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Haus Spiess Erkelenz


Haus Spiess

Haus Spiess, die gute Stube und Standesamt der Stadt Erkelenz

Vorbemerkung

Das denkmalgeschützte Haus Spiess am Franziskanerplatz gehört der Stadt Erkelenz und dient heute als Raum für Ausstellungen, Empfänge und Konzerte. Zudem finden hier neben Haus Hohenbusch Trauungen statt.


Geschichte

© Wolfgang Lothmann | Haus Spiess Erinnerungstafel

Im Jahre 1806 ließ Johann Joseph Spiess das Haus im Couvenstil1 erbauen. Er gab dem Haus seinen späteren Namen. Spiess war ehemaliger Offizier der Leibwache des französischen Königs Ludwig XVI. Von Napoleon wurde er im Arrondissement Krefeld als Rentmeister und Domänenverwalter für die Kantone Erkelenz und Odenkirchen eingesetzt.



Er heiratete Luise Dreling, Enkelin des ehemaligen Bürgermeisters der Stadt Erkelenz, Paul Winand Dreling. Luises Vater, Franz Joseph Dreling, überließ Spiess das Grundstück in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Franziskanerklosters2. Luise Dreling, zwar 23 Jahre jünger als er, ebnete ihm aber den Zugang zur begüterten Stadtprominenz.



Die Anlage des Hauses drückt die Wohlhabenheit und den Stand des Inhabers aus. Es wurde als „Hôtel particulier“, ein typisches französisches Beamtenstadthaus im ausgehenden 18. Jahrhundert, gebaut. „Dazu gehört auch das repräsentative schmiedeeiserne Tor, das von zwei Löwen flankiert wird.“3 Spiess hatte die Löwen bei der Auflösung des Kreuzherrenklosters Wegberg konfisziert. Daher tragen sie das Wappen des Patronatsherren des Klosters, Freiherrn von Spiering. Konfisziert hatte Spiess auch Türen, Möbel und sonstigen Hausrat aus umliegenden Klöstern.4.



Nach der napoleonischen Zeit fiel die Stadt Erkelenz an Preußen. Spiess verlor kurzzeitig sein Amt und somit auch seinen Wohnsitz. Er kehrte aber bald zurück und übernahm auch wieder sein Haus. Drei Generationen blieb es noch im Familienbesitz. Danach ging es in den Besitz der Familie Mink über.

© Wolfgang Lothmann | Tafel zur Route gegen das Vergessen
Haus Spiess: 8. Station auf der Route gegen das Vergessen

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das heruntergekommene Haus im Jahre 1918 von der Familie Halcour gekauft, die es aufwändig restaurierte und den Garten neu gestaltete. Nach dem Konkurs des Weberei-Unternehmens Hal­cour verkaufte die Familie 1934 das Haus an den jungen Chef­arzt des Erkelenzer Krankenhauses Dr. Franz Meyer und seine Frau Erna.

Im 2. Weltkrieg wurde der linke Seitenflügel des Hauses durch eine Bombe völlig zerstört.

1978 erwarb die Stadt Erkelenz Haus Spiess. In den 1980er Jahren wurde es umfangreich renoviert. Der linke Seitenflügel wurde vollständig restauriert und das Haus mit einem Schieferdach versehen. Es ist heute die „gute Stube“ der Stadt, in der Ausstellungen und Empfänge sowie standesamtliche Trauungen stattfinden.

Für die Inneneinrichtung konnte die Stadt Erkelenz originale Biedermeiermöbel erwerben, die den Trauungen und den Ausstellungseröffnungen einen würdigen Rahmen geben.


Die Einrichtung


Das Biedermeier, eine Zeitspanne etwa von 1815 bis in die Mitte des 19. Jahrhundets, ist ein vom Bürger für den Bürger geschaffener Stil. Die Möbel dienten vor allem der Bequemlichkeit. Wichtigste Schmuckform ist das Holzfurnier, daher bevorzugte man hellere Hölzer mit ausdrucksstarker Maserung.

Betritt man das Haus über einige Blausteinstufen, gelangt man zu einem breiten, mit schwarz-weißen Marmorplatten belegten Korridor, der das Haus bis hin zur Gartentür durchquert. Reicher Stuck zierte im gesamten Erdgeschoss Decken und manche Wände. Teile davon sind noch heute in den Ofennischen der beiden vorderen Zimmer sichtbar.

Das Prunkstück im Flur ist die Kommode aus massivem Kirschbaumholz, zirka 1815/1820 im Rheinland gebaut, mit passendem Spiegel, dieser aus dem Jahr 1815 in Frankreich entstanden und dem Empirestil zuzuordnen. Im Kopfteil des Spiegels befindet sich eine aus Holz geschnitzte vergoldete napoleonische Schleife mit Füllhörnern und Lorbeerkranz.

Im linken Vorderzimmer steht das prachtvollste Stück des Hauses, ein verglaster Sammlungsschrank aus furniertem Kirschholz, wahrscheinlich um 1815 in Wien entstanden. Er enthält in jeder Tür eine ovale Verglasung. Als besondere Rarität befindet sich hier auch das funktionstüchtige Hammer- oder Tafelklavier, zirka um 1820 gefertigt.

Betritt man das angrenzende Trauzimmer, fällt sofort die elegante Aufsatzvitrine aus massivem Kirschbaum aus der Zeit um 1830 ins Auge. Über einem leicht gebogten Unterteil befindet sich leicht zurückversetzt ein offenes Ablagefach, darüber das verglaste Oberteil.

Ein ebenso typisches und charakteristisches Möbelstück des Biedermeiers ist das Sofa. Es ist ebenfalls aus Kirschholz und Zentrum der Sitzecke des Trauzimmers. Dazu passen der runde Tisch und die massiven Stühle aus dem gleichen Holz. Zwei halbkreisförmige Konsoltischchen mit leicht geschwungenen Beinen und eine Standuhr komplettieren die Einrichtung des Trauzimmers.

Auch der Heimatverein der Erkelenzer Lande hat im Haus Spiess schon wichtige Ausstellungen zu Persönlichkeiten der Stadt Erkelenz ausgerichtet, nämlich eine Ausstellung zu Arnold von Harff, dem Bohrpionier und Industriellen Anton Raky und den Erkelenzer Bildhauern von Heinrich Jansen bis Ursula Klügel. Im linken Flügel ist das Standesamt untergebracht, im rechten Flügel tagen die Stadtratfraktionen verschiedener Parteien. Um zu dokumentieren, dass in diesem Hause freie Parteien tagen können, was nicht zu allen Zeiten möglich war, wurde hier eine Station der Route gegen das Vergessen in der Stadt Erkelenz eingerichtet. Eine Bronzetafel erinnert an die unrühmlichen Zeiten während der NS-Herrschaft.



Das Bauwerk

Wenn Sie keine Lust haben, diesen etwas theoretischen und nüchternen Teil zu lesen, so schauen Sie sich das Video in dem folgenden Link an. Hier wird das Haus anschaulich erklärt.

Haus Spiess wurde im „Couvenstil“ auf einem 1211 Quadratmeter großen Grundstück erbaut. Es trägt damit klassizistische Züge mit „einzelnen barocken Anklängen“5. Der Bau enthält drei Flügel mit einem zweigeschossigen Haupthaus und zwei eingeschossigen Seitenflügeln. Der Mittelflügel enthält fünf Achsen, der Eingang ein Türgewände aus Blaustein. Die Dächer haben die Form von Mansardwalmdächern. Das Dach des Haupthauses ist Schiefer gedeckt, die Dächer der Seitenflügel enthalten Dachziegel. Im Haupthaus wohnten die Besitzer. Im rechten Flügel befand sich ursprünglich die Küche, im linken Flügel die Remise. In den Mansarden schliefen die Angestellten.

Zur Straßenfront hin schließt ein Hofgitter mit einem repräsentativen schmiedeeisernen Tor einen kleinen Ehrenhof vor dem Eingang ab. Auf dessen Pfeilern stehen die beiden bereits oben erwähnten Löwen, die einander zugewandt sind.



Hinter dem Haus befindet sich eine repräsentative Gartenanlage im französischen Stil.6

  1. benannt nach dem Aachener Architekten Johann Joseph Couven (1701 – 1763), der durch seinen eigenen Barock- und Rokokostil speziell das Aussehen der Stadt Aachen prägte
  2. siehe Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz, Flyer 4
  3. Christina Clever-Kümper, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz e.V., 2016. In: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-255235 (Stand 01.04.2021)
  4. siehe ebda
  5. siehe ebda
  6. Text von Wolfgang Lothmann 2021 und Rita Hündgen 2022 für den Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V.
  1. Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V. (Hrsg.), Bedeutende Bau- und Kunstwerke in Erkelenz - eine Sammlung von Flyern. Flyer 4, 4. Auflage 2010. Fotos, Neugestaltung und Ergänzung der früheren Texte von Edwin Pinzek durch Bodo Strickstrock, Erkelenz
  2. Stadt Erkelenz, www.erkelenz.de. www.erkelenz.de, /tourismus-kultur-sport-freizeit/stadtportrait/bau-und-kunstwerke/haus-spiess/ (Stand 01.04.2021)
  3. Heimatverein der Erkelenzer Lande e. V., Erkelenz - mittendrin und rundherum. Stadt und Land im Wandel. Erkelenz, 2012, Seite 174
  4. LVR, kuladig.de. www.kuldig.de, /Objektansicht/KLD-255235 (Stand 01.04.2021)
  5. Limburg, Käthe und Bernd, Denkmale in der Stadt Erkelenz. http://www.limburg-bernd.de

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