich gelegene Reifferscheidtsgäßchen noch bis an den Straßenring, der den Erkelenzer Altstadtkern umgibt. Dies geht aus den verschiedenen historischen Karten der Stadt hervor: Sowohl die Historische DOP von 1970 (Abb. 3) als auch die Tranchot-Karte von 1806/07 (Abb. 1) und selbst der Plan von Jacob von Deventer von 1555 (Abb. 2) geben diese Situation wieder.

Im Zuge der archäologischen Untersuchungen kamen Reste der Bebauung des 19. – 20. Jahrhunderts zu beiden Seiten des Reifferscheidtsgäßchens zutage. Nach Norden schloss sich entlang der Ostpromenade ein Gebäude von insgesamt ca. 32 m Länge und 10 m Breite mit sechs nebeneinander gelegenen Wohneinheiten an, von denen jede über einen eigenen Sickerschacht verfügte. Ebenfalls erfasste Wasserleitungen aus Blei bzw. Kunststoff und die Wiedergabe des Gebäudes auf der Historische DOP von 1970 (Abb. 3) bezeugen dessen Existenz bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Einen Hinweis auf seine Entstehungszeit geben die verwendeten Feldbrandziegel der Außenmauern. Deren Formate weichen leicht vom 1872 eingeführten Reichsformat von 25 cm Länge, 12 cm Breite und 6,5 cm Höhe ab, so dass die freigelegten Mauern entweder noch in der Zeit davor entstanden oder mit wiederverwendetem Material aus dieser Zeit errichtet wurden.

Die Südseite des Reifferscheidtsgäßchens wurde von einer vermutlich durchgehenden Mauer gesäumt (Abb. 5), von der mehrere Abschnitte zutage kamen. Sie setzte sich bis zur Einmündung des Gässchens in die Ostpromenade fort, wo sie in südliche Richtung umbog. Ihre deutlich gerundete Ecke erleichterte die Ein- und Ausfahrt ins Gässchen. Entlang der Ostpromenade ließen die freigelegten Mauerreste mehrere Mauerköpfe erkennen, deren Zwischenräume nachträglich mit Mauerwerk zugesetzt worden waren (Abb. 6). Dies erinnert an bogentragende Pfeilerstellungen, wie sie auch von der Stadtmauer in Jülich bekannt sind, so dass es sich um Reste der Stadtbefestigung handeln dürfte. Die Formate der verbauten Ziegel weisen auf deren Zugehörigkeit zu einer (früh)neuzeitlichen Erneuerung der im Ursprung mittelalterlichen Stadtmauer hin. Die Gestalt als mehr oder minder durchgehende Mauer könnte auf das 18.–19. Jahrhundert zurückgehen, da die Mauerreste entlang der Südseite des Reifferscheidtsgäßchens in eine Schicht mit Keramik des 17.–18. Jahrhunderts eingetieft sind. Noch vor ihrer Errichtung hatte man das Gässchen mit einem Kieselpflaster von ca. 3 m Breite befestigt, das noch Wagenspuren erkennen ließ (Abb. 5).

Das mittelalterliche Wohnquartier „an der Ostpromenade“

Wo im 19.–20. Jahrhundert nördlich des Reifferscheidtsgäßchens das langgestreckte Gebäude mit den sechs Wohneinheiten stand, befand sich auch im Hoch- und Spätmittelalter Bebauung. Von dieser zeugt ein Komplex von Erdkellern – großen, in den Boden eingetieften Gruben unter den selbst nicht erhaltenen Erdgeschossräumen, die meist als Webkeller genutzt wurden oder der Vorratshaltung dienten. In einem Fall der freigelegten Strukturen blieben zumindest die Standspuren der nicht mehr vorhandenen Vorratsgefäße erhalten (Abb. 7).

© ARCHAEONET GBR, M. Aeissen & Z. Goeruer | Felix Kunze | Abb 7: Erdkeller Stelle 47
Abb. 7: Erdkeller Stelle 47 mit den nebeneinander aufgereihten runden Standspuren früherer Vorratsgefäße. Foto: Felix Kunze, Archaeonet GbR.

Auch die Befunde im Umfeld des Erdkellerkomplexes zeugen vom täglichen Leben der Bewohner des Areals. An zwei Stellen waren Holzfässer in den Boden eingelassen gewesen, sog. Fassgruben weisen darauf hin (Abb. 8). Es fanden sich auch zwei Gruben mit zahlreichen Rinderknochen, die die Schlachtung von Tieren bzw. die Lagerung geschlachteter Tiere vor ihrer Weiterverarbeitung an diesen Stellen belegen. In einer weiteren Grube stand eine Zeit lang Wasser. Aus letzterer stammt ein Fragment eines Pilger- oder Aachhorns. Das im 14.–15. Jahrhundert im Raum Aachen aus Ton gefertigte Musikinstrument gelangte vermutlich nach einer Wallfahrt in die Reichsstadt als Pilgersouvenir nach Erkelenz.

© Archaeonet GbR, M. Aeissen & Z. Goeruer | Johannes Seespeck | Abb 8: Fassgrube Stelle 61 im Profil
Abb. 8: Fassgrube Stelle 61 im Profil. Foto: Johannes Seespeck, Archaeonet GbR.

Die baulichen Strukturen existierten vermutlich noch im 16. Jahrhundert, da der Plan von Jacob von Deventer aus dem Jahr 1555 nördlich des Reifferscheidtsgäßchens Gebäude zeigt. Die archäologischen Untersuchungen zeigten, dass die Ausrichtung der Strukturen von der der späteren neuzeitlichen Phasen um ca. 30° nach Nordwesten abwich.1

  1. Text von Dr. Marlis Arnhold, Archaeonet GbR, 2025
  1. unbekannter Autor, Internetadresse. https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/?bg=dop&bbox=332790,5646151,338740,5649341¢er=335765,5647746&wms=https://www.wms.nrw.de/geobasis/wms-t_nw_hist_dop,nw_hist_dop&time=1970 (Stand: 25.05.2025)
  2. unbekannter Autor, Internetadresse. https://www.dz.nrw.de/?lang=de&vm=3D&srs=25832&cam=312102,5661904.216043636,232.63,0,65.00000000000587,55 (Stand: 25.05.2025)

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