Lage
„Diesmal geht unser Weg nach dem Schierker, einer Stätte, deren Name nur den alten Erkelenzern bekannt ist, es ist das Schächerhäuschen draußen im Felde.“1 Die Lage im freien Feld dokumentiert auch noch die Hauptkarte der Bürgermeisterei Erkelenz aus dem Jahr 1820.
Ausschnitte aus: Rheinischer Städteatlas Erkelenz (III -15 – 1976), Tafel 2
Als der Rat der Stadt Erkelenz 1949 den Neubau eines Krankenhauses beschloss, der dann auf einem Grundstück an der Tenholter Straße realisiert wurde, war das Schächerhäuschen in die Bebauung gerückt.
Die Beschreibung der heutigen Lage: An der Ampelkreuzung Tenholter Straße/Goswinstraße stadtauswärts auf der rechten Seite gelegen, unmittelbar gegenüber dem Hermann-Josef-Krankenhaus und der Agentur für Arbeit. (Siehe Kugelpanorama) Es ist ein durch den Straßenverkehr geprägter Ort, dazu Fußgänger auf dem Weg in die Arbeitsagentur oder auf dem Hin- oder Rückweg zum oder vom Krankenhaus – also Wegsituationen voller Gedanken und eher ohne Muße. Wenige Meter neben einer Bushaltestelle und drei Schritte zurückgesetzt vom Bürgersteig kann der Ort nur Warteplatz sein. Keine Ruhe, kein Rückzug, keine Besinnungsmöglichkeit – unauffällig präsent.
Beschreibung des Baus
Das Schächerhäuschen ist ein über einem grauen Sockel gelb verputzter Bau mit einem verschieferten Pultdach. Das Häuschen hat vorne eine Höhe von 3 m und hinten 4,50 m, bei einer Breite von 4,30 m und einer Tiefe von 2,50 m. Der weiß verputzte Innenraum mit rotem Backsteinboden kann nicht betreten werden, sondern durch ein Holzgitter links neben einer 1,85 m niedrigen Holztüre ist der Blick in das Innere und auf die an der Rückwand hängenden Figuren des gekreuzigten Christus und die mit ihm gekreuzigten Schächer freigegeben. Vor dem linken Gitterteil ist der Platz für eine (nicht mehr vorhandene) Kniebank erkennbar, entsprechend der Kennzeichnung von Dechant Kamp aus dem Jahr 1931: „Unsere frommen Vorfahren haben sich in ihrer Gebetsbedürftigkeit manche Stellen geschaffen, wohin sie sich wandten mit ihren Anliegen, so auch diese.“2 Der über Tür und Gitter liegende Balken trägt links die eingeritzte Jahreszahl 1715, dazu die Buchstaben I∙G∙C∙M; rechts über der Holztür wird auf zwei Renovierungen von 1915 und 1980 verwiesen.
Die wegen eines Brandanschlags im Juli 1987 notwendige Renovierung aus dem Jahr 1995 ist hier nicht vermerkt. Auf dem Balken aufgesetzte schmiedeeiserne Stäbe und Spitzen schließen die Front nach obenhin ab.3
Ein jahreszeitlicher Trockenblumenstrauß und ein an der Innenwand lehnender Besen zeigen, dass das kleine, der Pfarre St. Lambertus gehörende Bauwerk, keineswegs sich selbst überlassen bleibt. Das Schächerhäuschen ist rechts und links mit dichtem Baum- und Strauchwerk eingefasst.
Darstellung und Gedenken
Die Figurenkonstellation entspricht der Hinrichtungsszene Jesu auf dem Kalvarienberg. Drei Figuren: der gekreuzigte Christus in der Mitte, größer und raumgreifender dargestellt als die beiden mit ihm Gekreuzigten. Nach diesen beiden Räubern oder Verbrechern – eben den Schächern – ist das kleine Bauobjekt insgesamt benannt. Es handelt sich um drei separate, farbig bemalte Holztafeln, die Figuren wirken plastisch und eindringlich. „Über das Alter dieses kulturhistorisch sehr wertvollen Baudenkmals liegen keine gesicherten Angaben vor; vor allem streiten sich Historiker und Restauratoren über das Alter der Tafeln. Auf einer Tafel ist eine Jahreszahl eingeritzt, die mit 1422 oder 1722 gedeutet wird!“4
Die Kreuzigung als Strafe war infolge der Punischen Kriege im römischen Reich intensiviert worden und bereits zwei Jahrhunderte vor Christi Geburt fester Bestand in der Strafpraxis geworden, die der römische Schriftsteller, Philosoph und Politiker Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) als die „grausamste und fürchterlichste Todesart“ bezeichnet.
Im Römischen Reich war die Kreuzigung die Strafe für (vermeintlich) politische Rebellen und Revolutionäre, auch für sich wiederholt den Befehlen verweigernde Soldaten oder für Bürgerrechtslose wie Jesus, dessen Geburtsregion Galiläa unter römischer Besatzungsmacht stand.
Bei der Kreuzigungsszene im Schächerhäuschen entspricht die Körperhaltung der drei Figuren der Darstellung im Lukas-Evangelium. Nur dieser Text (Lk 23, 39 – 43) differenziert zwischen dem Jesus verhöhnenden Schächer auf seiner linken Seite, der sich sichtbar abwendet, und dem rechts von Jesus Gekreuzigten. Er hat den Kopf zu Jesus geneigt, der sich ihm zuwendet und ihn anblickt. Dieser Schächer – so Lukas – erkennt eigene Schuld und empfindet Reue. So symbolisieren die Schächer unterschiedliche Verhaltensweisen der Menschen im Umgang mit Schuld.
In den christlichen Erzählungen haben sich für die beiden Schächer die Namen Gestas (linker Schächer) und Dismas (rechter, reuiger Schächer) etabliert. Eine solche Namensgebung geht einher mit einer in der Volksfrömmigkeit gesuchten konkreten Vorstellung. Dismas (Fest am 25. März) wurde besonders in der Barockzeit verehrt und gilt als Schutzpatron der Sterbenden und der zum Tode Verurteilten. Im Mittelalter wurde er von Fuhrleuten zum Schutz vor Raubüberfallen angerufen. Nachvollziehbar also, dass ein Bildstock mit dieser Darstellung und der damit verbundenen Gebetsintention 1715 außerhalb der Bebauung, im freien Feld, errichtet worden ist.
Das Schächerhäuschen an der Tenholter Straße ist ein frömmigkeits- und kulturhistorisches Zeugnis, das seit dem 30. November 1983 unter der Nr. 73 in der Denkmalliste der Stadt Erkelenz geführt ist.5
- , Schriftenreihe des Heimatvereins der Erkelenzer Lande e.V.. Band 17, 1998. Blaesen, Paul: Zeichen am Wege. Dokumentation christlicher Kleindenkmäler
- , Rheinischer Städteatlas Erkelenz. Köln, 1976
- , Die hl. Patrone der Kirchen und Kapellen des ehemaligen Dekanats und Kreises Erkelenz. Erkelenz, 1931
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